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Aktuell Landtagswahl

Kandidaten des Wahlkreises 61 über das Erreichen von Biodiversitäts-Zielen

Der GEA-Kandidatencheck zur Landtagswahl: Die Bewerber der sechs aussichtsreichsten Parteien des Wahlkreises 61 Hechingen-Münsingen beantworten jeweils fünf Fragen zu aktuellen Themen: Es geht um die Breitband-Förderung und das Wohnen auf dem Land, die Erweiterung des Biosphärengebiets Schwäbische Alb, den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Belebung der Dorfkerne. Heute im Fokus: Artenvielfalt und biologische Landwirtschaft

Mehr Raum für Artenvielfalt: Das Land hat sich mit dem »Gesetz zur Stärkung der Biodiversität« ehrgeizige Ziele gesteckt. FOTO:
Mehr Raum für Artenvielfalt: Das Land hat sich mit dem »Gesetz zur Stärkung der Biodiversität« ehrgeizige Ziele gesteckt. Foto: Marion Schrade
Mehr Raum für Artenvielfalt: Das Land hat sich mit dem »Gesetz zur Stärkung der Biodiversität« ehrgeizige Ziele gesteckt.
Foto: Marion Schrade

MÜNSINGEN/METZINGEN. Für dieses Gesetz bekam die amtierende grün-schwarze Landesregierung gute Noten von den Natur- und Umweltschutzverbänden: Das im Juli 2020 erlassene »Gesetz zur Stärkung der Biodiversität« bezeichnen sie als bundesweit vorbildlich. Es soll das Artensterben im Land durch eine Reihe von Maßnahmen stoppen. Vorgesehen ist etwa der deutliche Ausbau des ökologischen Landbaus, der bis 2030 einen Anteil von 30 bis 40 Prozent haben soll. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, werden Landesbetriebe wie das Haupt- und Landgestüt Marbach auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt. In Naturschutzgebieten dürfen Pestizide künftig nur noch in ganz wenigen Ausnahmefällen eingesetzt werden, zum Beispiel, um invasive Arten zurückzudrängen. Insgesamt hat sich das Land verpflichtet, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln bis zum Jahr 2030 um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren. Um dies zu erreichen, soll der freiwillige Verzicht auf solche Mittel ebenso gefördert werden wie neue Technik, die ihren sparsamen Einsatz ermöglicht.

15 Prozent der Offenlandfläche im Land soll in den kommenden zehn Jahren als Teil eines Biotopverbunds aufgewertet werden. Aber auch die Allgemeinheit soll ihren Beitrag für mehr Artenschutz leisten. So müssen Kommunen ihre Grünflächen künftig insektenfreundlich pflegen und Blühflächen statt Rasen anlegen. Und für Privatleute ist die Anlage von Schottergärten untersagt. Mit dem »Gesetz zur Stärkung der Biodiversität« reagierte die Landesregierung auf das Volksbegehren der Initiative Pro Biene, das noch weitergehende Forderungen formuliert hatte. In einem Diskussionsprozess mit Naturschutz und Landwirtschaft wurde das Eckpunktepapier entwickelt, das die Grundlage für das Biodiversitäts-Gesetz bildete.

Seine Ziele sind freilich nur zu erreichen, wenn die Landesregierung auch in den kommenden zwei Legislaturperioden auf Kurs bleibt und für die betroffenen Landwirte genügend Anreize bietet, sich an der Umstellung auf Bio-Anbau oder an der Reduktion von Pestiziden zu beteiligen. In den Jahren 2023 und 2027 soll beispielsweise überprüft werden, ob der Anteil des ökologischen Landbaus wie gewünscht wächst oder ob nachgesteuert werden muss: Schließlich soll kein landwirtschaftlicher Betrieb zur Umstellung gezwungen werden.

Seit 2018 hat das Land außerdem ein Sonderprogramm Biologische Vielfalt aufgelegt, das mit rund 15 Millionen Euro im Jahr Projekte unterstützt, die auf landwirtschaftlichen Flächen oder im Wald die Artenvielfalt fördern. Auch das Biosphärengebiet Schwäbische Alb soll einen wichtigen Beitrag leisten: Als Bio-Musterregion hat es die Aufgabe, mehr Bio-Produkte in Kantinen und Gastronomie zu bringen. (GEA)

Mehr Bio-Lebensmittel, weniger Pestizide: Wie wollen Sie die Biodiversitäts-Ziele des Landes erreichen?

