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Letzter Badetag im alten Bundeswehr-Bad in Münsingen

Fast 50 Jahre lang war das von der Bundeswehr erbaute Münsinger Hallenbad in Betrieb. Am letzten Badetag vor der endgültigen Schließung wurde bei Stammschwimmern so manche Erinnerung wach.

Letzter Badetag: Das von der Bundeswehr gebaute Hallenbad wird abgerissen.
Letzter Badetag: Das von der Bundeswehr gebaute Hallenbad wird abgerissen. Foto: Marion Schrade
Letzter Badetag: Das von der Bundeswehr gebaute Hallenbad wird abgerissen.
Foto: Marion Schrade

MÜNSINGEN. Kalt, zweckmäßig und in die Jahre gekommen: Das Münsinger Hallenbad, in den 1970er-Jahren von der Bundeswehr gebaut, stand nicht unbedingt im Ruf, eine Wellness-Oase zu sein. Generationen von Schülern haben hier Schwimmen gelernt - in den ersten Jahren noch im Wechselbetrieb mit den Soldaten, die hier schon auch mal in voller Montur ins Becken springen mussten. In der Garnisonsstadt Münsingen war das Alltag. Solange, bis die Bundeswehr abzog und ihre zweckmäßige Sportstätte voll und ganz der Stadt Münsingen überließ (siehe Info-Box).

Kauf und Weiterbetrieb des Bundeswehr-Schwimmbads waren damals alles andere als unumstritten. Es ging ums Geld. Darum, was sich die Stadt leisten kann - eine Frage, die sich mit dem Neubau des Hallenbads auf dem Freibadgelände wiederholt: 7,4 Millionen Euro soll er kosten. Die Baustelle läuft, im Herbst soll das neue Bad eröffnet werden. Am vergangenen Montag hatten die Münsinger letztmals Gelegenheit, ihre Bahnen im alten »BW« zu drehen. So spartanisch das Bad auch ist: Viele haben's offenbar genau so geliebt, wie's eben war. In den letzten Stunden war in der Schwimmhalle viel Wehmut zu spüren.

Stammschwimmer: Hinten, von links: Rosemarie Schramm mit Schwimmmeisterin Zsuzsanna Bacsone Nagy, mittlere Reihe: Christine Rasc
Stammschwimmer: Hinten, von links: Rosemarie Schramm mit Schwimmmeisterin Zsuzsanna Bacsone Nagy, mittlere Reihe: Christine Rasch und Inge Müller, vorne Claudia Böhm und Bernd Stalder. Foto: Marion Schrade
Stammschwimmer: Hinten, von links: Rosemarie Schramm mit Schwimmmeisterin Zsuzsanna Bacsone Nagy, mittlere Reihe: Christine Rasch und Inge Müller, vorne Claudia Böhm und Bernd Stalder.
Foto: Marion Schrade

82 Besucher kamen am Montag, am Freitag zuvor waren es 90 und damit einige mehr als an normalen Tagen. Im Schnitt, berichtet Schwimmmeisterin Zsuszanna Bacsone Nagy, kamen 60, 70 Leute. Gemessen an den Massen, die ins Freibad strömen (an Top-Sommertagen sind's schon mal zweieinhalbtausend), ist das nur eine Handvoll. Und vor allem: ein eingeschworener Kreis. Ob »Seerosen«, wie die älteren Damen, die im gemütlichen Tempo schwimmen und plaudern, oder bahnenfressender Sportschwimmer: Man kennt sich. Die meisten, die ins BW kamen, waren Stammgäste »Ich war eigentlich jeden Tag hier, ich bin schwimmsüchtig«, sagt Martin Stotz, der nun zum allerletzten Mal mit seiner Sporttasche die Treppe hochgeht. Das Bad ist eine Konstante in seinem Leben. »In der fünften Klasse habe ich hier Schwimmen gelernt, mit 18 war ich hier beim Bund, jetzt bin ich 56 und schwimme immer noch.«

Auch Stefan Boss kennt das Bad noch aus Bundeswehrzeiten - und schätzt es, genau wie Christoph Brändle, vor allem für seine Schnörkellosigkeit. Fürs abendliche Fitnesstraining haben den beiden Männern die zweckmäßigen Sportbahnen vollkommen gereicht »So schön werden wir's nie wieder kriegen«, sagen sie und kichern, denn die Kritik ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. In einem sind sie sich mit allen Stammschwimmern einig: Dass die Stadt in diesen Zeiten in ein neues Bad investiert, ist ein absolutes Privileg. Klar ist aber auch, dass nicht nur das Bad selbst, sondern auch das Konzept neu ist und dass sich einiges ändern wird.

