MÜNSINGEN. Das Schaf ist ihr Logo und Markenzeichen und weist Besuchern den Weg: Christine Bischoff und Martina Fischer gehörten zu den ersten, die vor rund fünf Jahren anfingen, die ehemaligen Soldatenunterkünfte im Alten Lager in Münsingen-Auingen mit Leben zu füllen. Franz Tress hatte die Ende des 19. Jahrhunderts erbaute und heute denkmalgeschützte Kaserne gekauft, um sie für Besucher zu öffnen. Sein Konzept: besondere Eventlocations und Manufakturen, die zur Alb passen.
Typisch Alb, das ist eben auch das Schaf. Um seine Wolle und deren Verarbeitung dreht sich das, was der zwei-Frauen-Betrieb in den vergangenen Jahren auf die Beine gestellt hat. »Die Ursprungsidee war es, hier von der Rohwolle bis zum fertigen Garn alle Arbeitsschritte zu erledigen«, erklärt Christine Bischoff. Die dafür nötigen Maschinen stehen in einem Teil der Baracke, »sie sind angeschlossen und betriebsfertig«. Aus der gläsernen Produktion ist - zumindest bisher - trotzdem nichts geworden. »Die Sicherheitsauflagen sind wegen der alten Motoren sehr hoch«, erklärt sie, und auch der personelle Aufwand würde die Kapazitäten des kleinen Betriebs übersteigen.
Deshalb haben sich die beiden Frauen dafür entschieden, sich auf handgemachte Produkte zu konzentrieren. Die Rohwolle kommt von Schäfern aus der Region, zum Waschen muss sie ins Ötztal, weil es in der Nähe keinen Betrieb mehr gibt, der diesen Arbeitsschritt übernimmt. Kardiert wird sie in Bellenberg bei Neu-Ulm. Kardieren heißt, dass die Wolle über Walzen mit kleinen Zähnen gezogen und ausgekämmt wird. Wie das geht, können die beiden Frauen Besuchern in ihrer Manufaktur im Kleinen zeigen - an einer entsprechenden Maschine mit Handkurbel.
Kursangebote
Im Wollwerk werden regelmäßig Workshops und Kurse rund um die Verarbeitung von Wolle und anderen Naturmaterialien angeboten. Immer am ersten Freitag eines Monats gibt es eine offene Filzwerkstatt von 13 bis 17 Uhr. Anfänger und leicht Fortgeschrittene können unter Anleitung kleinere Projekte filzen. An einem Nachmittag kann so beispielsweise ein Windlicht, ein Sitzkissen oder eine Schale entstehen. Spezielle Wünsche sollten bei der Anmeldung abgesprochen werden. Eines der ältesten Spinngeräte ist die Handspindel. Den Umgang damit erlernen können Interessierte am Freitag, 12. April, und am 20. September. Spinnen mit dem Spinnrad steht dann am Samstag, 13. April, sowie am 21. September auf dem Programm. Zum »World Wide Spin in Public Day« am 21. September laden Christine Bischoff und Martina Fischer von 13 bis 17 Uhr zum öffentlichen Spinntreffen im Wollwerk ein. Es werden Kaffee und Kuchen angeboten. Eine ebenfalls historische Technik steckt hinter den Posamentenknöpfen: Am Wochenende 13./14. Juni zeigt Knopfmacherin Helene Weinold, wie man Holzrohlinge so kunstvoll mit Garnen umwickelt, dass richtige Schmuckstücke daraus werden. »Stroh zu Gold spinnen« lautet das Motto am 7./8. September: Brennnesselfasern werden zu Garn verarbeitet. Der Kurs ist bereits ausgebucht, es gibt eine Warteliste. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.wollwerk.shop
Im Wollwerk verwenden Christine Bischoff und Martina Fischer die Wolle in erster Linie als Füllmaterial für Bettdecken und zur Herstellung von Filzstoffen. Auch färben können sie ihr Material selbst. Zum Einsatz kommen dabei auch Pflanzen, die seit vielen Jahrhunderten traditionell verwendet werden. Aus eigener Produktion sind auch die Trocknerbälle und Heilwolle, die man im Wollwerk kaufen kann. »Heilwolle hat einen hohen Lanolingehalt und soll deshalb hautpflegend und entzündungshemmend wirken. Sie wird als Auflage oder Wickel verwendet«, erklärt Christine Bischoff. Die Wollkugeln wiederum werden vor allem zu Daunenjacken und -betten in den Trockner gelegt: Sie sorgen dafür, dass die Daunen aufgelockert werden und nicht zusammenkleben. Außerdem stricken die beiden Frauen Accessoires wie Stulpen und Mützen - garantiert alles Unikate.
Utensilien und Kursangebote rund ums Handarbeiten
Dass es im Wollwerk darüber hinaus viele anderen Utensilien rund ums Handarbeiten gibt, hat sich inzwischen herumgesprochen: Die Manufaktur erfüllt auch die Funktion eines Fachgeschäfts und ist deshalb zum beliebten Anlaufpunkt für alle geworden, die auf der Suche nach Materialien und Tipps sind. Christine Bischoff und Martina Fischer arbeiten mit regionalen Garnherstellern und anderen Unternehmen zusammen, zum Beispiel mit Wolly aus Neuhausen. Von dort kommen die Felle und Westen, die ebenfalls zum Sortiment gehören.
Nicht nur besonders aussehen, sondern sich auch besonders anfühlen tun sich die beigefarbenen Kleidungsstücke, die an einem eigenen Ständer hängen. Sie sind weder aus Wolle noch Baumwolle, sondern einem anderen, fast vergessenen Naturmaterial gemacht: der Brennnessel. »Das ist eine sehr interessante Faser, die dem Hanf nicht unähnlich ist, heute aber kaum mehr verwendet wird. Früher war sie als Arme-Leute-Leinen bekannt«, erklärt Christine Bischoff. Auch die Verarbeitung ist der des Leins nicht unähnlich: »Verwendet werden die Stile, nicht die Blätter. Sie werden gebrochen, um an die Faser in ihrem Inneren zu kommen.«
Wie das geht, kann man in speziellen Workshops lernen »Sie sind sehr gefragt und schnell ausgebucht«, sagt Christine Bischoff. Ein weiterer Schwerpunkt im Kursprogramm (siehe Info-Box) liegt auf dem Spinnen: »Darüber haben wir uns auch kennengelernt«, blickt sie auf die Anfänge des Zwei-Frauen-Unternehmens zurück. Das Interesse daran, alte Handarbeitsweisen nicht nur selbst zu beherrschen, sondern auch andere dafür zu begeistern und die Techniken weiterzugeben, verbindet Christine Bischoff und Martina Fischer. Auch Gerätschaften, die man dafür braucht, aber sonst kaum mehr bekommt, gibt's im Wollwerk: Horst Hummel aus Mehrstetten drechselt für die Manufaktur Handspindeln. (GEA)