MÜNSINGEN/METZINGEN. Baden-Württemberg steht beim Breitbandausbau nicht schlecht da, allerdings sind die regionalen Unterschiede beträchtlich. Wohl dem, der um Karlsruhe, Villingen-Schwenningen oder auch Tübingen surft, dort rasen in 95 Prozent der Haushalte mehr als 100 Mbit pro Sekunde durch die Kabel. Im Wahlkreis 61 sieht es düsterer, beziehungsweise im Breitbandatlas des Landes heller aus. Oberhalb des Ermstals sind nur noch 50 bis 75 Prozent, in großen Teilen sogar weniger als die Hälfte der Haushalte einigermaßen schnell unterwegs. Dabei ist heute schon das Gigabit-Netz der Stand der Dinge.
Fördergelder für den Breitbandausbau gibt es in Fülle, kommunale Ausbauprojekte werden großzügig gefördert. Allerdings stehen jedes Mal Millionenbeträge im Raum, der Eigenanteil der Kommunen ist nicht zu vernachlässigen. Anders als bei Wasser, Abwasser und Strom können auch die Nutzer beziehungsweise die Hausherren von ihrer Kommune zur Kasse gebeten werden, sie übernehmen dann die Kosten von der in der Straße verlegten Leitung bis ins Haus.
Die auf der Alb aktiven Betriebe sind auf schnelles Internet angewiesen, spätestens bei der Übertragung von Kons-truktionszeichnungen für Maschinenbauer oder den Architekten. Corona hat jetzt jedem gezeigt, dass das Internet keine Spielwiese für (Spät-)Pubertierende ist. Sondern Homeoffice oder Homeschooling erst möglich macht.
Allein die Erkenntnis reicht nicht aus. Für den Ausbau eines Netzes können vom Gemeinderatsbeschluss bis zum ersten »Geben Sie Ihr Passwort ein« drei Jahre vergehen. So lange dauert es, bis die Fördermittelanträge gestellt (erst beim Land, dann erst beim Bund), Wirtschaftlichkeitsanalysen erstellt (die Betreiber sind ja ergebnisorientierte Unternehmen), die Ausführung geplant und zum guten Schluss die Strippen gezogen sind. Bis auf der Alb jeder Schüler einen gleichwertigen Anschluss hat, »isch Corona verdloffa«, wie der Schwabe sagt.
Der ländliche Raum hat in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen, den Bürgermeistern werden die Bauplätze schneller aus den Händen gerissen, als sie Bebauungspläne aufstellen können. Wohnungsnot, hohe Mieten und Preise treiben vor allem junge Familien ins Hinterland. Und dem Virus sei Dank ist Arbeiten von zu Hause aus möglich, es muss nicht mehr jeden Morgen ins Tal gefahren werden. Wenn dann aber die Videokonferenz mit dem Älbler nicht klappt, die gemeinsame Arbeit mit Kollegen abgebrochen werden muss, weil die Datenautobahn holprig ist, ist die Toleranzschwelle mancher Chefs schnell erreicht, und es muss wieder gependelt werden. Ob das mit dem ÖPNV klappt, ist wieder eine andere Frage. Für das Bus- und Bahnnetz gilt das gleiche wie fürs Breitbandnetz: Hier klappt’s leidlich, dort gar nicht.
Wohnen auf dem Land ist auch durch Corona wieder gefragt. Reichen die Breitband-Förderprogramme aus?
Cindy Holmberg, Grüne
In den letzten fünf Jahren hat sich hier zu wenig getan. Das zeigt sich durch die Coronakrise ganz besonders. Die Kommunen stehen hier vor großen Herausforderungen. Wir Grünen verstehen Breitbandausbau als Aufgabe der Daseinsvorsorge und wollen weiter intensiv daran arbeiten, die Infrastruktur zu verbessern.
Wir setzen uns für einen flächendeckenden Ausbau ein. Mit dem Betreibermodell sind wir bereits sehr erfolgreich. Wir möchten die Landkreise und Kommunen damit weiterhin unterstützen, leistungsstarke Netze ausbauen zu können. Dazu gehört für uns auch der Ausbau von smarter Infrastruktur. Teil dieser Offensive ist ein enges Netz an WLAN-Hotspots, die öffentlich vollumfänglich zugänglich sind. Dabei wollen wir auch Freifunk-Initiativen vor Ort unterstützen.
Weil die Bedeutung digitaler Infrastruktur und Wirtschaft im ganzen Land weiter steigt, aktualisieren wir den Landesentwicklungsplan und lassen im Regionalplan Digitalpläne erstellen. Als Mitglied des Regionalverbandes Neckar-Alb werde ich mich hier intensiv einbringen.
Manuel Hailfinger, CDU
Das schnelle Internet ist die Lebensader der Zukunft. Wir brauchen schnelles Internet, und zwar überall und jederzeit. Über eine Milliarde Euro wurde durch das CDU-geführte Digitalisierungsministerium innerhalb der letzten fünf Jahre in das Breitbandinternet investiert. So wurden über 10 000 Kilometer an Glasfaserleitungen in Baden-Württemberg verlegt. Mit weiteren 1,5 Milliarden Euro wird in den kommenden fünf Jahren dafür gesorgt, dass Glasfaser überall verlegt wird, wo es gebraucht wird. Und zwar unabhängig von derzeit vorhandenen Bandbreiten.
Neben Glasfaser wird auch der neue Mobilfunkstandard 5 G in den Mittelpunkt der Anstrengungen rücken: 5 G revolutioniert das mobile Internet und ist Grundlage für Echtzeitkommunikation, die keine Verzögerung erlaubt. Mit der Gründung des »Kompetenzzentrums Mobilfunk« wird es uns zudem gelingen, die vorhandenen Funklöcher zu schließen.
