MÜNSINGEN/METZINGEN. Vierzig Kilometer vom Albvorland bis an die Donau, drei Landkreise, zwei Regierungsbezirke, 29 Städte und Gemeinden, die ganz oder in Teilen mit dabei sind: Das ist das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. 2009 wurde Baden-Württembergs erstes Biosphärenreservat von der Unesco anerkannt – es ist damit eines von weltweit aktuell bereits über 700 Modellgebieten, in denen beispielhaft ausprobiert und gezeigt werden soll, wie sich wirtschaftlicher Fortschritt und Naturschutz versöhnen lassen und wie Nachhaltigkeit in den drei Themenfeldern Ökologie, Ökonomie und soziale Entwicklung erreicht werden kann. Ob dies im Biosphärengebiet Schwäbische Alb bislang gut gelaufen ist und wo Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, wurde zehn Jahre nach der Anerkennung in einem Evaluierungsbericht erfasst, der von der Unesco geprüft wird. Die Ergebnisse sollen im Lauf des Sommers vorliegen.
Erst wenn die Rückmeldung der Unesco da ist, soll über ein Thema entschieden werden, das in vielen Gemeinden in den drei beteiligten Landkreisen bereits einige Zeit diskutiert wird: eine mögliche Erweiterung des Biosphärengebiets. Etliche Kommunen möchten beitreten oder überlegen sich das zumindest ernsthaft – der Erfolg des Modellgebiets hat offenbar auch die Skeptiker überzeugt. So haben beispielsweise Kommunalpolitiker der Albgemeinden Sonnenbühl und Engstingen bereits Interesse geäußert, künftig dabei zu sein. Laut Evaluierungsbericht liegen insgesamt Anfragen von 44 Gemeinden aus sieben Landkreisen vor. Vor allem für den Tourismus erhoffen sich die Biosphärengebiets-Aspiranten Entwicklungsmöglichkeiten: Die Zahl der Gästeankünfte ist zwischen 2009 und 2017 um mehr als 30 Prozent gestiegen.
Das Biosphärengebiet auszubauen und weiter erfolgreich zu gestalten, ist nicht zum Nulltarif möglich. Die organisatorisch am Regierungspräsidium Tübingen angegliederte und im Auinger Biosphärenzentrum angesiedelte Verwaltung des Modellgebiets müsste womöglich weiter aufgestockt werden: Obwohl mehrfach Stellen hinzu kamen, ist die Personalsituation laut Evaluierungsbericht in einigen Themenbereichen nicht ausreichend.
Programme, die die Biosphärengebietsidee mit Leben füllen, kosten ebenfalls Geld – im Förderprogramm Biosphärengebiet Schwäbische Alb stehen aktuell jährlich 200 000 Euro dafür zur Verfügung. Das Land zahlt mit 70 Prozent den Löwenanteil der Kosten, aber auch die Landkreise und die beteiligten Kommunen sind finanziell mit im Boot.
Soll das Biosphärengebiet Schwäbische Alb weiter wachsen? Und gibt es dafür dann auch mehr Geld?
Cindy Holmberg, Grüne
Ja, das Biosphärengebiet Schwäbische Alb soll weiterwachsen und dabei eine angemessene Unterstützung durch das Land erhalten. Daher bin ich für eine praxisnahe Erweiterung und Anpassung der bestehenden Förderprogramme. Genau deshalb ist es wichtig, dass das Biosphärengebiet mit einer starken grünen Stimme im Landtag vertreten ist.
Das Biosphärengebiet soll Vorbild sein für nachhaltiges Wirtschaften, nachhaltigen Tourismus, eine starke Gastronomie und Hotellerie und eine bäuerliche Landwirtschaft mit guten regionalen Produkten, im Einklang von Menschen und Natur. Unsere einzigartige Kulturlandschaft will ich schützen sowie unsere Schäferinnen und Schäfer unterstützen.
Die gute Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Nahverkehr ist ein weiterer wichtiger Baustein. Wir brauchen mehr Rangerstellen, Ideen für nachhaltige Siedlungs- und Gewerbeflächenentwicklung und eine Stärkung der Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb.
Biosphärengebiet bedeutet: erfolgreich, im Einklang von Ökologie, Ökonomie und starken sozialen Strukturen. Kurz: für ein modernes Leben im ländlichen Raum. Ich werde diesen Prozess nicht nur begleiten, ich werde ihn mitgestalten.
