GOMADINGEN. Wenns beim Lieblingsort um Schönheit geht, hat Bürgermeister Klemens Betz eine ziemlich große Auswahl, um die ihn der eine oder andere Kollege ziemlich sicher beneidet: Die Lautertal-Gemeinde Gomadingen ist mit Bilderbuchplätzen und Attraktionen reich gesegnet - nicht umsonst kommen viele Touristen und Erholungssuchende aus der Region hierher. Die Fohlenweide des Haupt- und Landgestüts Marbach, die Lauterquelle hinterm Kloster in Offenhausen, die Wacholderheide oben am Sternberg: alles wunderschöne Orte, die nicht nur Besuchern gefallen, sondern auch dem Bürgermeister. Kraft tanken, Erholung finden tut er aber lieber an einem Plätzchen, an das sich nicht ganz so viele Ausflügler verirren: Sein Lieblingsplatz ist eine Bank auf der Sonnenhalde, »nur fünf Minuten von meiner Haustür entfernt«.
Sonnenhalde: Das sagen eigentlich nur die Einheimischen, offiziell heißt der Buckel zwischen Steingebronn und Gomadingen »Schömberg«. Bekannt ist er auch als »Bleichenbuckel«, und das hat historische Gründe: »Frisch gewebtes Tuch aus Leinen hatte eine cremige Farbe. Um sie weißer zu bekommen, hat man den Stoff hier auf dem Boden ausgebreitet, um ihn von der Sonne bleichen zu lassen«, erklärt Betz, der viel über die Geschichte seiner Gemeinde weiß und auch Bezüge zur Gegenwart knüpft. Wenn man den Blick von der Lieblingsbank aus schweifen lässt, fallen so einige Punkte ins Auge, die der näheren Betrachtung wert sind.
Der meistbefahrene Radweg im Landkreis führt durchs Lautertal
Auf dem Radweg ist an diesem Tag nicht viel los. An schönen Sommerwochenenden ist das anders: Der Tourismus hier boomt, »der Lautertalradweg ist der meistbefahrene im Landkreis«, sagt Betz. Die durchgängige Verbindung abseits der Hauptverkehrsstraßen von der Quelle der Lauter in Gomadingen-Offenhausen bis zu ihrer Mündung in die Donau bei Lauterach gibt es noch gar nicht so lange: »Erst seit 2010 sind alle Lücken geschlossen«, sagt Betz, auch von Marbach nach Gomadingen mussten Radler lange Zeit noch auf der Hauptstraße fahren, ebenso von Offenhausen nach Gomadingen.
Parallel zum Radweg verläuft das Bahngleis - dass es noch da ist, ist kein Glücksfall, sondern Betz und zwei weiteren Alb-Bürgermeistern zu verdanken. Der inzwischen verstorbene Engstinger Schultes Klaus-Peter Kleiner und Amtskollege Mike Münzing aus Münsingen ergriffen Ende der 1990er-Jahre die Initiative, um die Schienen auf der Strecke zwischen dem Oberheutal bei Münsingen und der Haid bei Engstingen zu retten. »Damals hieß es: Die werden rausgerissen, eventuell kommt dann der Radweg drauf.« Das Trio reiste nach Stuttgart, um im Verkehrsministerium vorzusprechen, um das zu verhindern. Dort hatte damals der Reutlinger Hermann Schaufler als Minister das Sagen - und er erhörte die Alb-Bürgermeister. Die Gleise sind geblieben, mit dem »Ulmer Spatz« begann die Wiederbelebung der Strecke im Ausflugsverkehr, »inzwischen haben wir hier acht Zugpaare täglich«, schildert Betz die Entwicklung vom Wochenend-Ausflugszug bis zum Regelverkehr der Schwäbischen Alb-Bahn.
Sorgen um den Wald
Ebenfalls im Blickfeld: Der Sternberg mit seinem Wahrzeichen, dem Albvereins-Turm. Um diesen herum dreht Betz jeden Sonntag seine Walking-Runde. Dabei sieht er nicht nur Schönes, sondern auch Besorgniserregendes: Auch auf der Alb ging's den Wäldern schon besser. Insbesondere die Fichte leidet unter den fehlenden Niederschlägen, das ist nicht nur in Gomadingen so. »Inzwischen leuchtet der Sternberg im Herbst viel mehr als vor zehn Jahren noch«, sagt Betz. Warum? »Die Fichten wurden sukzessive entnommen, durch Naturverjüngung ist wieder der Wald entstanden, der hier eigentlich hingehört: der albtypische Buchenwald.« Im Forstbereich denkt und plant man in Zehn-Jahres-Schritten, Betz hat gleich drei davon miterlebt und mitgestaltet. »Nicht viele Bürgermeister haben die Gelegenheit, den Wandel so lange zu begleiten«, ist er sich seiner besonderen Situation bewusst.
