MÜNSINGEN-GUNDELFINGEN. Plastik findet sich überall – an Stränden, im Ozean und sogar in den Mägen von Vögeln. Ganz besonders aber im Alltag. Aus der überbordenden Fülle und Vielfältigkeit des Abfallprodukts Plastik hat die Reutlinger Künstlerin Susanne Dohm-Sauter ihre künstlerische Idee entwickelt: »Ich mache aus Banalem etwas Schönes - Kunst«. Sie sammelt nicht wild durcheinander oder gar Abfall von der Straße, sondern Plastik, das zu jedem Haushalt gehört: Schraubdeckel von Flaschen, Eislöffel, Folien. Deren knallige Farben erinnern an schönste Farbpaletten, deren Farben von Susanne Dohm-Sauter ganz ohne Pinsel auf Leinwand aufgebracht werden. Oft verbunden mit dem Werkstoff Wachs, mit Fäden und Textilstoffen lässt sie durch das Schmelzen des Kunststoffs mittels thermischer Verarbeitung einen neuen »KunstStoff« entstehen. Dieser mahnt nicht vordergründig die Alltagsflut des Gebrauchsmülls als Resultat des menschlichen Überflusses an, sondern steht vielmehr mit einer enormen Leichtigkeit, Beschwingtheit und Fröhlichkeit im Raum.
Immer wieder nutzen Künstler Schrott und Abfall als Kunstmaterial, auch Susanne Dohm-Sauter lässt mit ihrer Vorgehensweise ungeachteten Massenprodukten eine enorme Wandlungsfähigkeit zukommen. Denn irgendwann hat die studierte Textildesignerin gemerkt, dass Plastik in allen Bereichen überhandnimmt. Sie möchte aber nicht mit einem erhobenen Zeigefinger auf dieses komplexe Thema hinweisen, sondern eine farbenfrohe Realität schaffen, die doch als Mahnung zum Umdenken verstanden werden darf, als eine »Poesie der Veränderung«. Durch Entfremdung und bewusste Veränderungen des Nichtbeachteten entsteht aus entsorgten Dingen etwas Neues und Andersartiges, woran man sich erfreuen kann. Eine Ambivalenz zwischen Kunst, Design und gesellschaftskritischem Subtext. »In sich geschlossene Mikrokosmen und KunstStoffe, aus der Ferne anzusehen wie Gemälde«, wie Kuratorin Sabine Lang beschreibt.
Viele Collagen und Objekte zeigen aber auch anhand des von ihr verarbeiteten Wegwerfmaterials, wie viel Müll der Mensch produziert und wie schlecht er entsorgt wird. Für Susanne Dohm-Sauter liegt jedoch im negativen Image des Materials Kunststoff ein besonderer Reiz, weshalb sie sich ästhetisch mit ihm auseinandersetzt und mit verschiedenen Techniken daran arbeitet, um das Schöne im vermeintlich Unschönen hervorzuheben. Dabei geht sie strukturiert vor, entwirft vor der weißen Leinwand zunächst einen groben Plan, der ihr dennoch genügend Freiraum für die letztendliche Gestaltung lässt. In ihren Collagen finden sich daher sowohl städtische Ansichten, in denen manchmal sogar die Achalm hervorsticht, als auch florale Gebilde mit romantisch-verklärtem Ausdruck.
Anders als bei der Malerei fließen ihre Gedanken nicht direkt vom Kopf in die Hand und damit auf die Leinwand. Vielmehr nehmen Ideen im Kopf Gestalt an, sie wählt aus ihrem reichen Fundus die Materialien aus und führt dann Dinge zusammen, die vorher nicht zusammen waren. »Ich mag kein Chaos, sondern Ordnung«, sagt die Künstlerin von sich selbst. Und das sieht man auch an ihrer Arbeitsweise. Zum Beispiel an ihrem Werk »Small Islands«, bestehend aus 64 bunt zusammengeschmolzenen Plastikknäueln, die sie – der Ordnung wegen – auf einer quadratischen Leinwand akkurat untereinander und nebeneinander anordnet. »Die Verschmelzung wird durch Struktur aufgehoben«, erklärt sie.
Bunte Folienstreifen hat sie zu filigranen Schleifen gebunden, die trotz aller Leichtigkeit scheinbar wild umeinander kreisen. Eingefangen in einem Glaswürfel, erhalten sie aber einen beruhigenden Rahmen, Struktur und Form. »Bei mir ist immer eine Richtung vorgegeben: entweder horizontal oder vertikal, entweder grafisch oder malerisch.« Susanne Dohm-Sauter versteht es, unbeachteten Wegwerfdingen mit verborgenem Wert wieder eine Bedeutung zu geben. Auf diese Weise erzählt sie eine kunstvolle Geschichte des Wiederbelebens, die in der Ausstellung hautnah erlebt werden kann. (GEA)
Ausstellungseröffnung am Sonntag
Die Ausstellung »KunstStoffe« mit Werken von Susanne Dohm-Sauter wird am Sonntag, 4. August, um 14 Uhr im Museum und Stiftung Anton Geiselhart in Gundelfingen eröffnet. Sie ist bis zum 20. Oktober zu sehen. Sonntagsführungen gibt es am 15. September und am 13. Oktober, jeweils um 14 Uhr. Öffnungszeiten: Freitag und Samstag 14 bis 17 Uhr, Sonn- und Feiertag 11 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung. (in)