Cindy Holmberg, Grüne

Es gilt, im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, die Leistungen der Landwirte und Landwirtinnen für Klima- und Naturschutz sowie für den Erhalt der Biodiversität fair zu honorieren und so das Prinzip »öffentliches Geld für öffentliche Leistungen« konsequent umzusetzen. Als echte Gemeinschaftsleistung von Politik, Naturschutz und Landwirtschaft wurde hier in Baden-Württemberg ein Beteiligungsprozess gestaltet, aus dem das Gesetz zur Stärkung der Biodiversität hervorgegangen ist. Es zeigt: Landwirtschaft und Naturschutz sind keine Gegenspieler – sie sind nur als Partner stark.

Wir haben den Weg zu einer Landwirtschaft eingeschlagen, die verantwortungsvoll mit der Umwelt umgeht und gesellschaftlich wieder Wertschätzung erfährt. Umweltverträglichkeit und Biodiversität in der Agrarlandschaft und die Belange der Landwirte und Landwirtinnen sind mir persönlich sehr wichtig. Der Erhalt und die Pflege von unseren Streuobstwiesen müssen stärker gefördert werden. Blühmischungen auf Randstreifen und Kreisverkehren tragen zu mehr Artenvielfalt bei. Das Land wird die Kommunen dabei weiter unterstützen. Das Verbot von Round-up, vor allem auch im privaten Bereich, halte ich für zwingend notwendig.

Manuel Hailfinger, CDU

Ich will zunächst unsere typischen landwirtschaftlichen Strukturen bewahren, denn unsere Bäuerinnen und Bauern sind ein Garant für nachhaltiges Wirtschaften und für die räumliche Nähe von Produzenten und Verarbeitern zum Konsumenten. Sie sorgen für gute und gesunde Lebensmittel sowie für den Erhalt unserer regionalen Kreisläufe.

Alle Maßnahmen für mehr Natur- und Artenschutz dürfen nicht zulasten der Landwirtschaft gehen, denn gerade diese betreibt Natur- und Artenschutz. Wie wichtig schlussendlich die Landwirtschaft für unsere Ernährungssicherung ist, hat die Corona-Pandemie ausdrücklich gezeigt. Ich setze mich dafür ein, dass die Landwirtschaft eng eingebunden wird und es zu keinen unzumutbaren Belastungen kommt.

Ich spreche mich dafür aus, dass gezielt Anreize geschaffen werden, um die gesetzten Ziele des »Biodiversitätsstärkungsgesetzes« zu erreichen. Damit die Betriebe die neuen Anforderungen sowie die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen können, müssen Fördermaßnahmen in bestehenden Programmen weiter ausgebaut und neue biodiversitätsfördernde Maßnahmen im Hinblick auf die zukünftige gemeinsame Agrarpolitik entwickelt werden.

Joachim Steyer, AfD

2019 wurde auf dem Bio-Lebensmittelmarkt ein neuer Rekord-Umsatz von fast 12 Milliarden Euro generiert. Das zeigt: Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln steigt stetig an – und das ist ein gutes Zeichen, weil es von einem bewussteren Umgang mit unserer Umwelt zeugt.

Wir sollten uns aber nichts vormachen: Für viele von uns sind Bio-Produkte nicht oder nur im Ausnahmefall erschwinglich. Wer jeden Cent zwei Mal umdrehen muss, der greift eben doch eher zum Lebensmittel aus konventioneller Erzeugung – und billigt damit den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika als unvermeidlicher Begleiterscheinung großflächiger Landwirtschaft. Per Gesetz geändert werden könnte das nur durch eine künstliche Verteuerung konventioneller Lebensmittel auf Bio-Preisniveau, was ich im Interesse weniger zahlungskräftiger Verbraucher ablehne.

