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Aktuell Gesellschaft

Lebenswege starker Frauen

MÜNSINGEN. Harte Arbeit. Soziale Kontrolle. Aber auch immer wieder Freiheit und Selbstbestimmung, die Raum boten für überraschende Karrieren. Das Leben von Frauen auf dem Land war und ist vielschichtig, spannend, weit weg vom Klischee. Beispiele hat die an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität lehrende Volkskundlerin Annegret Braun zusammengetragen. »Frauen auf dem Land« ist ein mit Bildern aus privaten Fotoalben angereichertes Lesebuch.

Frauen auf dem Land: Annegret Brauns Buch ist mit vielen privaten Fotos angereichert. FOTO: PR
Frauen auf dem Land: Annegret Brauns Buch ist mit vielen privaten Fotos angereichert. FOTO: PR
Frauen auf dem Land: Annegret Brauns Buch ist mit vielen privaten Fotos angereichert. FOTO: PR
Vor einem verklärten Blick auf ein vermeintliches ländliches Idyll schützt die Autorin ihre eigene Geschichte. Als Annegret Weiß ist sie zusammen mit drei Schwestern auf einem Bauernhof in Münsingen aufgewachsen. Nach dem Abitur folgte nicht gleich die wissenschaftliche Karriere, sondern zuerst die Ausbildung als Krankenschwester am Münsinger Kreiskrankenhaus. Mehrere Jahre arbeitete Annegret Weiß in der Chirurgie. Später studierte sie Europäische Ethnologie, promovierte über Emanzipationsgeschichte - auch eine Karriere einer Frau vom Land.

In ihrem Buch zeichnet die Volkskundlerin Lebenswege ganz unterschiedlicher Frauen nach. Mägde und Bäuerinnen sind darunter, Gutsbesitzerinnen, Pionierinnen der Landwirtschaft oder Volksdichterinnen, aber auch anspruchsvolle Damen aus der Stadt, die als Sommerfrischler auf dem Land einfielen.

Jede Einzelne der Protagonistinnen Annegret Brauns sucht ihren Weg zwischen Begrenzung und Freiheit. So wie die Magd Dora, die trotz ihrer kleinen Statur zupacken konnte wie ein Mann und sich bei aller Abhängigkeit vom Bauern ihres Werts durchaus bewusst war. »Ich mach alle Arbeit, ich schaff wie ein Knecht, aber ich darf nicht einmal mit den Gäulen fahren - als wär ich zu deppert dafür«, schimpfte sie ihren Arbeitgeber aus, der ihr sein Pferdegespann nicht anvertrauen wollte.

»Ich schaff wie ein Knecht, aber ich darf nicht mit den Gäulen fahren - als wär ich zu deppert dafür«
Die frühere Sennerin kommt zu Wort, die trotz der harten Arbeit ihre Sommer auf der Alp geliebt hat, die junge Bäuerin, die ihren Lebenstraum erfüllt und als Hebamme in die Fußstapfen ihrer Großmutter tritt, aber auch die preußische Gutsbesitzerin, die als alleinerziehende Mutter und Landwirtschaftsexpertin bei ihren Zeitgenossen Reaktionen zwischen Befremden und Bewunderung provozierte. »Eine der merkwürdigsten Frauen, die je existiert haben«, nannte sie einer ihrer - männlichen - Gäste.

Die erste Professorin in Deutschland war eine Agrarwissenschaftlerin: Margarete von Wrangell, in Moskau geborene Baroness, 1904 in Tübingen immatrikuliert, in den Zwanzigern Inhaberin eines Lehrstuhls in Hohenheim. Wie sie portraitiert Annegret Braun auch die Gründerin des ersten Ländlichen Hausfrauenvereins, Elisabet Boehm, oder die bayerische Radioredakteurin Ilse Weitsch, die mit ihrem Frauenfunk nach dem Zweiten Weltkrieg zur Autorität in landwirtschaftlichen Fach- und menschlichen Lebensfragen wurde. Schließlich wird geschildert, wie schon vor hundert Jahren städtische und ländliche Lebenswelten aufeinanderprallten, wenn vorwiegend weibliche Städterinnen in die Sommerfrische aufs Land fuhren und einerseits mit Skepsis, andererseits (wegen der zu erwartenden Einnahmen) mit offenen Armen willkommen geheißen wurden.

Moderne Frauen auf dem Land folgen keinem vorgezeichneten Weg, sondern einer bewussten Entscheidung für einen bestimmten Lebensstil. Zwischen Schleswig-Holstein und der Schweiz hat Annegret Braun auch dafür anschauliche Beispiele gesucht und gefunden. Die Kürbisspezialistin Walburga Loock ist dabei, die vor zwei Jahren vom bayerischen Landwirtschaftsministerium als »Unternehmerin des Jahres« ausgezeichnet wurde. Gewidmet hat Annegret Braun ihr Buch »allen starken Frauen auf dem Land«, unter anderem ihrer Mutter. (GEA) ++Lesung in Münsingen* Annegret Brauns Buch »Frauen auf dem Land« ist im Münchner Verlag Elisabeth Sandmann erschienen. Die aus Münsingen stammende Kulturwissenschaftlerin wird es am Freitag, 19. November, von 19.30 Uhr an in der Buchhandlung Schatz in Münsingen vorstellen. (dew)