Soldaten und Bürger teilten sich das Bad jahrzehntelang

»Die Stadt kann es sich nicht leisten, sich das Hallenbad nicht zu leisten.« Diesen Satz sagte Bürgermeister Mike Münzing im Jahr 2003 immer wieder, um den Gemeinderat davon zu überzeugen: Das Hallenbad von der Bundeswehr zu übernehmen ist zwar teuer, aber alternativlos. Warum? Weil sich Bürger und Vereine, vor allem aber Schulen über Jahrzehnte hinweg daran gewöhnt hatten, dass sie das Soldaten-Schwimmbad mitbenutzen durften. Es gehörte ganz selbstverständlich zur Infrastruktur des Mittelzentrums wie die Bundeswehr zum öffentlichen Stadt-leben gehörte. 1971 wurde das Schwimmbad geplant, ab 1976 gebaut, schon 1978 wurde ein Mitbenutzungsvertrag geschlossen, der regelte, wann und zu welchen Konditionen die Sportstätte Bürgern und Schulen zur Verfügung steht. Als die Bundeswehr im Jahr 2003 ihren Abzug ankündigte, brachte das neben Zukunftsängsten auch viele Fragen und Aufgaben mit sich: Was wird aus den Liegenschaften des Militärs? Die Stadt entschied sich nicht nur, das 22 Hektar große Gelände der Herzog-Albrecht-Kaserne zu kaufen und daraus ein Baugebiet, die heutige Parksiedlung, zu machen. Sondern nach längerem Ringen auch dafür, das »BW«-Bad zu übernehmen. Der Kaufpreis - verlangt wurde lediglich der Grundstückswert - war nicht das Problem. Bedenken hatten die Gemeinderäte in erster Linie wegen der hohen Unterhaltungskosten: 64.000 Euro musste die Stadt bislang jährlich für die Mitbenutzung bezahlen. Den Löwenanteil - 156.200 Euro - hatte die Bundeswehr selbst draufgelegt, um sämtliche Betriebskosten zu decken. Eine Summe, die nun die Stadt selbst aufbringen musste. Der Preis dafür: Das kleinere Lehrschwimmbecken in der Alenberghalle wurde dafür aufgegeben. Fortan gab es Schwimmunterricht und öffentlichen Badebetrieb in zwei Bädern: Im ehemaligen BW-Bad und in der Lautertalschule. Die ebenfalls dringend notwendige Sanierung des Freibads verschärfte die finanzielle Lage zusätzlich. Hilfe nahte von einem neu gegründeten Bäder-Förderverein, der bis heute aktiv ist und Geld für den Neubau des kombinierten Frei- und Hallenbads in zwei Bau-Etappen gesammelt hat und weiterhin sammelt. Wie es mit dem BW-Bad weitergeht, ist noch unklar: Fördermittel für einen Abriss wurden zwar beantragt, teilt die im Rathaus für die Sportstätten zuständige Amtsleiterin Rebecca Hummel mit. Inzwischen stehen offenbar aber auch - noch nicht spruchreife - Alternativen im Raum. (ma)

»Das alte war ein Soldatenbad, das neue wird ein Familienbad«, sagt Bernd Stalder. Er kommt seit 30 Jahren ins BW zum Schwimmen und feiert mit drei älteren und einer jüngeren Dame Abschied. Man kennt sich vom Schwimmen - das gemeinsame Hobby schafft Berührungspunkte, die sich sonst nie ergeben hätten. »Wenn man sich mal zufällig woanders begegnet, beim Einkaufen zum Beispiel, erkennt man sich erstmal gar nicht. Man sieht sich ja sonst nur in Badeklamotten«, sagt Claudia Böhm und lacht. Das bunt gemischte Grüppchen sitzt im Foyer an einem Tisch, es gibt Knabbergebäck, Secco und Bier. »Freie Bahn« zu haben - das haben die Stammschwimmer an ihrem Bad geschätzt. Das neue Hallenbad wird vor allem auch ein Familienbad sein - es könnte also künftig etwas voller und turbulenter im Becken werden, denken die Stammschwimmer.

Trotzdem: »Wir können froh sein, dass wir in der heutigen Zeit ein neues Bad bekommen«, findet Inge Müller. Ein explizites Lob an Bürgermeister Mike Münzing und seinen Mut, das Projekt trotz schwieriger Rahmenbedingungen durchzuziehen, gibt's von Rosemarie Schramm. Die 86-Jährige kann sich ein Leben ohne Bad nicht vorstellen. Seit das Münsinger Freibad 1973 eröffnet wurde, geht sie Schwimmen - und zwar an jedem einzelnen Öffnungstag. Die Bewegung im Wasser wirkt Wunder, sagt sie: »Ich war seither kein einziges Mal krank.« Ein paar Tage muss sie nun ohne Schwimmen auskommen, bis das Freibad am Samstag, 18. Mai, zum ersten Mal in diesem Jahr seine Türen öffnet. Dann wird auch Rosemarie Schramm da sein und jeden Tag wieder kommen: »Bei jedem Wetter.« (GEA)