Logo
Aktuell Verbraucher

Messe schön & gut: Eine Plattform für Schäferei

7.000 schafhaltende Betriebe gibt es in Baden-Württemberg, gerade mal 120 davon werden von hauptberuflichen Schäfern geführt

Zwei Generationen, eine Überzeugung: Lammkönigin Anja Schmid aus Owen und Ernst Fauser aus Pfronstetten sind von Herzen Schäfer.
Zwei Generationen, eine Überzeugung: Lammkönigin Anja Schmid aus Owen und Ernst Fauser aus Pfronstetten sind von Herzen Schäfer. FOTOS: SCHANZ
Zwei Generationen, eine Überzeugung: Lammkönigin Anja Schmid aus Owen und Ernst Fauser aus Pfronstetten sind von Herzen Schäfer. FOTOS: SCHANZ

MÜNSINGEN. Bummeln, einkaufen, genießen: Darum geht es bei der regionalen Verbrauchermesse schön & gut im Alten Lager bei Münsingen definitiv auch. Aber nicht nur. Wer Neugier und etwas Zeit mitbringt, hat die Chance, in Vorträgen, Podiumsgesprächen und an Info-Ständen viel Wissenswertes über Produkte von der Alb und die, die hinter ihnen stehen, zu erfahren. Wohl kaum ein Tier eignet sich mehr als Maskottchen für die Alb als das Schaf: Es hat hier Tradition, liefert Wolle und Fleisch und ist als Landschaftspfleger im Einsatz.

Mit »Osterdeko und Schäferromantik«, betonte Anette Wohlfarth, hat ihr Berufsstand trotzdem immer weniger zu tun. Wohlfarth ist Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbands Baden-Württemberg. Am Sonntag holte sie sich Schäfer aller Altersklassen aufs Podium, um mit ihnen über ihre Motivation, aber auch über ihre Sorgen, Ängste und Kritik an der Politik zu sprechen.

Die Eckdaten sind ernüchternd: 7.000 schafhaltende Betriebe gibt es in Baden-Württemberg, gerade mal 120 davon werden von hauptberuflichen Schäfern geführt. Und sie werden immer weniger. »In ganz Deutschland gibt es pro Lehrjahr insgesamt sieben Schäfer«, sagt Wohlfarth, Baden-Württemberg nimmt mit zwei, drei Azubis pro Jahrgang sogar noch eine Spitzenposition ein. Trotzdem: Eine Berufsschule gibt’s im Land schon lange nicht mehr, angehende Schäfer müssen zur Ausbildung nach Bayern oder Sachsen-Anhalt. Und leben, sagt die Funktionärin, können ihre Verbandsmitglieder von ihrer Arbeit auch mehr schlecht als recht: »Angestellten Schäfern müssen Betriebsleiter natürlich den Mindestlohn auszahlen – für sie selbst bleibt aber oft weniger.« Den durchschnittlichen Stundenlohn selbstständiger Schäfer beziffert sie auf sieben bis acht Euro.

Landschaftspflege statt Wolle

Was bringt junge Leute dennoch dazu, diesen Beruf zu ergreifen? Familiäre Wurzeln spielen da offenbar eine wichtige Rolle. Laura und Moritz Nies sind ein Ehepaar, beide sind 25 Jahre alt, beide sind in einem Schäfereibetrieb aufgewachsen. »Jeden Tag draußen und sein eigener Herr sein«, das schätzt Moritz Nies an seinem Beruf – auch wenn das an sieben Tagen pro Woche an 365 Tagen im Jahr gilt, weil Tiere nun mal nicht wissen, was Wochenende oder Urlaub ist.

Lammkönigin Anja Schmid aus Owen kommt von einem Hof, in dem die Schäferei zwar immer präsent war, lange aber eher eine Nebenrolle spielte. Nach einem Schulpraktikum in einer größeren Schäferei stand ihr Berufswunsch fest, den sie bis dahin nicht für möglich gehalten hatte: »Ich war mir plötzlich sicher: Genau das will ich machen.« Jetzt macht sie ihren Abschluss als Landwirtschafts-Technikerin, die Eltern haben, seit sie um die Zukunftspläne ihrer Tochter wissen, viel in den Betrieb und dessen Zukunft investiert. »Derzeit bauen wir einen Tierwohlstall«, erzählt Anja Schmid. Der kommt nicht nur den Schafen zugute: »Für uns erleichtert das die Arbeit, wir bekommen mehr Zeit für die Familie raus.«

