HOHENSTEIN. »Ganz zufällig« hat es sich laut Helmut Rauscher vor vielen Jahren ergeben, dass Karpatendeutsche zu ihm auf den Heidäckerhof gekommen sind. »Ein Paar kaufte in meinem Hofladen Käse ein. Der Mann wurde auf unsere Alphörner aufmerksam und so kamen wir ins Gespräch«, erzählt er. Wie sich herausstellte, gehörte er der 20-köpfigen Kapelle Original Karpaten-Express an, die sich mit traditioneller Blasmusik im böhmisch-mährischen Stil und mit zeitgenössischer Unterhaltungsmusik einen Namen gemacht hat. Ihre Mitglieder sind Karpatendeutsche, die aus Rumänien stammen und damals einen Platz für ihre jährlichen Treffen suchten. »Da wir ja rumänische Büffel haben, wurde die Idee geboren, ein Hoffest bei den Büffeln auf der Weide zu veranstalten, an dem auch die Karpaten teilnehmen konnten«. Dieses Hoffest findet nun jährlich im Rahmen des Ödenwaldstetter Albtags stets am Muttertag in der Halle, auf dem Hof und in Zelten statt.
Zum 12. Mal mittlerweile mit Besuch der Karpaten, die schon früh am Morgen kommen, ihre Siebenbürgen-Flagge hissen und ihre mitgebrachten Gerichte für die Besucher des Hoffests bereitstellen. Der Original-Karpaten-Express spielt zur Unterhaltung auf, verschiedene Tanzgruppen führen in Trachten eine Art Volkstänze vor. »Es geht vor allem darum, sich zu treffen, miteinander ins Gespräch zu kommen, Brauchtum zu pflegen und die karpatischen Traditionen kennenzulernen«, so Rauscher. Ein klein wenig von der Volksgeschichte der Karpaten hat er im Laufe der Jahre mitbekommen, zu einigen Karpatendeutschen besteht zwischenzeitlich eine innige Freundschaft.
So weiß Rauscher, dass die ersten deutschsprachigen Siedler sich auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens im 12. Jahrhundert in Siebenbürgen niederließen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts zogen die meisten aus Regionen im Westen und Süden Deutschlands in die Banater Ebene. »Rund 700 Jahre lang lebten sie in Siebenbürgen, das sind sehr viele Generationen«, weiß Rauscher. Im Rumänien vor 1945 stellten Deutsche, vor allem Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, nach den Ungarn die zweitgrößte Minderheit. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden viele Karpatendeutsche aus politischen Gründen nach Deutschland umgesiedelt und fanden hier eine neue Heimat.
Ihre Auswanderung hat die gesellschaftlich-kulturelle Landschaft Rumäniens nachhaltig verändert. Die Aussiedlung von Deutschen aus Rumänien gehörte zur allgemeinen Ost-West-Migration in Europa vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Umgekehrt war die Migration von deutschen Siedlern ins heutige Rumänien einst Teil der großen kontinentalen Auswanderung vom deutschsprachigen Raum nach Ost- und Südosteuropa.
Mit der Aussiedlung in die Bundesrepublik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endete die bis ins Mittelalter zurückreichende deutsche Kolonisationsgeschichte im Osten. Rund 430.000 rumäniendeutsche Aussiedler wurden zwischen 1950 und 2016 in Deutschland aufgenommen. Mehrheitlich fühlen sie sich gut integriert, sie verfügen über sehr aktive landsmannschaftliche Netzwerke. Es gibt verschiedene Gruppierungen, die ihre eigene, vielfältige Kultur pflegen. Die Karpaten sind bekannt für ihre traditionelle Lebensweise und die enge Bindung an ihre Heimatregion. Trotz der Entfernung von ihrer Heimat haben sie sich ihre Identität bewahren können und sind zu einem wichtigen Teil des kulturellen Erbes in Deutschland geworden. Wie dieses aussieht, können die Besucher des Hoffests am Sonntag, 12. Mai, ab 11 Uhr hautnah erfahren. Auch der Käsladen hat geöffnet. (GEA)