MÜNSINGEN. Der Angeklagte hatte Glück: Wegen Betrugs stand der 51-Jährige vor dem Amtsgericht Münsingen, er kam mit einem blauen Auge davon. Obwohl er bereits einschlägig vorbestraft ist und mehrmals gegen Bewährungsauflagen verstieß, erhielt er wegen neuerlicher Straftaten, die er vor fünf Jahren begangen hatte, noch einmal eine Bewährungsstrafe.
Was war geschehen? Im Frühjahr 2019 hatte der Mann eine rund 560 Quadratmeter große Halle auf der Albhochfläche angemietet, um angeblich Fenster und Türen herzustellen. Kurz darauf bot er seine Dienste auf dem Onlinemarktplatz MyHammer.de an. Ein Ehepaar, das sein Haus energetisch sanieren wollte, meldete sich.
»Wir lebten damals wie in einer Höhle«
Der Angeklagte suchte die Interessenten auf, nahm die Maße und erhielt wenig später den Auftrag über knapp 44.000 Euro. Das Ehepaar sagte vor Gericht aus, dass der Angeklagte ihnen sehr sympathisch erschien und er das beste Angebot gemacht hatte. Obwohl andere Anbieter fast ein Drittel mehr oder sogar das Doppelte verlangten, wurden die Hauseigentümer nicht misstrauisch. Erst als mehrere Liefer- und Einbautermine verstrichen und sie die Firma, nachdem sie den gesamten Betrag gezahlt hatten, weder telefonisch noch per WhatsApp erreichten, wurden sie stutzig.
»Wir lebten damals wie in einer Höhle«, erklärte das Ehepaar. Da die Fenster, wie vereinbart, bereits ausgebaut waren, wurden »die Löcher mit dunklen Planen« verschlossen. Im November und Dezember stiegen dementsprechend die Heizkosten. Auch suchte die Frau die vermeintliche Produktionsstätte auf der Alb auf, stand jedoch vor verschlossenen Türen des »leeren Gebäudes« und vor einem überquellenden Briefkasten.
Der Angeklagte blieb stumm
Umso mehr wunderte sich das Ehepaar über einen Besuch des Firmenchefs kurz vor Weihnachten 2019. Er gestand ihnen ein, dass er insolvent sei, versprach aber, alles einzubauen, wenn sie 11.000 Euro an die produzierende Fenster- und Türenbaufirma im Ausland überweisen würden. Das Ehepaar hatte keine andere Wahl, als das Geld nach Slowenien zu transferieren, obwohl es der Meinung war, dass alles auf der Alb produziert worden sei. Wenig später trafen alle Materialien auf ihrer Baustelle ein, aber vom Firmenchef war wieder nichts zu hören und sehen. Im Gerichtssaal blieb der Angeklagte ebenfalls stumm.
»Mein Mandant hatte schwere Depressionen und zog sich zurück, da er die Insolvenz nicht verkraftet hatte«, gab Rechtsanwältin Inga Berg zu Protokoll. Dies sei auch der Grund gewesen, warum er die Mietzahlungen für das Gewerbeobjekt in Höhe von rund 3.200 Euro im Monat nach vier Monaten eingestellt habe, weshalb er ebenfalls angeklagt war. In diesem Fall lautete der Vorwurf ebenfalls Betrug. Die Außenstände beliefen sich auf knapp 19.000 Euro.
»Er hatte schwere Depressionen«
Dass ihm erst jetzt der Prozess gemacht werden konnte, lag daran, dass der 51-Jährige in den vergangenen Jahren untergetaucht war. Seine finanzielle Schieflage begründete die Rechtsanwältin damit, dass ein Geschäftspartner, der ihm die Maschinen für die Fenster und Türen versprochen hatte, kurzfristig abgesprungen sei. Außerdem stünden ihrem Mandanten noch knapp 30.000 Euro aus dem Verkauf von Gegenständen seiner alten Firma zu, auf die er heute noch warte. Von Betrug könne also keine Rede sein, wie in der Anklageschrift vorgetragen wurde. Deshalb forderte sie für den Angeklagten einen Freispruch. Das sah Staatsanwältin Bettina Schmid naturgemäß anders.
Sie erinnerte daran, dass der mehrfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte in den Jahren vor seinem Untertauchen zahlreiche Vollstreckungsmaßnahmen über sich ergehen lassen musste. Außerdem sprach sie die zahlreichen Bewährungsstrafen an. Da er keine Bewährung durchgestanden habe, bliebe ihr keine andere Wahl, als im vorliegenden Fall Schadenswiedergutmachung und wegen mehrfachen Betrugs eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten zu fordern. Ein Aussetzen der Strafe zur Bewährung käme in diesem Fall nicht infrage.
Fünfstündige Verhandlung
Letztendlich verurteilte Richter Marian Jander den Angeklagten nach rund fünf Stunden Verhandlung zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Außerdem wurde der 51-Jährige verdonnert, den Schaden des Ehepaars wiedergutzumachen. Zudem muss er die Verfahrenskosten bezahlen und 2.000 Euro an den Verein für Jugend- und Bewährungshilfe in Tübingen überweisen.
Bei den ausstehenden Mietzahlungen hatte Jander seine Zweifel, dass bei der Unterzeichnung des Vertrags Vorsatz vorgelegen habe. Damals sei sein Konto noch im Plus gewesen. Anders sei es beim Vertragsabschluss für die Fenster und Türen gewesen. Deshalb ging der Richter in diesem Fall von Betrug aus. Er attestierte dem 51-Jährigen allerdings eine positive Sozialprognose: Da der Mann sich in den vergangenen fünf Jahren nichts mehr habe zuschulden kommen lassen, eine Arbeitsstelle in Aussicht habe und wieder »Teil der Gesellschaft« sei, könne das Gericht eine weitere Bewährungsstrafe verantworten. (GEA)
IM GERICHTSSAAL
Richter: Marian Jander Staatsanwältin: Bettina Schmid Verteidigerin: Inga Berg