Betz ist der dienstälteste Bürgermeister im Kreis, seit 30 Jahren sitzt er auf dem Chefsessel im Rathaus. Ein bisschen an das denken, was man im Ruhestand so tun wird, darf man da schon mal - vor allem, wenn die Augen beim Blick von der Sonnenhalde am Sportplatz hängen bleiben. »Ich bin Sportler«, sagt Betz, früher hat er Fußball und Tennis gespielt, heute fährt er Rad und wandert. Seiner Fußball-Leidenschaft frönt er von der Tribüne der Allianz-Arena aus: Wenn seine Bayern spielen, fehlt der in Steinhilben geborene Ur-Württemberger und Dauerkartenbesitzer nur dann, wenn ganz dringende Termine ihn davon abhalten.
Das Neubaugebiet ist voll, Leerstände im Ortskern gibt's in Gomadingen keine
Nur einen Katzensprung vom Sportplatz entfernt liegt das ehemalige Feriendorf. »Es hat uns über Jahre große Sorgen bereitet«, sagt Betz. Als die Eigentümerin, die evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, vor zehn Jahren ankündigte, die Liegenschaft aufzugeben, »waren wir richtig vor den Kopf gestoßen«. Zumal die Kirchengemeinde nicht nur die Ferienhäuschen selbst, sondern auch ihre Anteile am Hallenbad abgeben wollte. Die Zusammenarbeit mit einem möglichen Investor scheiterte, plötzlich stand die Gemeinde Gomadingen vor der Mammutaufgabe, das Hallenbad alleine zu betreiben - und entschied sich für die Flucht nach vorne: Sie investierte 2018 in die Generalsanierung von Bad samt Sauna und betreibt seither die Einrichtung in Eigenregie.
Das Feriendorf selbst hat ebenfalls eine positive Entwicklung genommen, es gehört dem Verein »Am Sternberg leben«, der Wohnen, Arbeiten und Urlaub machen in einem Mehrgenerationenprojekt miteinander verbinden will. »58 Menschen sind derzeit mit Hauptwohnsitz hier gemeldet«, sagt Betz, dem daran gelegen ist, dass die Gemeinde ihre Einwohnerzahl hält. Dazu trägt auch das Neubaugebiet Stettemer Berg mit 98 Bauplätzen bei. Verkauft sind sie inzwischen alle, und zwar zu gut zwei Dritteln an Einheimische, peilt Betz über den Daumen. 95 Prozent der Grundstücke seien auch schon bebaut.
Die Kinderbetreuung ist eine echte Herausforderung
Wohnen kann man auch im Ortskern, anders als viele Kollegen auf der Alb hat Betz keine Sorgen mit ungenutzten Leerständen - es gibt keine, alte Häuser wurden saniert und genutzt, Gomadingen habe schon vor 30 Jahren das Programm Entwicklung Ländlicher Raum (ELR) genutzt. Vom Schandfleck zum Schmuckstück geworden ist die Mühle, die die Gemeinde gekauft und saniert hat, nebenan in die ehemalige Mühlenscheuer ist die örtliche Bäckerei samt Café eingezogen.
Trotzdem ist die Gemeinde Gomadingen natürlich keine Insel der Glückseligen, sie hat Sorgen, wie alle anderen auch: Neben der Daueraufgabe, Wohnraum für Flüchtlinge bereitzustellen, beschäftigt Betz vor allem das Thema Kinderbetreuung. »Seit einem Jahr sind die Räume für eine neue Krippengruppe in Dapfen bezugsfertig«, berichtet der Bürgermeister. Eröffnet ist sie bis heute nicht: »Wir finden kein Personal, die Erzieherinnen, die wir dafür brauchen, gibt es nicht. Da sind wir allerdings in bester Gesellschaft, das geht anderen Gemeinden genau so.«
Kommunen fühlen sich von der großen Politik allein gelassen und überfordert
Wenn 2026 der bereits beschlossene rechtliche Anspruch auf Ganztagesbetreuung an der Grundschule in Kraft tritt, wird sich das Problem noch verschärfen, meint Betz: »Wir können als Kommunen die Hardware, die Räume, zur Verfügung stellen. Aber Personal? Da sehe ich schwarz.« Von der »großen« Politik fühlt er sich oft eingelassen: »Dort wird entschieden, umsetzen müssen wir's - und sind damit oft überfordert.« (GEA)
Lieblingsplätze
In der Serie »Lieblingsplätze« führen Kommunalpolitikerinnen und -politiker den GEA an ihre ganz persönlichen Wohlfühl-Orte, verraten, warum sie sich dort gerne aufhalten und was sie mit ihnen verbinden. Alle übrigen Gesprächsinhalte sind offen und entwickeln sich erst im Laufe des Zusammentreffen. (GEA)