MÜNSINGEN/METZINGEN. Es sind beeindruckende Bilder, auf welche die Messebesucher blicken. Das Kloster Bebenhausen, der Albtrauf mit seinen grünen Wiesen im Vorland, Mountainbiker im Lautertal unterhalb der Burgruine Hundersingen und ein steil aufragender Kletterfels. Auch ein überdimensionales Motiv von Schloss Lichtenstein hängt an der riesigen Wand hinter dem Gemeinschaftsstand der »Städteperlen« Metzingen, Reutlingen und Tübingen.
Wer sich auf der weltweit größten Tourismus- und Freizeitmesse CMT behaupten will, muss schon etwas bieten. In zehn Hallen tummeln sich gut 1.600 Aussteller rund um den Globus. Dazu kommen noch 1.300 Freizeitfahrzeuge im Bereich Caravan. Die Konkurrenz ist also groß, aber die Schwäbische Alb kann sich durchaus sehen lassen. Das fängt schon mit der apfelgrünen Signalfarbe an, mit welcher der Teppichboden und die Counter der Stände einheitlich gestaltet sind. Hier sieht der Besucher sofort: unter dem Dach der Schwäbischen Alb setzt man auf Kooperation und präsentiert sich als Einheit.
Eine Ausnahme macht Bad Urach. Die Kurstadt vervollständigt den Stand von Metzingen, Reutlingen und Tübingen nicht zum Städtequartett, sondern präsentiert sich allein und abgeschnitten. Zwischen der Alb und Bad Urach liegt nämlich der Stand der Technikmuseen Sinsheim und Speyer. Wiebke Brosig von der Kurverwaltung rechtfertigt den Soloauftritt von Urach. »So ist für uns eine größere Freifläche möglich für Aktionen.« An diesem Tag ist es die »Entdeckerwelt«. Das Kindermuseum lädt die kleinen Messegäste mit Quadern und bedruckten Klötzen zum Mitmachen ein. Und was interessiert die Besucher am meisten? Wiebke Brosig braucht nicht lange zu überlegen: »Die häufigste Frage ist die nach dem Wasserfall«, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen.
Insgesamt 17 Städteperlen der Alb gibt es mittlerweile, und egal ob Landkreis Reutlingen, Esslingen, Göppingen, Ostalb oder Alb-Donau: Sie sind fast alle auf der CMT an gemeinsamen Countern vertreten. Für Mike Münzing ist die Kooperation ein Erfolgsgarant. »Das Bekenntnis für eine gemeinsame Region ist allen wichtiger als der eigene Kirchturm«, lobt der Vorsitzende des Schwäbischen-Alb-Tourismusverbands (SAT) und Bürgermeister Münsingens die Städteperlen. Schon zum achten Mal ist man als Gruppe dabei, und Münzing weiß: »Vielen ist gar nicht bewusst, dass gleich hinter Esslingen und Reutlingen die Alb beginnt.« Dort warteten nicht nur »eine tolle Kulturlandschaft, sondern auch fünf Unesco-Zertifikate für Höhlen und Eiszeitkunst sowie eine Genusslandschaft sondergleichen«. Dazu zählen Albbüffel und Apfelmost, Biosphärenwirte und Albschnecken, Schwabenspätzle und Lamm, Biere und Besenwirtschaften. Zudem sind neun Michelin-Sterne-Restaurants auf der Alb zu finden.
Das Thema Genuss spielt auch am Alb-Stand in der CMT-Halle 6 eine zentrale Rolle. Egal, ob Becka Beck, die Brauerei Berg oder Widmann’s Albleben: »Wir locken die Besucher mit Kulinarik an unseren Stand«, sagt Münzing. Seniorchef Frank Widmann aus Königsbronn, dessen Sohn Andreas einer der Sterneköche ist, bekräftigt: »Bei uns ist es immer voll am Stand. Die Leute wollen die Region auch schmecken!« Ganz zufrieden ist er nicht mit dem Messe-Konzept. »Wir müssten neben der Kulinarik weitere Highlights haben, wo man den Leuten etwas Gutes und Interessantes geben kann.« Nur so komme man sofort mit den Leuten in Kontakt.
