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Aktuell Museum

Ausstellung zum Thema Handarbeit im Modemuseum Granheim

Vor 22 Jahren hat Gabriele Bauer-Feigel ihr Modemuseum im Alb-Dorf Granheim eröffnet. Seitdem gibt es zweimal jährlich wechselnde Ausstellungen zu Themen rund um textile Leidenschaften.

Aufwendig bestickte Blusen und mehr: Gabriele Bauer-Feigel zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung Exponate rund ums Thema Handarbe
Aufwendig bestickte Blusen und mehr: Gabriele Bauer-Feigel zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung Exponate rund ums Thema Handarbeit. Foto: Marion Schrade
Aufwendig bestickte Blusen und mehr: Gabriele Bauer-Feigel zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung Exponate rund ums Thema Handarbeit.
Foto: Marion Schrade

EHINGEN-GRANHEIM. Granheim hat etwa 250 Einwohner und ist einer von 17 Stadtteilen von Ehingen an der Donau. Ein Museum würde man hier nicht unbedingt erwarten. Und schon ganz keins zu einem Thema wie Mode, das eher mit Lifestyle in Verbindung gebracht wird. Diese Assoziation greift deutlich zu kurz, das wird bei einem Besuch und im Gespräch mit Gabriele Bauer-Feigel schnell klar: Die Frau, die das Museum vor 22 Jahren eingerichtet hat und dort seitdem zweimal jährlich eine neue Ausstellung zeigt, ist Historikerin und Handarbeitslehrerin.

Sie ist von den Kulturtechniken textiler Handarbeit durch die Jahrhunderte genauso fasziniert wie von der gesellschaftlichen und geschichtlichen Dimension: In der Kleidung, sagt sie, spiegelt sich auch das Lebensgefühl der jeweiligen Epoche wider. Seit vielen Jahrzehnten schon sammelt sie Dinge, die mit Handarbeit und Mode zu tun haben. Zu ihrem 40. Geburtstag machte ihr ihr Mann ein besonderes Geschenk: »Er hat für drei Tage eine Galerie in Stuttgart angemietet, in der ich meine Sammlung endlich mal zeigen konnte.« Damit erfüllte sich ein lange gehegter Traum, allerdings nur vorübergehend. Denn in der Landeshauptstadt, wo Bauer-Feigels Familie ihren Lebensmittelpunkt hat, auf Dauer Räume anzumieten und ein Museum einzurichten, war undenkbar.

»Auf seine Handarbeit war man früher stolz«

Dennoch: Der Wunsch, die Exponate nicht wieder irgendwo in der Versenkung verschwinden zu lassen, sondern anderen Menschen zu zeigen, blieb von da an präsent. Gabriele Bauer-Feigel nahm ihn mit nach Granheim. Dort verbrachte sie mit ihrer Familie schon seit Langem Urlaube und Wochenenden im eigenen Ferienhaus - gar nicht weit entfernt von der alten Heimat: Ihre Wurzeln liegen in Ulm. »Ich habe einfach mal beim Ortsvorsteher angefragt«, berichtet sie. Der war sofort begeistert von der Idee, dass es in Granheim bald ein Modemuseum geben könnte und hat Bauer-Feigel einen Raum in der ehemaligen Schule angeboten.

Ihrer aktuellen Ausstellung hat die Historikerin den Titel "Die Intelligenz der Hände" gegeben. Ausgewählte Exponate geben Einblicke in die Welt der Handarbeit. Um Techniken, Materialien und Utensilien geht es dabei genauso wie um damit verbundene Rollenbilder, Funktionen und den jeweils herrschenden Zeitgeist. »Auf seine Handarbeit war man früher stolz«, sagt Bauer-Feigel. Das war jahrhundertelang so - bis die Emanzipation dafür sorgte, dass der Handarbeitsunterricht, der für Mädchen bis dahin einen hohen Stellenwert gehabt hatte, ab etwa den 1970er-Jahren eine immer unbedeutendere Rolle im Stundenplan spielte.