Was an dieser Stelle auch gesagt werden muss: Wer Biodiversität in Feld und Flur fördern will, der kann nicht gleichzeitig Waldflächen abholzen und dort Windkraftanlagen aufstellen, die unzählige Insekten und Vögel das Leben kosten. Eine solche Energiepolitik macht unter dem Strich jede Insektenhotel- und Nistkasten-Initiative zunichte.

Klaus Käppeler, SPD

Wir wollen einen neuen Agrarkonsens, der in der Landwirtschaft stabile Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen sichert, der die Umwelt schont und den Rückgang von Artenvielfalt stoppt.

Baden-Württemberg ist geprägt von vielen kleinen und mittleren Höfen, vor allem von vielen Nebenerwerbsbetrieben. Diese Struktur wollen wir stärken.

Die Landwirte und Schäfer müssen für Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, angemessen entlohnt werden. So fördern wir umweltschonendes Wirtschaften, Landschaftspflege, tiergerechte Haltung und Vertragsnaturschutz. Durch die Förderpolitik des Landes wollen wir erreichen, dass der ökologische Landbau bis 2030 auf mindestens 40 Prozent ausgebaut wird. Wir werden mit den Landwirten gemeinsame Standards für eine nachhaltige Landwirtschaft entwickeln, die unsere Böden und Tierarten schützt.

Wir stärken ihnen den Rücken, indem wir Strukturen für die regionale Vermarktung und Direktvermarktung ausbauen. Wir werden Zusammenschlüsse und Kooperationen einer solidarischen Landwirtschaft vor Ort unterstützen.

Wir fordern mehr Blühwiesen auf Randstreifen und ein generelles Pestizidverbot auf staatlichen Flächen.

Rudi Fischer, FDP

Wir Freie Demokraten wollen Rahmenbedingungen schaffen, die allen landwirtschaftlichen Erzeugern, gleich ob konventionell oder ökologisch, mehr Planungssicherheit und langfristige Perspektiven bieten. Forschung und Innovation sind die Grundlagen für langfristigen Erfolg.

Wir lehnen eine staatliche Verordnung des Ökolandbaus mit festgelegten Prozentzielen ab. Zu hohe Auflagen bedeuten für viele Familienbetriebe das wirtschaftliche Aus und führen somit zu Veränderung bäuerlicher und ländlicher Strukturen in der Region.

Wir wollen eine effektive Agrarforschung sowie technische Innovationen strategisch entwickeln, um den Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel in der konventionellen Landwirtschaft und im Ökolandbau zu verringern. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die für die Weiterentwicklung der regionalen Landwirtschaft dringend benötigten Prüf- und Versuchsfelder mit Schwerpunkt Pflanzenschutz, Produktionstechnik und Saatgut ausgeweitet werden.

Petra Braun-Seitz, Linke

Entscheidend sind hier Agrarförderprogramme für die landwirtschaftliche Produktion und Investitionen, um den Anteil an biologischer Landwirtschaft bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent zu erhöhen. Unterstützt werden sollen die landwirtschaftlichen Betriebe besonders bei der Umstellung auf Bioerzeugnisse und bei der regionalen Vermarktung, zum Beispiel bei Investitionen für einen Hofladen.

Um die Biodiversitätsziele zu erreichen, ist es wichtig, bei den Landwirten und bei den Konsumenten Verständnis und Akzeptanz für die Bedeutung der Artenvielfalt zu schaffen. Es muss eine umfassende Beratung und Entscheidungshilfen durch die Landwirtschaftsämter und Fort- und Weiterbildungen für die Landwirte geben, ebenso wie Verbraucheraufklärung. Hier können vom Land Veranstaltungen, zum Beispiel zur Ernährungsaufklärung und zur Vorstellung von Bioprodukten, unterstützt werden.

Wir brauchen auch mehr Förderung regionaler Verarbeitungsstrukturen für Getreide-, Obst-, Milcherzeugnisse etc. Um die Entwicklung zu mehr biologischer Produktion voranzutreiben, sollte das Land mehr Agrarforschung finanzieren und die Ergebnisse auf Versuchsfeldern den Landwirten präsentieren. (GEA)