SONNENBÜHL. Jürgen Bauers Bilder entstehen im Prozess. Manchmal skizziert er grob vor, aber normalerweise steht er vor der weißen Leinwand, es läuft Musik im Hintergrund. Jazz hört er, das freie Improvisieren der Musiker inspiriert ihn, und genau so geht er vor, wenn er zu Pinsel und Farbe greift. Die mischt er selbst an, nur so viel, wie er benötigt. Mit dem frischen Pinsel fährt er durch Bindemittel und Pigment. Das hat auch für den Schaffensprozess Vorteile. Ist die Farbe verbraucht, muss er neue anmischen, muss innehalten. Zeit, um zu reflektieren, zurückzutreten, räumlich und zeitlich. Wo sind Korrekturen nötig? Wie viel muss er am Bild noch arbeiten? Wann ist die Komposition so weit gediehen, dass sie stimmig ist und man nichts wegnehmen kann und muss?
Häufig bewegt sich Bauer in monochromen Farbwelten, es dominieren Blau und Grau, als Kontrapunkt aufgeladen mit Rot, Gelb, Grün. In der Abstraktion fühlt sich Jürgen Bauer zu Hause. Obwohl seine Bilder häufig streng komponiert erscheinen, beginnt er die Arbeit nie mit einer festen Idee, mit einem Bild vor Augen. »Ich muss in den Dialog kommen, wenn ich ein fertiges Konzept habe, funktioniert das nicht«, sagt er.
»Ich will nicht abbilden«, von Fotorealismus ist Bauer weit entfernt. Vielleicht verhält es sich wie bei Gerhard Richter, der als junger Künstler mit fotorealistischen Werken Aufmerksamkeit erregte, sich aber zunehmend zur Abstraktion hinwandte, sich mit der Eigenwirkung von Form und Farbe beschäftigte. »Das fasziniert mich«, sagt Bauer, der in den 1980er-Jahren Bildende Künste und Geschichte für Lehramt studierte und seit 1991 als Lehrer zunächst in Stuttgart und seit 1994 an der Tübinger Freien Waldorfschule unterrichtet.
Die Ausstellung
Seiner Ausstellung im Kunsthaus Alte Schule in Sonnenbühl-Undingen, Hauptstraße 30, hat Jürgen Bauer keinen Titel gegeben. Er zeigt einige ältere, vor allem aber Bilder, die in den letzten vier bis fünf Jahren entstanden sind. Die Vernissage ist am Sonntag, 2. Juni, um 17 Uhr. Die Einführung hält Constantin Hörburger (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart), Herwig Rutt sorgt für Musik. Die Ausstellung läuft bis zum 23. Juni, geöffnet ist sie immer samstags und sonntags, jeweils von 15 bis 18 Uhr. (cofi)
Wie es Richter tut, fordert auch Bauer das Sehen heraus, den Betrachter, der sich auf die geschaffenen Bildräume einlassen und in sie hinein begeben muss. Es ist seine geschaffene Wirklichkeit, ein Kunstbegriff, den Paul Cézanne prägte. Es geht nicht darum, nach der Natur zu malen, sondern sie neu zu erfinden. Er schafft Räume, Perspektive(n), bricht diese auf, schafft Tiefe. Farbe, Licht und Raum - diese drei bilden die Basis. Während Bauers Hauptwerk aus Eitempera und Öl auf Leinwand besteht, zeigt er aber auch frühere Siebdrucke und einige Aquarelle. An ihnen lässt sich ablesen, wie sich der Grad der Abstraktion in einer Serie von Bild zu Bild steigert, wie sich die Natur auflöst und wie er sich von der expressiven Landschaftsmalerei immer weiter in ungegenständliche Kompositionen und Formensprache bewegt.
Dass Bauers Bilder Assoziationen zu Landschaft und viel mehr noch Architektur zulassen, kommt nicht von ungefähr, ist das doch Thema seiner Lehrtätigkeit. Trotzdem entziehen sich seine Motive klarer Gegenständlichkeit. Er überwindet die Grenzen von realem Raum und verändert die Wahrnehmung, schafft innere, geistige Räume im kreativen Prozess.

Er selbst zitiert gern Wassily Kandinsky, der sich gegen die Abbildung der Wirklichkeit wandte und die Gegenständlichkeit verließ. Letztlich arbeitete Kandinsky zu einer Zeit, als sich die Lebensrealität der Menschen stark änderte, und im Prinzip ist die Welt gerade wieder im Umbruch. Und so kann die Dekonstruktion und die neue Zusammensetzung von Linien, von Formen, die Aufladung von Farben und Flächen, der sich Bauer bedient und damit kubistischen Vorbildern folgt, als Verweis auf einen Wirklichkeitsbegriff gesehen werden, der sich stetig im Wandel befindet. »Extreme Umbruchzeiten manifestieren sich in der Kunst. Sie ist die Spiegelung einer geistigen Grundhaltung einer Zeit«, sagt Bauer.
Auch wenn Bauer berufsbedingt über breites Wissen kunsthistorischer Begrifflichkeiten und Strömungen verfügt, befreit er sich in seiner eigenen Malerei davon und findet eigene Wege des ästhetisch-vielschichtigen Ausdrucks. In seinem aktuellen Leporello beschreibt Bauer den Ansatz seiner Bildsprache so: »Meine künstlerische Gestaltung bewegt sich im Spannungsfeld von emotionaler Improvisation und rational gesetzter Komposition.« (GEA)