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Gesundheitszentrum Hohenstein: Patientenlotsin geht

Die Förderung für Elisabeth Reyhings besondere Stelle im Gesundheitszentrum Hohenstein Port läuft aus

Den ersten Kontakt zu Patienten knüpfte Elisabeth Reyhing oft am Telefon. Viereinhalb Jahre war sie Gesundheitslotsin. Jetzt end
Den ersten Kontakt zu Patienten knüpfte Elisabeth Reyhing oft am Telefon. Viereinhalb Jahre war sie Gesundheitslotsin. Jetzt endet die Förderung für ihre Stelle. ARCHIV-FOTO: BLOCHING Foto: Maria Bloching
Den ersten Kontakt zu Patienten knüpfte Elisabeth Reyhing oft am Telefon. Viereinhalb Jahre war sie Gesundheitslotsin. Jetzt endet die Förderung für ihre Stelle. ARCHIV-FOTO: BLOCHING
Foto: Maria Bloching

HOHENSTEIN. »Jetzt fehlt die Seele«, hat ein Kollege zum Abschied gesagt. Ein Satz, der Elisabeth Reyhing selbst in der Seele wehtut. Am 30. November war ihr letzter Arbeitstag als Gesundheitslotsin im Port-Gesundheitszentrum in Hohenstein. Die 63-Jährige geht nicht gerne, auch wenn sie immer damit rechnen musste, dass es so kommt. Gehofft hatte sie etwas anderes bis zuletzt, als schließlich klar war: Ihre Stelle, die von keiner Krankenkasse und keinem öffentlichen Kostenträger finanziert wird, wird nach viereinhalb Jahren nicht weiter gefördert.

Der Grund: Die Robert-Bosch-Stiftung, die bundesweit hinter den insgesamt zwölf Port-Gesundheitszentren steht, verlagert ihr finanzielles Engagement auf ein anderes Profil: Mit den Fördermitteln werden jetzt zwei Community Health Nurses, zu deutsch: kommunale Gesundheitsfachkräfte, bezahlt – ebenfalls befristet.

 Sicherer Job bis September 2024

Bis September 2024 haben Barbara Boßler und Sabine Schwaigerer, die sich insbesondere um die Belange von Senioren (Boßler), Kindern und Jugendlichen (Schwaigerer) kümmern sollen, ihre Jobs sicher. Dann sieht man weiter. Anschlussfinanzierung denkbar, aber nicht garantiert. Das hieß es auch bei Elisabeth Reyhing. Bis zuletzt habe man sich bemüht, eine Geldquelle aufzutun, um den Job der Patientenlotsin zu sichern, betont Bürgermeister Simon Baier auf GEA-Nachfrage. Die erst jetzt im Amtsblatt veröffentlichte traurige Nachricht kam für viele, die die Hoffnung auf eine positive Wendung der Geschichte nicht aufgegeben hatten, trotzdem überraschend.

»Das Angebot wurde gut angenommen, das Feedback war durchweg positiv«

Auch Baier bedauert das Aus, das vor dem Hintergrund besonders bitter ist: Sowohl die Stelle und ihre Funktion als auch der Mensch, der sie ausfüllte, fanden Akzeptanz und Anerkennung bei denjenigen, die Hilfe im Gesundheitszentrum suchten. »Das Angebot wurde gut angenommen, das Feedback aus der Bürgerschaft war durchweg positiv«, berichtet Simon Baier. Und jetzt das große Aber: Eine Garantie, dass es die Stelle auf ewig gibt, gab es eben nie.

Das liegt am Grund-Konzept der Port-Gesundheitszentren, die eine Art Spielfeld sind, auf dem Zukunftsideen für die medizinische Versorgung von Morgen durchgespielt werden. Dazu gehört es auch, Berufsbilder, die noch nicht im Alltag des Gesundheitsbereichs verankert sind, auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Dass dann – wie im Falle der Lotsin – eben auch Projekte, die gut funktionieren, auslaufen, klingt zwar paradox, liegt aber in der Natur der Sache: Die nach der Förderung nötige Anschlussfinanzierung fehlt. Denn Stellen wie die der Gesundheitslotsin sind, wie Elisabeth Reyhing sagt, »noch weit davon entfernt, dass Krankenkassen sie bezahlen. Die Politik sagt, sie möchte das, aber bisher tut sich nichts in die Richtung, auch wenn’s im Koalitionsvertrag steht«.