Manuel Hailfinger, CDU
Als Vorstandsmitglied des Vereins Biosphärengebiet Schwäbische Alb durfte ich in den vergangenen sieben Jahren die Entwicklung des Biosphärengebiets zu einer zukunftsweisenden Modellregion in Deutschland mitgestalten. Im Biosphärengebiet wird für alle sichtbar demonstriert, wie sich Mensch und Natur im Einklang entwickeln können, sodass auch nachfolgende Generationen einen attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum darin finden. Diesen erfolgreichen Weg gilt es weiter zu beschreiten und auszubauen, damit das Gebiet in der Gesellschaft noch mehr verankert werden kann.
Die Bedarfe und die Kriterien einer zukünftigen Gebietserweiterung müssen in einem transparenten Beteiligungsprozess erarbeitet werden. Maßgeblich ist, dass die Erweiterung einen Mehrwert für das Biosphärengebiet darstellt. Außerdem muss sie in den Biosphärengebietskommunen und in den Beitrittskommunen von einer breiten Basis der Bevölkerung mitgetragen werden.
Ich setze mich für eine optimale Abrundung der Gebietskulisse sowie für die Bereitstellung der hierfür notwendigen weiteren finanziellen und personellen Ressourcen durch das Land Baden-Württemberg ein.
Joachim Steyer, AfD
Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist definitiv ein Erfolgsmodell. Lokale Erzeuger, Tourismus, auf die Verarbeitung regionaler Produkte spezialisierte Gastronomie, Umweltbildung und nicht zuletzt Flora und Fauna haben davon profitiert. Wenn sich weitere Gemeinden für einen Beitritt interessieren, dann begrüße ich das ausdrücklich.
Ob es bei einer Erweiterung auch mehr Fördergelder vom Land geben wird, muss dann entschieden werden, wenn sich die Frage ganz konkret stellt. Ich für meinen Teil werde mich gerne für eine Erhöhung einsetzen, wenn es so weit ist und die damit zu fördernden Projekte gut ins Gesamtkonzept passen.
Klaus Käppeler, SPD
Dieses Biosphärengebiet ist eine Erfolgsgeschichte für das modellhafte Miteinander von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Eine gewisse Vorbereitung durch die Förderprogramme Plenum und Regionen aktiv machten es für viele Jahre zum einzigen Biosphärenreservat Baden-Württembergs. Entscheidend für die Akzeptanz war die Freiwilligkeit des Beitritts der Kommunen und die konstruktive und positive Begleitung durch den Kreisbauernverband.
Grundsätzlich befürworte ich es, dass sich weitere Gemeinden dem Biosphärengebiet anschließen wollen. Betrachtet man die Karte dieses Gebietes, macht eine Arrondierung durchaus Sinn. Eine zu große Kulisse würde einerseits die Einzigartigkeit dieser Biosphäre verwässern, andererseits auch deutlich mehr Finanzmittel des Landes erfordern, um die Fördertöpfe zu füllen und um das Biosphärenteam personell besser auszustatten.
Da es nach der Pandemie sicher Ausgabenbeschränkungen in allen Ministerien geben wird, plädiere ich für eine Erweiterung mit wenigen Gemeinden und keiner großen zusätzlichen Fläche.
Rudi Fischer, FDP
Wir werden diese Forderung gerne ergebnisoffen prüfen. Antworten zu möglichen Fördermitteln wären, aufgrund der aktuellen Haushaltslage durch die Corona-Krise, wenig seriös.
Petra Braun-Seitz, Linke
Das Biosphärengebiet ist ein Erfolgsmodell. Nachhaltiger Regionalentwicklung im Einklang von Mensch und Natur kommt auch weiterhin große Bedeutung zu. Die Vermarktung von Produkten aus dem Biosphärengebiet hat zugenommen. Für »sanften« Tourismus bietet die Schwäbische Alb ideale Voraussetzungen und wird zunehmend gefragt sein – in Zeiten von Corona überdenken viele ihre Urlaubsgewohnheiten mit Reisen ins Ausland. Die Alb ist auch sehr beliebt als Naherholungsgebiet für Tagestouristen.
Das Biosphärengebiet soll auf die Gemeinden, die sich beteiligen wollen, ausgeweitet werden. Dann werden mehr Fördermittel benötigt für den Erhalt von Streuobstwiesen, für den Erhalt der typischen Alblandschaft durch die Schafbeweidung, Erhalt und Neuanlegen von Wander- und Fahrradwegen und für Förderung von Produktion und Vertrieb von landwirtschaftlichen Produkten, um nur einiges zu nennen.
Ein aktueller Vorschlag ist die dauerhafte Vermarktung von Biosphärenprodukten in der Reutlinger Wilhelmstraße. Regionale Wertschöpfung sichert Arbeitsplätze und trägt zum Klimaschutz bei. Der Bereich Umweltbildung muss intensiviert und speziell gefördert werden. (GEA)