Ein Handarbeitskorb und Arbeiten hatten früher auch viel mit Prestige zu tun.
Ein Handarbeitskorb und Arbeiten hatten früher auch viel mit Prestige zu tun. Foto: Marion Schrade
Ein Handarbeitskorb und Arbeiten hatten früher auch viel mit Prestige zu tun.
Foto: Marion Schrade

Einerseits ging es darum, nützliche Dinge mit seinen eigenen Händen herzustellen, Socken oder andere überlebenswichtige Kleidungsstücke zum Beispiel. Oder zu reparieren, denn: »Mädchen bekamen einmal im Leben eine Aussteuer, zu der auch die Bett- und Tischwäsche gehörte. Was kaputt war, wurde geflickt. Neu gekauft wurde in der Regel nichts«, berichtet die Historikerin von den Gepflogenheiten, die das Leben von Bauern- und Bürgerfamilien bestimmten.

Andererseits waren besonders schöne Stücke immer auch ein Beweis der eigenen Fähigkeiten: "An der Qualität der Handarbeiten wurde abgelesen, wie gut sich die Frau als Hausfrau machen würde", schildert die Expertin die Bedeutung der Handarbeitskunst auf dem Heiratsmarkt. Das gilt insbesondere für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, "die Biedermeier-Zeit war eine sehr handarbeitsintensive Zeit, Handarbeit war die Freizeitbeschäftigung für Damen". Investiert haben die jungen Damen ihr Geschick und ihre Zeit dann auch gerne in ihre Zukunft: Hals- und Taschentücher, Brieftaschen, Tabaksbeutel, Hosenträger oder Gürtel - es gab praktisch nichts, das man nicht mit Stickereien verschönern und einem potenziellen Heiratskandidaten als Liebesgabe überreichen konnte.

»Nadeln waren ein kostbares Gut, sie wurden von Hand in mehreren Arbeitsschritten geschmiedet«

Kostbar waren nicht nur die Geschenke, sondern auch die Utensilien, die man für deren Herstellung brauchte. In ihrer Ausstellung zeigt Gabriele Bauer-Feigel eine Vielzahl an Nähkörben, Scheren, Stopfeiern, Fadensternen und Maßbändern. Manches war besonders teuer und wertvoll, »Nadeln waren ein kostbares Gut, sie wurden einzeln von Hand in mehreren Arbeitsschritten geschmiedet«, erklärt die Expertin. »Entsprechend sorgfältig wurden sie in Nadeletuis aufbewahrt.«

Andere Exponate bringen einen eher zum Schmunzeln. Das Ulmer Münster en miniature mit einem Nadelkissen vorne dran wäre heute im Souvenirshop wohl eher ein Ladenhüter. Aus der Zeit gefallen wirkt auch dieses Wahlwerbegeschenk. »Wählen Sie Franz Josef Strauß«, steht auf dem gelben Fingerhut, der verrät: Das Frauenbild, das damit verbunden ist, war so konservativ wie der Politiker, der der CSU von 1961 bis 1988 vorstand.

Heute Massenware, früher von Hand geschmiedete Kostbarkeiten: Nähnadeln.
Heute Massenware, früher von Hand geschmiedete Kostbarkeiten: Nähnadeln. Foto: Marion Schrade
Heute Massenware, früher von Hand geschmiedete Kostbarkeiten: Nähnadeln.
Foto: Marion Schrade
Verrät viel über den, der da gewählt werden will: Werbegeschenk für die Dame.
Verrät viel über den, der da gewählt werden will: Werbegeschenk für die Dame. Foto: Marion Schrade
Verrät viel über den, der da gewählt werden will: Werbegeschenk für die Dame.
Foto: Marion Schrade

Nicht anders als staunen kann man beim Anblick etlicher filigraner Arbeiten, die Bauer-Feigel in ihrer Ausstellung zeigt. Da wäre zum Beispiel die schwarze Stola: »So ein großes Stück, das komplett in Occhi-Technik gearbeitet ist, habe ich sonst noch nie gesehen«, sagt die Fachfrau über dieses Schultertuch, das in ihrer Sammlung deshalb einen besonderen Stellenwert hat. Bis es fertig war, muss es unendlich viele Stunden gedauert haben. Die Occhi-Spitze wird in einer Knüpftechnik mit Schiffchen aus einem dünnen Faden hergestellt - normalerweise, um Wäsche mit Borten zu verzieren, nicht aber, um ein ganzes Kleidungsstück daraus zu machen.