Community Health Nurses folgen 

Als das Port-Gesundheitszentrum in Hohenstein 2019 eröffnet wurde, rückte der Job, den Elisabeth Reyhing von Anfang an ausfüllte, als Aushängeschild und Alleinstellungsmerkmal ins Zentrum des Interesses. Die Zeiten haben sich geändert, auf die Gesundheitslotsin folgen die Community Health Nurses, die vor einigen Monaten ihren Dienst angetreten haben – Gesundheitsfachkräfte mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die ebenfalls als Netzwerkerinnen zwischen den Angeboten des Gesundheitszentrums und weiteren Anlaufstellen angesiedelt sind und vermitteln. Sich auf eine der beiden Stellen zu bewerben, war für Elisabeth Reyhing keine Option: Ein Studium im Pflege- und Gesundheitswesen ist Pflicht. Da muss Reyhing passen, sie ist gelernte Krankenschwester und hat, bevor sie zum Gesundheitszentrum wechselte, in der Anästhesie am Kreisklinikum Reutlingen gearbeitet.

Die Lotsin war, am Telefon oder im direkten Gespräch, erste Anlaufstelle, Beraterin und Kummerkasten: Sie kannte nicht nur die Angebote, Praxen und Kollegen im Port aus dem Effeff, sondern verfügte als alteingesessene Hohensteinerin und Krankenschwester auch über ein breites Netzwerk weit darüber hinaus: »Ich habe vieles zusammengehalten, koordiniert und vermittelt, ich kenne nicht nur die Angebote im Port, sondern auch in der Region.« Ihr Wissen und ihr Gespür für Menschen haben sie ausgezeichnet und dafür prädestiniert, für jeden den richtigen Behandlungsweg zu finden. Das sparte auch Zeit: Die Lotsin konnte in vielen Fällen deutlich schneller Hilfe organisieren als das über andere Wege, etwa die Krankenkasse oder Behörden, möglich gewesen wäre. Dabei ging es oft nicht nur um rein medizinische Probleme, sondern auch um Fragestellungen, die weit in den sozialen Bereich hinein reichten.

»Die Leute wussten, dass es mich gibt. Oft hieß es: Da fragen wir mal die Elisabeth«

Drei Tage in der Woche arbeitete die Meidelstetterin, gut gefüllt waren sie von Anfang an. Die Klientel war war so breit gefächert wie die Fragestellungen: »Es kamen junge Eltern und Hochbetagte. Alleinerziehende mit manchmal schwierigen Kindern oder wenig Geld. Ich konnte schwer oder chronisch kranke Kinder weiter vermitteln an Stellen, wo ihnen geholfen werden konnte.« Oft hat sie die Beziehungen in ihrem Netzwerk spielen lassen – auch dann, wenn es beispielsweise darum ging, dass Menschen in Not nicht durchs Raster fallen: Mit Blick auf die Gesundheitsversorgung, aber auch hinsichtlich der Daseinsvorsorge. »Ich hatte auch Fälle, wo ich gucken musste, dass die Leute was zu essen kriegen, weil sie vom Staat alleine und ohne Geld stehen gelassen wurden. Keiner hat sich zuständig gefühlt.«

Wer sich jetzt um die Arbeit kümmert, die die Lotsin bisher gemacht hat? Darauf formuliert die Gemeindeverwaltung im Amtsblatt-Artikel, in dem sie auch den Abschied der Lotsin öffentlich macht, eine vage Antwort: »Die Aufgaben werden innerhalb des Teams übernommen«, ist dort zu lesen. »Was genau das heißt, weiß niemand«, sagt Elisabeth Reyhing. Die Community Health Nurses werden wohl einen Teil abdecken, aber nicht alles – ihr Profil ist ein anderes, und das ist von der Bosch-Stiftung ja auch so gewollt. Eins zu eins ersetzen lässt sich jemand mit so viel Erfahrung, Orts- und Sachkenntnis wohl nicht. Aus ihrer Enttäuschung macht sie kein Geheimnis: »Ich habe viereinhalb Jahre lang etwas aufgebaut, das jetzt endet. Dabei lief es toll. Die Leute wussten, dass es mich gibt, es hat sich rumgesprochen. Oft hieß es: ›Da fragen wir mal die Elisabeth‹.« Aber Elisabeth ist jetzt nicht mehr da. (GEA)