MÜNSINGEN. Im vergangenen Jahr haben Reinhard Brunner, Markus Wilke und Christoph Traub in Ungarn ihre Zeichnungen, Malereien und Skulpturen gemeinsam ausgestellt. Dabei zeigte sich, dass trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Arbeiten und ihrer künstlerischen Positionen auch Gemeinsamkeiten - insbesondere bei der Herangehensweise - bestehen. Und auch wenn die Künstler nichts dem Zufall überlassen, so spielt dieser dennoch im Entstehungsprozess aller ihrer Werke eine wichtige Rolle. »Wir nutzen den Zufall aus und lenken ihn«, erklärt Markus Wilke. Ganz bewusst wurde deshalb das Motto »unabdingbar« für die Ausstellung im BT24 gewählt. Denn unabdingbar ist es für die Kunstschaffenden, dass dem Zufall Raum gegeben wird, um den Arbeitsprozess ganz individuell zu steuern und ihn Gestalt in Farbe und Formen annehmen zu lassen.
Der Reutlinger Markus Wilke nutzt seit mehr als zehn Jahren die Hinterlassenschaften der Gesellschaft als Motiv. »Vom Schrott bis zum Verpackungsmüll transformiere ich Weggeworfenes, scheinbar Wertloses in einen kunstwürdigen Zustand«, erklärt er. Mit seinen großformatigen All Over Abstraktionen in Acryl ist er bekannt geworden. Es sind Kompositionen, die aus etwas Unwürdigem etwas Würdiges entstehen lassen: »Es geht also im tieferen Sinn um Werte und die Frage, wer sich anmaßt, etwas als wertvoll oder wertlos zu bezeichnen«.
Bilder von verlorenen Werten
Wilke malt gepresste, zerquetschte und verschrammte Konsumgüter nach, lenkt seinen künstlerischen Blick auf entsorgte Industrieware und Verpackungsmaterialien und erzählt mit seinen Bildern von verloren gegangenen Werten. Seine Kunst befasst sich mit dem Profanen, das die Gesellschaft umgibt. Sie zeigt die gesellschaftliche Relevanz auf, die im alltäglichen Verhalten der Menschen zu finden ist. »Ich konzentriere mich auf die Draufsicht, um in die Abstraktion zu kommen«.
Der Tübinger Reinhard Brunner geht als Maler und Zeichner mit flüssiger Farbe dem gelenkten Zufall nach und bedient sich dabei einer besonderen Verfluss- und Auftragstechnik mit flüssiger Acrylfarbe auf Leinwand. Seine Bilder entstehen in der Bewegung, Schwung für Schwung und Arbeitsschritt für Arbeitsschritt. Zumeist in Serie. Dafür legt er mehrere Leinwände nebeneinander, achtet bei jedem Spritzer und Sprenkler, bei jeder Farbdeko, Schliere und rechtwinkligen Kante darauf, dass er jedes Bild mit derselben Aufmerksamkeit und Kunstfertigkeit behandelt.
Brunner bringt Malwerkzeuge wie Spritzen, Eimer, Rührbesen, Gebläse, Zerstäuber und Spray zum Einsatz. Sie helfen ihm dabei, die flüssige Farbe durch eine zufällige Lenkung Schicht für Schicht aufzutragen und verlaufen zu lassen. »Malen und Zeichnen sind meine Grundlagen, der Zufall modelliert Strategien«. Auch seine Durchschlagzeichnungen sind ein Beleg für das Arbeitsprinzip »manipulative Kultivierung des Zufalls«. Mit schwarzen Markern bearbeitet er die Rückseite eines Papiers. Die Bildansichtsseite ist der entsprechende Durchschlag auf der Vorderseite. Gestaltungsparameter sind Papierdurchlässigkeit, Stiftfüllung, Druck und Geschwindigkeit, Rhythmus und Form der Linie. In diagonalen Sichtachsen kann der Besucher im BT24 den Blick von einem großflächigen Bild von Wilke auf die Werke von Brunner im nächsten Raum schweifen lassen. Dazwischen finden sich die Skulpturen von Christoph Traub in der Mitte der Räume.
Oberflächenhaptik erinnert an feine Hautschichten
Der Schorndorfer ist gelernter Steinmetz, hat zwei Semester Malerei an der Kunstakademie in Karlsruhe studiert. Doch sehr schnell hat er seinen Weg wieder zurück zur Bildhauerei gefunden. Traub sieht im Rohmaterial des von ihm verwendeten schwarzen und roten Granits eine organische Form, die häufig das Grundmotiv seiner künstlerischen Konzepte darstellt. Aus dem rauen Material arbeitet er Formen heraus, die an eine organische Struktur oder den Teil eines Körperteils erinnert. Ein Fragment, das auf ein Ganzes schließen lässt. »Ich beschränke mich aufs Wesentliche, orientiere mich zunächst an den körperlichen Fragmenten, vergesse dann aber die Figur und denke abstrakt, bevor ich wieder auf das Körperliche zurückkomme«, beschreibt er seine Arbeitsweise.
Die feine Oberflächenhaptik erhält er durch Schleifen des Steins, glatt poliert erinnert dieser dann an feine Hautschichten. »Das meiste mache ich mit Maschinen, manchmal gehe ich noch zum Schluss mit einem Schwämmchen drüber«. Handwerklich, so erzählt Traub, sei seine Kunst, die auch gröbere Arbeiten aus Kalkstein beinhalten, keine große Herausforderung für ihn als gelernten Steinmetz. Sehr wohl aber die Form an sich. Alle drei Künstler kommen auf verschiedenen Wegen zu Ergebnissen, die für diese gemeinsame Ausstellung wie geschaffen sind. Für Wilke nicht nur ein ästhetisches Statement: »Wir wollen zusammen Anreize bieten, die Dinge anders und neu zu sehen, die bisherige Betrachtungsweise zu überdenken«. (GEA)
Ausstellungseröffnung
Vernissage von »unabdingbar« ist am Sonntag, 7. April um 14.30 Uhr. Helmut Anton Zirkelbach führt in die Ausstellung ein, die bis zum 28. April von Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr im BT24 zu sehen ist.

