Logo
Aktuell Energie

Magolsheim liegt bei Windkraft vorn

In vielen Gemeinden wird noch über Windkraftstandorte debattiert. Im östlichsten Münsinger Teilort Magolsheim sind die Arbeiten für sechs Anlagen bereits angelaufen.

Die weißen Dreiecke vergrämen Feldlerchen entlang der Bautrassen und der Standorte der Fundamente.
Die weißen Dreiecke vergrämen Feldlerchen entlang der Bautrassen und der Standorte der Fundamente. Foto: Steffen Wurster
Die weißen Dreiecke vergrämen Feldlerchen entlang der Bautrassen und der Standorte der Fundamente.
Foto: Steffen Wurster

MÜNSINGEN-MAGOLSHEIM. »Es ist über 20 Jahre her, dass im Landkreis Reutlingen Windkraftanlagen bei Auingen und Böttingen gebaut wurden«, sagte Landrat Ulrich Fiedler beim Pressetermin zum Windpark Magolsheim, »und seither sind keine mehr dazugekommen.« Das wird sich bald ändern, für die sechs Windräder, die bei Magolsheim gebaut werden, hat das Landratsamt jetzt die letzten Genehmigungen erteilt. Schöller wurde schon vorher aktiv, die Komponenten für die Windräder und das nötige Umspannwerk bei Heroldstatt sind bestellt, die Arbeiten können sofort beginnen, die Bauvorbereitung läuft bereits - die »weißen Zelte«, die verhindern, dass der Bodenbrüter Feldlerche in den Baufenstern für die Trassen und Fundamente nisten, stehen bereits.

Der Landrat lobte seine Mannschaft und die Zusammenarbeit mit dem Projektierer und künftigen Betreiber des Windparks, Schöller SI aus Reutlingen. Er erinnerte daran, dass über das Genehmigungsverfahren für den Windpark am Hohfleck auf Sonnenbühler Markung elf Jahre ins Land gegangen sind. Schöller hatte den Antrag für Magolsheim im November 2023 eingereicht: »Man sieht, wir haben eine andere Taktung. Mit guten Unterlagen braucht ein Genehmigungsverfahren Wochen, nicht Jahre.« Schöller hatte 2.000 Seiten für den Antrag eingereicht, sagte Johannes Wild, bei Schöller zuständig für erneuerbare Energien. Und auf dem Landratsamt haben neun Stellen den Antrag in 41 Seiten Genehmigung zusammengeführt, ergänzte Ordnungsdezernent Philipp Hirrle, in dem alle »Lebensbereiche von den Abständen zur Wohnbebauung über den Artenschutz bis zum Grundwasser« berücksichtigt seien - »eine gigantische Leistung in der kurzen Zeit«. Mit starken Partnern könnten »klare Visionen Realität werden«, sagte Schöller-Geschäftsführer Andreas Giannaku.

Im Jahr 2025 soll der Windpark ans Netz gehen

Der Windpark Magolsheim dürfte der erste sein, der im Landkreis oder sogar im Bereich des Regionalverbands Neckar-Alb ans Netz geht. Die sechs Windräder stehen alle auf privatem Grund, auf landwirtschaftlichen Flächen. Die Pachtverhandlungen mit den Grundstückseigentümern und den Landwirten, die die Flächen bewirtschaften, haben bereits im Jahr 2021 begonnen und sind abgeschlossen. Die Genehmigungen liegen vor, die Feldlerchen brüten in sicherem Abstand, so können voraussichtlich Ende Mai die Erdarbeiten beginnen. Die Trassen für Baufahrzeuge und vor allem für die großen Transporter für die Windräder kommen zuerst, sie werden später zurückgebaut. Dann folgen die Fundamente für die Anlagen und die unterirdischen Kabeltrassen zwischen den Windrädern und dem Umspannwerk. Die Verträge für die Komponenten wurden bereits vor einem Jahr mit dem deutschen Hersteller Enercon abgeschlossen, Schöller sei damit ins Risiko gegangen, sagte Johannes Wild, das Risiko habe aber die Projektdauer deutlich verkürzt. Wenn die Fundamente stehen, kommen die Masten mit einer Nabenhöhe von 162 Metern, dann die Rotoren mit 175 Metern Durchmesser. Schöller plant, dass der Windpark ab der zweiten Jahreshälfte 2025 einspeisen wird.