Um der weiter zunehmenden Bedeutung des Themas noch stärker gerecht zu werden, ist es dringend notwendig, in der nächsten Legislaturperiode dem Querschnittthema Digitalisierung mit einem komplett eigenständigen Ministerium noch mehr Gewicht in der Regierung beizumessen.
Joachim Steyer, AfD
Bislang leider nein. Um den Ausbau des Glasfasernetzes voranzutreiben, sind regionale Strukturen, zum Beispiel Stadtwerke, Zweckverbände und privatwirtschaftliche Kooperationen durch öffentliche Fördermittel zu stärken. Bevor keine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet gewährleistet ist, bleiben viele hehre Ziele im Bereich der Digitalisierung nur graue Theorie.
Dasselbe gilt auch für den Ausbau des Mobilfunks: Bevor schöne Versprechungen mit dem neuen Mobilfunkstandard 5 G gemacht werden, muss zuerst einmal eine flächendeckende Mobilfunkversorgung gewährleistet werden.
Internet und Mobilfunk sind aber nicht alles. Auch die Betreuung unserer Jüngsten, die Verfügbarkeit medizinischer Versorgung und die Qualität des ÖPNV sind in diesem Zusammenhang relevante Themen.
In Sachen Ärztemangel liegt die Lösung auf der Hand: eine bessere Bezahlung. Ich plädiere aber dafür, diese in Form einer anderen Besteuerung vorzunehmen – mit mehr Netto vom Brutto würde jeder aktuelle Mangelberuf schnell deutlich attraktiver. Und gegen eine schlechte ÖPNV-Anbindung hilft immer noch ein eigenes Fahrzeug in Verbindung mit erschwinglichen Spritpreisen.
Klaus Käppeler, SPD
Nein. Bei diesem Thema können die Fehler aus den vergangenen Jahrzehnten leider nicht rückgängig gemacht werden. Die Privatisierung hat dazu geführt, dass sich bei den Breitbandanschlüssen die privaten Anbieter die »Rosinen«, sprich die eng bebauten Räume mit sehr vielen Anschlüssen, herausgepickt und den ländlichen Raum sträflich vernachlässigt haben. Mit der Folge, dass die kleinen Kommunen für sehr viel Geld den Breitbandausbau selbst vorantreiben müssen.
Auch die groß angekündigten Förderprogramme von Land und Bund sind bei genauerer Betrachtung nicht so viel wert wie versprochen, weil die enorme Preissteigerung für das Verlegen von Kabeln nicht berücksichtigt wurde. Diese Kommunen werden in die Verschuldung getrieben – und dabei sind erst die Orte, nicht aber die einzelnen Häuser angeschlossen.
Die Versorgung mit schnellem Internet gehört zu den Pflichtaufgaben eines Staates wie die Versorgung mit Wasser und mit Strom. Es versteht niemand, wenn drei und mehr Internetversorger teilweise parallel ihre Kabel verlegen. Schon vor 100 Jahren wurde jedes Haus an das Stromnetz angebunden – von staatlichen Gesellschaften, nicht zulasten der Kommunen.
Rudi Fischer, FDP
Die Zukunft der Menschen, die Entwicklung des ländlichen Raumes hängt von dem Breitbandausbau ab. Denken wir an die Betriebe, an den Tourismus, und natürlich wird die Landwirtschaft künftig noch stärker eine Digitalisierung erfahren.
Homeoffice, Homeschooling und weitere Anwendungen, die im Moment nur ansatzweise erkennbar sind, wie zum Beispiel die Telemedizin, werden in unseren Lebensbereich Einzug halten.
Seit Dezember 2014 liegen der Landesregierung über 450 Anträge zur Kofinanzierung vor, die noch nicht genehmigt wurden. Das entspricht einer Fördersumme von rund 560 Millionen Euro. Die im Doppelhaushalt 2020/2021 eingestellte Summe reicht dafür nicht aus. Auf diesen Umstand haben bereits Kommunen reagiert und fordern, dass die Fördermittel entsprechend bereitgestellt werden, um Verzögerungen bei der Umsetzung des Breitbandausbaus zu vermeiden.
Wir fordern eine unbürokratischere Förderung des Breitband-Internets und den Einsatz eines 5 G-Mobilfunknetzes.
Die Digitalisierung bietet die großartige Chance, das Verhältnis von Stadt und Land bei Raumordnung und Infrastruktur neu auszubalancieren.
Petra Braun-Seitz, Linke
Durch die Coronakrise hat Arbeiten im Homeoffice enorm an Bedeutung gewonnen. Schnelle Datenverbindungen sind die Voraussetzung dafür. Ebenso für die Digitalisierung der Schulen und für Dienstleistungen wie zum Beispiel Telemedizin, die künftig angeboten werden könnten.
Gerade im ländlichen Raum wäre Telemedizin ein Baustein für qualitativ hochwertige medizinische Versorgung. Für Gewerbeansiedlung ist eine gute Breitbandanbindung eine entscheidende Voraussetzung. Arbeitsplätze werden nicht nur in den Verdichtungsräumen, sondern auch auf dem Land benötigt. Wenn zum Arbeiten keine langen Wege zurückgelegt werden müssen, wird das Verkehrsaufkommen geringer – also ein Beitrag zum Klimaschutz.
Bisher war zu beobachten, dass Ballungsräume von den Telefongesellschaften gut mit Breitband versorgt werden. Dort sind eben mehr Profite zu machen. Wir betrachten den Breitbandausbau als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die bisherigen Förderprogramme von Bund und Land sind so auszuweiten, dass alle Gemeinden in Baden-Württemberg flächendeckend schnelle Datenverbindungen bekommen. Der Eigenanteil der Kommunen sollte künftig entfallen. (GEA)