Die Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck versucht es ebenfalls mit Genuss. Im kleinen 5-cl-Glas gibt es Täles Secco oder Secco Jura gratis ausgeschenkt. Der Vorstandsvorsitzende Jürgen Pfänder weiß, dass die benötigten zehn bis 20 Flaschen pro Tag gut investiert sind. »Viele wissen gar nicht, dass es in Neuffen Wein gibt und wir Württembergs höchstgelegene Weinbauregion sind.« Bis knapp über 500 Meter hinauf geht es, und damit »ein bisschen höher als in Metzingen«, sagt er und lacht. Dafür hat Metzingen ein international bekanntes Outletcenter, und Ines Wittkowski von Metzingen Marketing und Tourismus (MMT) ist deshalb mit einem geschlechtsspezifischen Problem konfrontiert. »Die Herren der Schöpfung wollen wissen, was man in Metzingen außer Shoppen sonst noch machen kann.« Wie gut, dass es zum Beispiel die Weinwanderwege gibt.
Elisabeth, die aus Stuttgart stammt, sucht indes nach Radtouren auf der Alb. »Schön, dass das Regionale immer mehr zum Tragen kommt«, meint die 62-Jährige zum Gemeinschaftsstand der Schwäbischen Alb. Aber es muss halt auch erst einmal entdeckt werden. Jürgen Koch und seine Frau Marie-Luise aus Geislingen bei Balingen sehen es ebenso. »Wir haben inzwischen vier Hochgehwege gemacht, die wir vorher gar nicht gekannt haben.« Luisa Wagner vom Stadtmarketing Reutlingen ist froh, dass sie nach Corona wieder ohne trennende Plexiglasscheibe vor den Gästen steht. »Es ist schön, wieder mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.« Auch bei ihr spielt das Thema Essen und Trinken eine Rolle. Neben den historischen Stadtführungen, so berichtet sie, seien die Genuss-Verführungen als weitere Themenführung in Reutlingen gut nachgefragt.
Eine tolle Idee ist auch der Wanderpass der Premiumwanderwege »Hochgehberge«. Wer am Ende seiner Wanderung bei einem der mitmachenden Gastgeber einkehrt, kann sich einen Stempel abholen. Wer mindestens fünf Stempel hat, kann einen attraktiven Preis im Biosphärengebiet gewinnen. Mike Münzing will auch Einheimische animieren. »Der erste Gast auf der Schwäbischen Alb ist immer noch der Älbler. Der zweite Gast kommt dann von außerhalb«, lautet sein Credo. Zumal die Alb »zu allen Jahreszeiten erlebbar ist«. Im Frühjahr etwa locke die Kirschblüte im Vorland, im Herbst der »Indian Summer«.
Egal ob Schluchten, Täler, Berge, Höhlen, Flüsse, Streuobstparadiese oder Genussorte: Die Alb mit ihren Städteperlen bietet eine enorme Vielfalt an Erlebnissen. Damit dies möglichst vielen Ausflüglern bewusst ist, wartet noch viel Arbeit auf die Touristiker. Noch viel zu oft ist es Zufall, dass Auswärtige die Alb entdecken. So wie Stephan Lützenkirchen. Der Unternehmensberater aus Köln hatte im Oktober des vergangenen Jahres in Südtirol Urlaub gemacht und plante auf der Rückreise eine Ruhepause mit seinem Caravan in Heidenheim ein. »Aber es war so schön dort, dass ich drei Nächte hängen geblieben bin und Radtouren auf der Ostalb gemacht habe«, erzählt er Mike Münzing beim CMT-Besuch.
Dem Münsinger Bürgermeister ist deshalb wichtig, dass alle Städte erkennen, wie wichtig der Tourismus als Standortfaktor ist. Im Münsinger Teilort Gundelfingen beispielsweise, so sagt Münzing, gäbe es ohne touristische Erschließung kein ÖPNV-Angebot mehr am Wochenende. Auch der Einzelhandel profitiere vom Tourismus. Gut ein Drittel der Ausgaben eines Touristen flössen in den Einzelhandel. Und da Tourismusexperten wie Professor Martin Lohmann davon ausgehen, dass für die kommende Saison mit einem weiteren Nachfrage-Plus zu rechnen sei und besonders im Camping-Bereich Zuwächse verzeichnet werde, steht für Münzing fest, dass die Alb noch viel Potenzial hat: »Man muss nicht unbedingt weit reisen, um Genuss zu erfahren«, wirbt er unermüdlich für das Zweistromland zwischen Donau und Neckar.