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Aktuell Prozess

Hohe Geldstrafen für bewaffnetes Reichsbürger-Paar aus Mehrstetten

Ein Ehepaar aus Mehrstetten muss sich wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht verantworten.

Justizbeamte der Sicherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften waren im Gericht und kontrollierten alle Prozess-beteil
Justizbeamte der Sicherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften waren im Gericht und kontrollierten alle Prozess-Beteiligten und Besucher. Foto: Joachim Lenk
Justizbeamte der Sicherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften waren im Gericht und kontrollierten alle Prozess-Beteiligten und Besucher.
Foto: Joachim Lenk

MÜNSINGEN/MEHRSTETTEN. »Gepanzertes Polizeifahrzeug in Mehrstetten: Verstöße gegen das Waffengesetz?« titelte GEA-Online Anfang August 2023 exklusiv. Damals gab sich die Polizei noch bedeckt, da es sich seinerzeit um »ein laufendes Ermittlungsverfahren« handelte. Was im Sommer vor rund neun Monaten in der kleinsten selbstständigen Gemeinde im Landkreis Reutlingen passierte, kam jetzt vor dem Amtsgericht Münsingen ans Tageslicht. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Waffengesetz, Paragraf 52. Angeklagt war ein Ehepaar, bei dem es sich um »Reichsbürger« handeln könnte.

Aussage verweigert

Dementsprechend groß waren die Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht. Vier muskelbepackte Justizbeamte der Sicherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften (SGS) sowie zwei Polizeibeamte des Münsinger Reviers nahmen alle Prozessteilnehmer – Zeugen, Zuschauer und Medienvertreter – genau unter die Lupe und ließen sich die Ausweise zeigen.

Die Angeklagten selbst kamen eine Viertelstunde zu spät. »Wir werden uns nicht einlassen, es handelt sich um ein Privat- und um kein Staatsgericht«, stellte das Ehepaar, beide in den 60ern, gleich zu Beginn klar. Aus Protest verfolgten sie die Hauptverhandlung im Stehen und machten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

IM GERICHTSSAAL

Richter: Marian Jander Staatsanwältin: Franziska Hipp Verteidiger: keiner

Die Sportschützen hatten beide eine Waffenbesitzkarte, die sie für den Umgang mit Waffen und Munition benötigten. Sie ist zudem für den Erwerb oder Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen vorgeschrieben. Auf dieser hatte das Landratsamt Reutlingen auch die Waffen registriert. Alle, die eine Waffenbesitzkarte haben, werden regelmäßig auf ihre Zuverlässigkeit überprüft, sagte der Amtsleiter Recht, Ordnung und Verkehr vor Gericht aus.

Im vorliegenden Fall hätten der Verfassungsschutz und die Polizei dem Ehepaar ein »reichsbürgerähnliches Verhalten« attestiert. Dies sei der Grund gewesen, weshalb die Waffenbesitzkarten sowie die Waffen und Munition eingezogen werden sollten. Alternativ hätten die beiden Mehrstetter die Gewehre und Revolver auch »unbrauchbar« machen können.

Erhöhtes Gefahrenpotenzial

Da sie sich der Verfügung des Landratsamts widersetzten, forderte die Behörde ein paar Wochen später Amtshilfe der Polizei bei der Sicherstellung der Waffen und der Munition an. Weil man im Vorfeld ein erhöhtes Gefahrenpotenzial nicht habe ausschließen können, wurde ein Spezialeinsatzkommando (SEK) mit gepanzertem Spezialfahrzeug hinzugezogen. Beim Eintreffen war das Ehepaar nicht im Haus, nur der Sohn, der den Beamten öffnete. Die erhielten den Code für den Waffenschrank von den beiden Sportschützen anstandslos übers Telefon, sagte ein Polizist aus.

Im Schrank und in einem weiteren Safe fanden die Beamten insgesamt acht Waffen, unter anderem halb automatische Selbstladebüchsen, Repetierbüchsen und Revolver. Sieben waren auf der Waffenbesitzkarte des Mannes, eine auf die der Frau eingetragen. Zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes hatte das Ehepaar aber bereits keine Erlaubnis mehr, die Waffen im Haus zu haben.

Außerhalb der verschließbaren Behälter hätten die Beamten im gesamten Haus mehrere Tausend Schuss Munition, Schwarzpulver und Chemikalien gefunden, warf die Staatsanwältin den beiden Mehrstettern vor. Die verzogen beim Verlesen der Anklageschrift keine Miene und blieben stumm. Da die beiden Älbler bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sind, forderte die Staatsanwaltschaft eine siebenmonatige Bewährungsstrafe für den Mann sowie 120 Tagessätze zu je 50 Euro für die Frau.

Richter Marian Jander schraubte die Strafe etwas herunter, auch wenn die beiden Mehrstetter »die Ehre des Gerichts mit Füßen treten«. Wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde der Ehemann zu einer Geldstrafe in Höhe von 7.800 Euro verurteilt, die Frau muss 3.000 Euro an die Staatskasse überweisen. (GEA)