PFRONSTETTEN. Pfronstetten spielt in den Windkraftplanungen in der Region Neckar-Alb seit Jahren eine zentrale Rolle. Theoretisch geeignete Standorte gibt es hier etliche. Im westlichen Bereich hat Forst BW 500 Hektar Staatswaldflächen an den Projektentwickler wynkraft verpachtet, geplant sind dort bis zu 16 Windräder. Mit dem Vorschlag, einen Teil der Anlagen nicht im Staats-, sondern im Gemeindewald zu errichten, rannte wynkraft im Rathaus offene Türen ein. Denn so würde die Kommune direkt von Pachtzahlungen profitieren.
Dennoch fand der Vorschlag in der Sitzung des Gemeinderats am 13. Dezember keine Mehrheit. Nach kontroverser Diskussion fiel eine Entscheidung, die knapper nicht hätte sein können: Sechs Räte hoben die Hand für die Verpachtung kommunaler Flächen, sechs stimmten dagegen. Bei Stimmengleichheit gilt der Vorschlag, den gesetzlichen Regelungen entsprechend, als abgelehnt.
Bürger sind auf die Gemeindeverwaltung zugekommen
In der Bürgerschaft sorgte die Entscheidung des Gemeinderats offenbar für Fragezeichen. »Unabhängig voneinander sind mehrere Bürger der Gemeinde auf die Gemeindeverwaltung zugekommen und haben sich erkundigt, welche Möglichkeiten bestehen, in dieser Frage die Bürgerschaft entscheiden zu lassen«, teilt die Verwaltung auf der Gemeinde-Homepage mit. »Sie wurden jeweils auf die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens mit anschließendem Bürgerentscheid hingewiesen. Der Gemeindeverwaltung wurde daraufhin mitgeteilt, dass ein solches Bürgerbegehren angestrebt wird.«
Einer dieser Bürger, die sich ans Rathaus gewandt haben, ist Gerhard Bayer aus Aichelau. Er fungiert neben Markus Engst aus Tigerfeld auch als Vertrauensperson für das Bürgerbegehren, um die formalen Kriterien zu erfüllen (siehe Info-Box). Für ihn ist klar: »Es ist nicht die Frage, ob die Windkraftanlagen kommen, sondern ob die Gemeinde dafür Geld kriegt oder nicht.« Das stimmt. Denn im Falle des wynkraft-Projekts spielt die Grundsatzfrage, ob die Pfronstetter für oder gegen Windkraft sind, keine Rolle. Eine Diskussion darüber erübrigt sich, denn gebaut wird so oder so - entweder ganz im Staatswald oder, wie von der Verwaltung gewünscht, teilweise auf Gemeindeflächen.
Bürgermeister Teufel rechnet mit Pachteinnahmen von bis zu 22,5 Millionen Euro
Der einzige Unterschied: Wenn im Gemeindewald gebaut wird, profitiert die Kommune finanziell erheblich davon. Bürgermeister Reinhold Teufel rechnet hoch, um wie viel Geld es etwa geht: Pro Standort sind niedrige sechsstellige Pachtbeträge die Regel. Teufel geht davon aus, dass die jährlichen Einnahmen bei einer Bereitstellung von Gemeindeflächen zwischen 600.000 und 900.000 Euro liegen dürften. Geht man von 25 Betriebsjahren aus, kämen zwischen 15 und 22,5 Millionen Euro zusammen.
Bürgerbegehren
Entsprechend § 21 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg kann die Bürgerschaft über eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, schriftlich einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Richtet es sich gegen einen Beschluss des Gemeinderats, muss es innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein. Ein Bürgerbegehren muss die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung und einen Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten und muss von mindestens sieben Prozent der Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet sein. Bei rund 1.500 Einwohnerinnen und Einwohnern wären für das Bürgerbegehren somit mindestens 105 Unterschriften erforderlich, die genaue Zahl richtet sich nach der am Tag der Einreichung gegebenen amtlichen Einwohnerzahl. »Sofern die notwendige Anzahl der Unterschriften bis dahin zusammenkommt, ist vorgesehen, bereits in der Sitzung des Gemeinderats am 31.01.2024 über das Bürgerbegehren und damit die Zulassung eines Bürgerentscheids zu entscheiden«, heißt es auf der Homepage der Gemeinde. Abstimmungsberechtigt ist, wer mindestens 16 Jahre alt ist, die deutsche oder EU-Staatsbürgerschaft besitzt und seinen Hauptwohnsitz seit mindestens drei Monaten in Pfronstetten hat. Ein Formblatt zur Unterstützung des Bürgerbegehrens steht bereits zum Download auf der Homepage der Gemeinde bereit. (GEA)
Gerhard Bayer hat grundsätzlich Verständnis für die Entscheidung des Gemeinderats: »Da tut sich sicher keiner leicht damit, bei so einer Abstimmung hat wahrscheinlich jeder Magengrummeln, egal ob er mit Ja oder Nein stimmt.« Einfach auch deshalb, weil Windkraft polarisiert und ein emotionales Thema ist. Man sieht's auch an der Menge von Anti-Windkraft-Gruppierungen, die es inzwischen auf der Alb gibt. »Diejenigen, die gegen etwas sind, gründen Initiativen und melden sich laut zu Wort«, sagt Bayer. »Die, die dafür sind, sind meistens ruhig.«
105 Unterschriften sind für den Bürgerentscheid notwendig
Dafür, auch ihnen eine Stimme zu geben, ist ein Bürgerentscheid aus seiner Sicht das erste Mittel der Wahl. »Das ist das Beste, was passieren kann - auch für den Gemeinderat.« Denn wenn alle Bürger ab 16 Jahren abstimmen dürfen, ist dem Gremium, das ja nur einen Teil der Bürger-Meinung abbilden und repräsentieren kann, die Last der Verantwortung abgenommen. Die 105 Unterschriften zu sammeln, die notwendig für einen Bürgerentscheid sind, ist aus Bayers Sicht kein Problem. »Und wenn doch, dann wäre auch das ein Zeichen, das die Bürgermeinung spiegelt.«
Bayer selbst ist ein erklärter Befürworter regenerativer Energiequellen, sei es Windkraft, Biogas oder Photovoltaik. »Wir brauchen alle drei für ein stabiles Stromband«, ist er überzeugt. Seinen Mitbürgern traut er grundsätzlich eine ähnliche Offenheit zu. Ein Indikator dafür ist aus seiner Sicht das EnBW-Projekt in Aichelau: Dort sind sechs Anlagen auf Flächen der Holzgerechtigkeit geplant. Die Zustimmung der Beteiligten sei groß gewesen, berichtet Bayer, »80 Prozent waren dafür«. Auch die Gemeinde hat Anteile an der Holzgerechtigkeit. (GEA)