Edeka Südwest vermarktet das Fleisch der Erzeugergemeinschaft Württemberger Lamm exklusiv – seit 20 Jahren. In einer Podiumsdisk
Edeka Südwest vermarktet das Fleisch der Erzeugergemeinschaft Württemberger Lamm exklusiv – seit 20 Jahren. In einer Podiumsdiskussion zogen Akteure Bilanz. Foto: Steffen Schanz
Edeka Südwest vermarktet das Fleisch der Erzeugergemeinschaft Württemberger Lamm exklusiv – seit 20 Jahren. In einer Podiumsdiskussion zogen Akteure Bilanz.
Foto: Steffen Schanz

Dass Schafe betreuungsintensiver sind als andere Nutztiere, sieht die Lammkönigin auch positiv: »Bei den Schweinen drückt man im Stall auf einen Knopf für die automatische Fütterung. Wir Schäfer sind viel näher an den Tieren dran – das macht’s für mich aus.« Auch Herbert Schaible aus Dachtel im Kreis Böblingen hat eine fast schon philosophische Berufsauffassung: »Wir schaffen eine Verbindung zwischen ein, zwei Hunden, die wir selbst ausbilden, und den Schafen. Wir führen die Herde und müssen eine Harmonie finden.«

Auch für Ernst Fauser ist klar: »I wed nix anders macha!« Er ist Schäfer in sechster Generation in Pfronstetten und eigentlich schon Rentner. Trotzdem kümmert er sich noch jeden Tag um eine Herde. »Mit zehn Jahren habe ich zum ersten Mal alleine gehütet«, erzählt er. Das waren noch andere Zeiten: Damals und bis etwa in die 1970er-, 1980er-Jahre hinein lebten die Schäfer vor allem noch von der Wolle. Die spielt heute eine untergeordnete Rolle – auch wenn es inzwischen etliche Projekte gibt, um das zu ändern (siehe Artikel unten).

»Inzwischen stammen 60 Prozent der Einnahmen aus der Landschaftspflege und 30 Prozent aus der Fleischvermarktung«, sagt Anette Wohlfarth. Die Leistungen der Schäferei, was den Erhalt der typischen Kulturlandschaft betrifft, haben Land und Kommunen erkannt: Sie sind die Hauptauftraggeber der Schäfer, 90 Prozent der Weideflächen sind in öffentlicher Hand. Für deren Pflege werden die Schäfer entlohnt – eigentlich. Das Geld kommt normalerweise im Dezember. Dieses Mal ist alles anders, die Schäfer werden aufs Frühjahr vertröstet.

Die Stimmung ist schlecht, die Argumentation vonseiten des Landes Baden-Württemberg eher dünn: Dafür, dass man im Ministerium für Ländlichen Raum aufgrund der im Raum stehenden Änderung von EU-Förderrichtlinien EDV-Probleme habe, wie Staatssekretärin Sabine Kurtz erläuterte, haben die Schäfer wenig Verständnis. »Viele Betriebe werden vor dem Aus stehen«, so die düstere Prognose von Ernst Fauser.

20 Jahre Württemberger Lamm

Beide, Kurtz und Fauser, saßen am Sonntag bei einer zweiten Talk-Runde mit Moderatorin Iris Goldack auf dem Podium, bei der es eigentlich mehr zu feiern als zu schimpfen gab. Anlass war das 20-jährige Bestehen einer Partnerschaft mit Pioniercharakter: Die Erzeugergemeinschaft Württemberger Lamm mit ihren 135 Mitgliedern und Edeka Südwest vermarkten exklusiv und sehr erfolgreich Lammfleisch aus dem Ländle. Letzteres, konkret das Ministerium für Ländlichen Raum, unterstützt das Projekt seit seinen Anfängen ideell und materiell.

Die Kooperation wurde, als die Wolle kaum mehr etwas wert war, aus der Not geboren. Daran erinnerte Bruno Kriegelstein, der das Projekt vonseiten des Ministeriums betreute. Überzeugungsarbeit habe man nicht nur bei den Verbrauchern, sondern auch bei den Erzeugern selbst leisten müssen – sie müssen, um das Qualitätssiegel zu erhalten, besondere Auflagen erfüllen. Jürgen Mäder, Vorstand von Edeka Südwest, schlug in die Kooperation ein, nachdem viele andere potenzielle Projekt-Partner dankend abgewunken hatten: »Es gab damals überhaupt keinen Markt dafür – aber mein Gefühl hat gesagt: Wir machen das einfach, wir generieren einen Markt.« Die Rechnung ist aufgegangen: Lammfleisch aus dem Land ist kein Massen-, sondern ein exklusives, natürliches Produkt, das, so glauben die Partner, auch in der Diskussion um den Fleischkonsum der Zukunft samt Trend zu vegetarischer oder veganer Ernährung seinen Platz behaupten wird. (GEA)