GOMADINGEN. Es ist ein Scheiß-Job. Im wahrsten Sinn des Wortes. Die Rede ist von Industrietauchern im Allgemeinen, von Kläranlagentauchern im Speziellen. Sie reinigen verstopfte Gitter und die sogenannten Faultürme der Klärbecken, erledigen zudem Reparatur- und Handwerksarbeiten in der braunen Brühe. In Deutschland gibt es rund ein Dutzend Firmen, die sich auf diese Arbeiten mit hohem Ekelfaktor spezialisiert haben. Eine davon ist die Eurodiver 24 GmbH aus der Nähe von Wacken (Schleswig-Holstein), die mit ihren Tauchern immer wieder auch in Baden-Württemberg im Einsatz ist.
So zum Beispiel in Wasserstetten. In der Kläranlage der Gemeinde Gomadingen ist im Belüftungsbecken die vorhandene Leitung zur Versorgung der Belüfter an der umlaufenden Räumerbrücke korrodiert. Sie wird durch eine zeitgemäße und energiesparende Anlage ersetzt. Dazu sind zahlreiche Arbeiten in und um das knapp 2.000 Kubikmeter Abwasser fassende Becken notwendig. Um es nicht ablassen zu müssen, werden die Kläranlagentaucher gerufen. Das sei günstiger, nicht so aufwändig und die Bakterienkulturen im Abwasser bleiben erhalten, erläutert Klärwärter Jürgen Reiner.
Doppelschichtiger Spezialanzug
Drei Mann rücken in einem Wohnmobil und einem Begleitfahrzeug an. Sie bleiben ein paar Tage auf dem Gelände der Kläranlage, wo sie abwechselnd mehrmals in ihre doppelschichtigen Spezialgummianzüge schlüpfen.
An diesem Tag ist Finn Radau an der Reihe. Den schwarzen Trockentauchanzug und die blauen Handschuhe hat der 24-Jährige bereits angezogen. Sein Kollege Tommas Schlichting hilft ihm dabei, die Halskrause überzustülpen und den Tauchhelm aufzusetzen, der mit dem Tauchschlauch verbunden ist. Dann reicht er ihm noch den 20 Kilogramm schweren Bleigurt.
»Alles okay?«, fragt Schlichting. Radau streckt den Daumen nach oben. Rückwärts steigt er über die Leiter langsam ins Abwasser, das eine Temperatur von 8,1 Grad Celsius hat. Wahrlich kein Badewetter bei einer Außentemperatur von knapp 10 Grad Celsius. Die Sichtweite in der braunen Brühe beträgt ein paar Millimeter. »Man kann da unten sprichwörtlich die Hand nicht vor den Augen sehen«, weiß Schlichting, der am Tag zuvor dort gearbeitet hat. Und das funktioniert? »Wenn man nachts mit seiner Frau unter der Decke liegt, findet man durch Tasten doch auch alles, was man finden möchte«, antwortet der Industrietaucher knitz und lacht dabei.
Luftversorgung aus dem Schlauch
In vier Metern Tiefe verlässt man sich ebenfalls auf seinen Tastsinn. Es rauscht und röchelt aus dem Tauchertelefon. Radau ist in dem fäkalbelasteten Wasser jederzeit mit seinem Kollegen in Kontakt. Im Hintergrund läuft im Begleitfahrzeug ein Kompressor, der über den langen Schlauch den nötigen Sauerstoff liefert. Kollege Hartmut Danzenhagen lässt eine Bohrmaschine ins Wasser hinunter. Ein paar Luftblasen steigen auf. »Ich habe sie«, ist über Funk zu hören. Kurz danach ist ein brummendes Geräusch zu hören. Ist das nicht gefährlich? »Man muss auf seine Finger aufpassen«, antwortet Danzenhagen.
Nach ein paar Minuten schwimmt Radau weiter und bohrt wieder Löcher, in denen er später Verstrebungen befestigen wird. Zwischendurch taucht er auf und bringt einen alten Schraubenschlüssel an die Wasseroberfläche, der wohl einem Klärwärter versehentlich ins Becken gefallen war. Schlichting steht die ganze Zeit über am Beckenrand und hat den 48 Meter langen Luftversorgungsschlauch im Auge. Er berichtet, dass er und seine Kollegen nicht nur unter Wasser bohren. Den Umgang mit Schweißbrenner, Flex, Säge, Zange, Schraubendreher und Winkelschneider beherrschen sie ebenfalls aus dem Effeff.
Nach eineinhalb Stunden ist die Arbeit an diesem Nachmittag beendet. Der Taucher steigt aus dem Becken und befreit sich von seiner Last. Der Geruch des Wassers ist nach der Vorklärung gar nicht mehr so schlimm, bemerkt der Klärwärter, der die Szenerie beobachtet.
Schlichting begleitet Radau hinter das Gebäude, holt den Wasserschlauch und spritzt den Neoprenanzug samt Mann von oben bis unten sowie vorne und hinten mehrere Minuten lang ab. Danach verschwindet der Taucher unter die Dusche. Auf dem Weg dorthin versichert er, dass er mit keinem einzigen Tropfen der Brühe in Kontakt gekommen ist.
Gut bezahlter Job
Auch für diesen Beruf gibt es Nachwuchsprobleme, räumen die Männer ein. Am Verdienst kann es nicht liegen. Der Zahltag sei in Ordnung, sagt Schlichting, ohne einen Betrag zu nennen. Googelt man den Verdienst, sollen Klärschlammtaucher bis zu 600 Euro am Tag verdienen. Es sei ihnen gegönnt.
Auch wenn der Ekelfaktor dieser Arbeit den Auftritt der C-Promis im Dschungelcamp für Außenstehende mühelos übertrifft, sprechen die Männer von einem »Traumjob«, den sie haben. »Es gibt nichts Schöneres«, sagen sie übereinstimmend wie aus der Pistole geschossen.
Tauchen sie im Urlaub auch mal in klarem Wasser, wo ihnen keine Tampons, Haare, Klopapier oder andere ekelerregenden Gegenstände, sondern bunte Fische entgegenschwimmen und Korallen zu sehen sind? Beide schütteln den Kopf. Wenn man so oft im Wasser zu tun hat, suche man sich in der Freizeit andere Ziele. (GEA)