MÜNSINGEN. Energie ist ohne Frage ein komplexes Thema. Man begegnet ständig Begriffen wie Energiequelle, Energieträger, Windenergie oder elektrische Energie. Das kann ganz schön verwirrend sein. Da ist es sinnvoll, mal ganz von vorn anzufangen und zu fragen: »Energie – Was ist das eigentlich?« Dieser Frage haben sich engagierte Grundschüler im Rahmen der Hector-Kinderakademie in der Astrid-Lindgren-Schule mithilfe von Kursleiter Walter Vatter gewidmet.
Die Hector-Kinderakademie ist ein landesweites Förderprogramm für interessierte und begabte Kinder, in der Region wird sie wird von der Universität Tübingen unterstützt. Die Klassenlehrer empfehlen Schüler als Kandidaten für die Kinderakademie. Diese nehmen für ihr Engagement teilweise recht lange Anfahrtszeiten in Kauf. Für den Kurs in Münsingen kommen manche Teilnehmer zum Beispiel extra aus Metzingen.
Als es für den Energie-Experten Walter Vatter vor zehn Jahren Zeit für den Ruhezustand wurde, merkte er, dass er »noch überschüssige Energie« hatte. Die Hector-Kinderakademie heuerte ihn an. Dort bietet er naturwissenschaftliche Workshops an, wie die »Mathematik-Olympiade« oder »Bauen und konstruieren«.
Kommt auf die schiebe Ebene
Vatter hat im Bereich Energie einige Erfahrung gesammelt. Obwohl er als junger Mann mit dem Lehrerberuf liebäugelte, wurde er zunächst Bautechniker und betrieb ein Büro für Bauabrechnung. Als ihm die Kundschaft knapp wurde, führte ihn das zurück zum Lehramt. Der Bautechniker erkannte einen Mangel an Lehrern im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Er nutzte er sein berufliches Wissen, um als Physiklehrer in den Grund- und Hauptschulbetrieb eintreten.
Das Thema Energie findet sich, wie Vatter erklärt, bereits im Lehrplan für die Grundschulen. Empfohlen wird darin, mit der Elektrizität anzufangen, da sie allgegenwärtig sei und die Kinder damit die ersten Berührungspunkte zur Energie hätten, sei es durch den Lichtschalter oder das Smartphone der Eltern.
»Ich hab’ das nie so ganz eingesehen«, erklärt Vatter. Auf der Rutsche auf dem Spielplatz oder mit dem Rad den Berg runter rollen, das seien die wichtigeren Begegnungen mit Energie in der Kindheit als der Strom aus der Steckdose. Durch »körperbetontes Lernen« können die Kinder direkt erfahren, was Energie bedeutet, meint der Hector-Akademiker: Energie der Schwerkraft, »da möcht’ ich beginnnen«.
Eigentlich wollte Vatter den Schülern die Schwerkraft am Skihang demonstrieren. Allerdings blieb der Schnee an den Tagen, an denen der Kurs stattfand, auch auf der Alb aus. Eine Holzrampe und eine Playmobil-Figur mussten daher zur Demonstration reichen. Die Aufgabe der Schüler war es, zu messen, wie lang der Plastik-Skifahrer braucht, die Rampe aus unterschiedlichen Höhen hinunter zu sausen. Die ersten Erfahrungen mit Themen wie Gravitation und Geschwindigkeit sind damit gesammelt. Der »Schwung« wurde erarbeitet, erklärt Vatter, nun folgt die Energieerzeugung mithilfe der nun wertgeschätzten Schwerkraft.
Mit Schwung und Wumms
Vatter hat sich ein anschauliches physikalisches Experiment für seine Schüler ausgedacht. Sie bleiben bei der Holzrampe. Diesmal lassen die jungen Forscher einen kleinen Plastikwagen die Rampe hinunter und messen die zurückgelegte Strecke. Einmal fährt der Wagen leer: mit »Schwung«. Und einmal mit extra Gewicht: »Schwung« plus »Wumms«. Die Kinder stellen Hypothesen auf, was passieren könnte. Mit ein bisschen Hilfe kommen sie darauf, dass Geschwindigkeit und Gewicht in diesem Experiment die Energie erzeugen. Der Plastikwagen mit einem Pfund extra Energie sollte natürlich weiter fahren, als der Wagen, der zwar mit »Schwung«, aber ohne »Wumms« fährt. Allerdings will das diesmal nicht so recht gelingen, Vorführeffekt. Vatter zieht eine Lektion für die Schüler daraus: »In der Wissenschaft erreicht man nicht immer die gewünschten Ergebnisse.«
Vom »Schwung«, über den »Wumms« zum »Bumms«. Die jungen Experimentierer simulieren einen Auffahrunfall, der Passagier des Plastikwagens ist ein rohes Ei, welches von der Rampe gegen die Wand fährt: »Bumms«. Energie hat auch gefährliche Seiten. So macht das Lernen Spaß. Das bestätigen die beiden Jungen, die das Experiment ausführen, Josia aus Dapfen und Dominik aus Münsingen. Ihnen gefällt an diesem Kurs, dass »man Sachen macht, nicht nur rumsitzt und der Lehrer erklärt was«.
Wassermühlen im Ermstal als Beispiel
Wie wird die Schwerkraft nun technisch genutzt, damit letztlich Energie aus der Steckdose kommt? Vatter nimmt als Beispiel die Wassermühlen im Ermstal, auch dafür gibt es ein Experiment. Die Grundschüler erzeugen Energie durch das Schütten von Murmeln auf die Mühlenblätter. Die Murmeln sind der Energieträger, wie das Wasser im Ermstal. Die Mühle setzt sich in Bewegung, ein Generator wandelt die Energie in elektrischen Strom um und kleines Rad fängt an, sich zu drehen, es »zuckt immerhin«.
Die jungen Forscher haben es geschafft: Den Gewinn elektrischer Energie mithilfe der treuen Schwerkraft.
Zum Abschluss des Forschungsnachmittags betreiben die Grundschüler die Mühle mit ihren eigenen Pressluftmotoren: Die Jungs füllen Luftballons, die Luft lassen sie auf die Mühlenblätter strömen.
Der Kurs verfolgt die Energiekette: Das Rädchen dreht sich, der Generator wandelt die mechanische Energie in elektrische Energie um, die Mühle dreht sich Dank der Luft, die die Jungs in die Ballons gepustet haben.
Eine Frage bleibt offen: Was ist denn die Energiequelle der fleißigen Schüler? Eine Weile wird gerätselt, bis der Lehrer die Hector-Akademiker erlöst: Es ist die Nahrung. Die jungen Forscher werden mit Schokoriegeln versorgt. Mit frischer Energie aufgeladen, lernt es sich einfach besser. (GEA)