Der Windpark wird pro Jahr 80.000 Megawattstunden Leistung liefern, etwas mehr, als Münsingen insgesamt an Strom braucht - vom privaten über den öffentlichen Verbrauch bis zum Bedarf des Gewerbes, sagte Bürgermeister Mike Münzing. Die einzelnen Anlagen werden rund das 15-fache der Leistung haben wie eines der vor 20 Jahren errichteten Windräder in Auingen, sagte Wild. Dass Münsingen zum zweiten Mal beim Ausbau der Windenergie im Gebiet des Regionalverbands Neckar-Alb vorne liegt, sei kein Zufall, betonte der Bürgermeister. Bereits 2016 wurde der Flächennutzungsplan Windenergie aufgelegt, in einer von ganz wenigen Kommunen, sagte Münzing, und 2022/23 fortgeschrieben. Und die Stadt habe sich Ziele gesetzt. Voran CO2-Neutralität und eine sichere Energieversorgung. Aber auch, wer partizipieren soll, »wir oder internationale Unternehmen«, sei eine Frage gewesen. Der Magolsheimer Windpark leiste mit 80.000 Megawattstunden jährlich einen wichtigen Beitrag, dazu kämen weitere 35.000 Megawattstunden aus anderen erneuerbaren Energien. Und nach den sechs Windrädern in Magolsheim sollen weitere 22 auf der Gemarkung der Stadt entstehen, sagte Münzing.

Gunther Matthäus (GÖG), Andreas Dominguez (SI), Johannes Wild (SI), Ortsvorsteher Andreas Ditzinger, Bürgermeister Mike Münzing,
Gunther Matthäus (GÖG), Andreas Dominguez (SI), Johannes Wild (SI), Ortsvorsteher Andreas Ditzinger, Bürgermeister Mike Münzing, Andreas Giannaku (SI), Philipp Hirrle (LRA), Landrat Ulrich Fiedler und Markus Gierke (LRA) im Bürgerzentrum Magolsheim. Foto: Steffen Wurster
Gunther Matthäus (GÖG), Andreas Dominguez (SI), Johannes Wild (SI), Ortsvorsteher Andreas Ditzinger, Bürgermeister Mike Münzing, Andreas Giannaku (SI), Philipp Hirrle (LRA), Landrat Ulrich Fiedler und Markus Gierke (LRA) im Bürgerzentrum Magolsheim.
Foto: Steffen Wurster

Das Projekt wird von der Gruppe für ökologische Gutachten GmbH (GÖG) begleitet. Das Büro hat im Vorfeld kartiert, »alles was kreucht und fleucht« sagte Gunther Matthäus von der GÖG, und beschrieb einige der Maßnahmen. Reptilien werden, wo nötig, durch Zäune geschützt. Um die Windräder werden die Flächen so angelegt, dass sie für den Milan nicht attraktiv sind. Wenn gemäht wird und Mäuse und Milane besonders aktiv sind, stehen alle Räder still - Kamerasysteme können mittlerweile unterscheiden, ob ein Trekker nur durchfährt oder seine Kreise zieht. Zum Schutz von Fledermäusen gibt es ein Gondelmonitoring: Die Aktivitäten der Flattermänner werden ständig aufgezeichnet, die Steuerung der Anlagen entsprechend nachreguliert. Die Arbeiten sollen schonend durchgeführt werden, so bleibt der Aushub möglichst auf den Baustellen. Sofern das nicht reicht, werden Blühstreifen als Ausgleichsflächen angelegt.

Windpark Magolsheim

Entstehen werden sechs Anlagen vom Typ Enercon E-175 EP5 mit einer Nabenhöhe von 162,5 Metern und einem Rotordurchmesser von 175 Metern, Gesamthöhe also 250 Meter. Jede Anlage produziert pro Jahr 13.300 Megawattstunden, der Windpark insgesamt 80.000 Megawattstunden. Verteilnetzbetreiber sind die Netze BW, eingespeist wird an einem Netzverknüpfungspunkt an der bestehenden 110 kV-Freileitung Laichingen-Schmiechen, zirka fünf Kilometer nordöstlich des Windparks. Schöller SI wird hier ein eigenes Umspannwerk mit einer Transformatorleistung von 80/100 Megawattampere errichten. Insgesamt investiert Schöller 80 Millionen Euro in den gesamten Park. (GEA)

Schöller verspricht, dass Münsingen und die Region vom Windpark profitieren. Es soll Möglichkeiten finanzieller Beteiligungen geben, Interessenten können sich über die Schöller-Homepage bereits vormerken lassen, dazu kommen Bürgerstrom und günstige Tarife für die Stadtwerke. Die Meinungen über Windparks in der eigenen Gemeinde gehen auseinander, Landrat Fiedler ist aber froh, dass die Einstellung »Windkraft ja, aber bitte nicht hier«, verschwinde. In Magolsheim sei von Widerständen auf jeden Fall nichts zu spüren, meinte Ortsvorsteher Andreas Ditzinger, »bei mir hat sich noch keiner beschwert«. Oder, wie es Bürgermeister Münzing ausdrückte: »In stürmischen Zeiten kann man Mauern bauen oder Windräder.« (GEA)