In der Stola aus Occhi-Spitze stecken unbezahlbar viele Stunden Arbeit.
In der Stola aus Occhi-Spitze stecken unbezahlbar viele Stunden Arbeit. Foto: Marion Schrade
In der Stola aus Occhi-Spitze stecken unbezahlbar viele Stunden Arbeit.
Foto: Marion Schrade

»Im 19. Jahrhundert war die Liebe zur Spitze sehr ausgeprägt«, erklärt Bauer-Feigel. Nicht nur Techniken wie Occhi kamen damals zur Blüte, sondern auch die Weißstickerei. Mit weißem Faden wurde ganz normale Baumwolle mit Spitzenmotiven veredelt. Nicht nur Ton in Ton, sondern auch in Farbe wurde gestickt: Mit Buntstickereien wurden Kleidungsstücke verziert, gerne auch auf Karostoff. »Besonders beliebt dafür war der Kreuzstich«, den viele Besucher noch aus dem Handarbeitsunterricht der eigenen Schulzeit kennen. Auch in diesen Bereich gibt die Ausstellung Einblicke. Unter anderem hat Gabriele Bauer-Feigel eine Kladde gefunden, in der ein Schulmädchen feinsäuberlich alle Probestücke eingeklebt hat - von den ersten Häkelarbeiten bis hin zum gesäumten Knopfloch.

»Handarbeit kann sehr meditativ sein und ist kostbar für die seelische Entwicklung«

Nichts für Anfänger ist die Technik des Tambourierens. Der Stoff wird - daher auch der aus dem Französischen abgeleitete Name - wie ein Trommelfell auf einen Rahmen gespannt und von der Unterseite her mit einer Nadel durchstochen. Angewandt wird diese Arbeitsweise heute noch in der Haute Couture: »Bei Chanel werden so zum Beispiel Pailletten aufgestickt«, weiß die Museums-Chefin. Eine Handarbeitstechnik, die eng mit der Region verbunden ist, ist das Klöppeln. »Erfunden wurde das Klöppeln schon im 16. Jahrhundert, richtig beliebt geworden ist es aber erst im 19. Jahrhundert, als der Hype um die Spitze kam.« Vor allem in Österreich verdienten sich Frauen auf dem Land ein Zubrot, indem sie für Nobelschneider in Wien Spitzen klöppelten. »Ehingen gehörte zu Vorderösterreich und wurde so auch zur Klöppelstadt«, zieht Gabriele Bauer-Feigel die historische Parallele.

In dieses Buch hat ein Schulmädchen seine Arbeiten aus dem Unterricht eingeklebt.
In dieses Buch hat ein Schulmädchen seine Arbeiten aus dem Unterricht eingeklebt. Foto: Marion Schrade
In dieses Buch hat ein Schulmädchen seine Arbeiten aus dem Unterricht eingeklebt.
Foto: Marion Schrade

Und was ist mit der Handarbeit heute? Sie hat immer noch ihre Daseinsberechtigung und ihren Stellenwert, wenn auch einen völlig anderen als in früheren Jahrhunderten. Die schiere Notwendigkeit, Dinge des täglichen Bedarfs selbst herzustellen, oder das Bedürfnis, mit kunstvoll gearbeiteten Stücken den Status einer feinen Dame zu untermauern, spielen keine Rolle mehr. »Für mich ist Handarbeit auch eine Sache von Achtsamkeit. Man muss sich konzentrieren, die Hände und der Kopf machen das Gleiche«, bringt Gabriele Bauer-Feigel ihre persönliche Definition zum Ausdruck. »Das kann auch sehr meditativ sein und ist kostbar für die seelische Entwicklung«, sagt sie auch mit Blick auf ihre Erfahrungen als Handarbeitslehrerin an einem Mädchengymnasium.

Und nicht zuletzt ist Handarbeit auch eine Frage der Wertschätzung: »Wenn man etwas selbst gemacht hat, weiß man, wie viel Arbeit darin steckt und wie viel es eigentlich wert ist.« Der Gedanke lässt sich weiterspinnen, und so bekommt auch ein historischer Aspekt der Handarbeit eine moderne Bedeutung: Die alte Idee, dass die Aussteuer ein Leben lang halten und deshalb sorgsam gepflegt werden muss, würde man heute ganz einfach unter den Begriff der Nachhaltigkeit fassen. Was man selbst gemacht hat, wirft man nicht so einfach leichten Herzens weg. (GEA)