ENGSTINGEN. Viel lauter als an manchen Lagen in Engstingen dürfte es auf der Alb selten irgendwo sein. B 313, die Alb-Bahn und vor allem die B 312 und die L 387 stehen dem Wunsch nach Ruhe entgegen. Das Büro Modus Consult Ulm hat entlang der Verkehrsachsen streckenweise dramatisch hohe Lärmpegel errechnet. So soll es natürlich nicht bleiben, meinen Anwohner, Gemeinderat und Verwaltung. So darf es auch nicht bleiben, schreibt der Gesetzgeber in der »EU-Umgebungslärmrichtlinie« vor.
Wo es In Engstingen laut zu geht, wissen die Bürger und ihre Gemeinde- und Ortschaftsräte. Sie haben auch Ideen, wo ein Tempolimit sinnvoll wäre oder wo ein paar Blumenkübel die Fahrbahn verengen könnten. Könnte man ja einfach mal ausprobieren, doch da sind die »Straßenverkehrsträger« vor: Bund, Land und Kreis. Und die zahlreichen Vorschriften, an die sie sich halten müssen und die genau vorgeben, wo der heilige Autoverkehr an die Kandare genommen werden kann oder wo nicht. Die Verantwortlichen in den Behörden müssen erst einmal überzeugt werden, und das ist eine der Aufgaben von Claus Kiener von Modus Consult. Mit einem Lärmaktionsplan hat die Gemeinde ein Instrument in der Hand, ohne das sie mit dem Regierungspräsidium erst gar nicht reden könnte, sagte Kiener beim Lärmspaziergang in Kleinengstingen.
Bürgerbeteiligung durch Lärmspaziergänge
Kiener ist mittlerweile schon ein paar Jahre in Engstingen unterwegs, hat unter anderem die Lärmspaziergänge in Groß- und Kleinengstingen organisiert und begleitet. Die sind bei den geplagten Anwohnern auf viel Interesse gestoßen, schon auf der Straße konnte Kiener zahlreiche Anregungen aufnehmen oder geben. Jetzt hat er im Gemeinderat den »Lärmaktionsplan Engstingen - Erweiterte Lärmkartierung/Lärmaktionsplanung Runde 4« vorgestellt. »Runde 4« bezieht sich auf die EU-Richtlinie, nicht auf die Arbeitsschritte von Modus Consult. Und da hat sich was getan, was den Kommunen auch mehr Handlungsmöglichkeiten geben könnte. Nach den Vorgaben im Jahr 2012 sollte ab 70 Dezibel tagsüber eingeschritten werden. Heute gelten 70 Dezibel schon als »grundrechtliche Schwelle zur Gesundheitsgefährdung«. Mit dem Argument: »Aber der Verkehr soll fließen« kann der Straßenverkehrsträger also nicht mehr kommen. Wo das der Fall ist, hat Kiener jetzt kartiert.
Wenig überraschend: In Engstingen sind die B 312 in Teilen und die L 387 besonders belastet, hier rollen durchschnittlich über 8.200 Fahrzeuge am Tag durch. Hier musste lärmkartiert werden, freiwillig wurde die B 313, die Kleinengstinger und die Lange Straße mit einbezogen. Aus gutem Grund: Die Ein- und Ausfallstraßen sind in der Lärmkarte tiefrot gefärbt. »Lärm sichtbar machen«, nennt das Kiener.
Tempo 30 und Flüsterasphalt
Die Kartierung ist durch, jetzt geht es darum, den Lärm tatsächlich zu bekämpfen. Kiener schlägt vereinfacht gesagt an allen kritischen Stellen Tempo 30 kurzfristig, Flüsterasphalt und Fahrbahnverengungen mittelfristig vor. Mit der Lärmkarte könnte vielleicht sogar das RP überzeugt werden.
Das kann dauern, die Gemeinde kann aber auch selbst etwas tun. Was genau, das soll mithilfe der Engstinger erarbeitet werden, Kiener schlägt dazu öffentliche Veranstaltungen vor. Neu bei der Lärmplanung ist der Schutz »ruhiger Gebiete«, die nicht geschaffen, aber erhalten werden sollen - Kiener nannte als Beispiele Parks oder Friedhöfe, Uferpromenaden gibts in Engstingen ja nicht so viele.
Kiener hat den Entwurf zum Lärmaktionsplan vorgelegt, der wird nun im Amtsblatt veröffentlicht, die Stellungnahmen der Bürger und der Träger öffentlicher Belange werden eingeholt. Dann geht der Plan zurück in den Gemeinderat zu Beratung und Beschluss. Und dann geht es an die Umsetzung. (GEA)