MÜNSINGEN. Die Vorbereitungen für die Ausstellung »Onboarding – Kunst trifft Handwerk« in der Kulturwerkstatt BT 24 im Albgut Münsingen laufen auf Hochtouren. Neun Positionen thematisieren dabei die Verbindung von bildender Kunst und Handwerk.
Anton Geiselhart war ein Künstler, der vielseitige Werke hinterließ. Gleichzeitig war er aber auch ein Handwerker mit Malerbetrieb, der heute noch Bestand hat. Besonders zeichnete ihn aus, dass er es verstand, Kunst und Handwerk miteinander zu verbinden. So haben nun zwölf Künstlerinnen und Künstler aus der Region das 25-jährige Bestehen der Stiftung Anton Geiselhart in Gundelfingen zum Anlass genommen, sich mit verschiedenen Projekten und Positionen ebenfalls dieser Schnittstelle von Kunst und Handwerk anzunehmen. Für die Ausstellung »Onboarding« entwickelten sie Prozesse und Objekte, die an das Wirken und Schaffen von Anton Geiselhart anknüpfen. Dabei geht es darum, mit künstlerischen Impulsen zu Handwerksarbeiten zu inspirieren, sodass Handwerk von Kunst und vielleicht auch Kunst vom Handwerk profitieren kann. Gezeigt werden sowohl Arbeitsprozesse wie auch deren Ergebnisse, die in einer unternehmerischen Kooperation von Kunst und Handwerk entstehen.
Interaktives Konzept
Unter diesem Aspekt hat sich auch das Dreiergespann mit Künstler Edgar Braig aus Münsingen, Bildhauerin und Produktdesignerin Susanne Hoffmann aus Stuttgart und Martin Putz aus Mehrstetten, Techniklehrer an der Stuttgarter Hochschule für Medien und Industriedesign, zusammengefunden. Sie entwickelten gemeinsam ein Präsentationssystem mit einem interaktiven und partizipativen Konzept, das die Aneignung von Räumen für künstlerische Zwecke mobil, flexibel und multimedial ermöglicht. Dadurch kann Kunst dorthin gehen, wo Menschen und Leerstände sind, wo Zwischennutzungen neue Chancen eröffnen.
Gemeinsam haben sie recherchiert und sich umgeschaut, was es bereits gibt und was für Ausstellungen gebraucht wird. »Bei verschiedenen Ausstellungen haben wir gemerkt, wie schwer es ist, Kunst zu installieren«, sagt Edgar Braig. Ihnen sei außerdem aufgefallen, dass bereits Anton Geiselhart in seiner Galerie in Gundelfingen die Notwendigkeit für ein passendes Ausstellungssystem erkannte und dieses dann auch individuell entwickelt, gefertigt und eingesetzt hat. Dieses System diente dem Projekt des Teams als Ausgangspunkt.
Um unterschiedlichen Räumlichkeiten gerecht werden zu können, war klar, dass die Lösung modular und simpel sein muss, sodass es individuell einsetzbar und nutzbar wird. Jeder hat eigene Erfahrungen eingebracht, es wurden Zeichnungen erstellt und Modelle gefertigt, dann ging es in der Werkstatt von Martin Putz an die handwerkliche Umsetzung. In der Bauphase wurde vorwiegend Holz als Grundmaterial verwendet, noch wird überlegt, ob etwa die Füße eines Hockers aus Metall dem Objekt mehr Stabilität geben könnten. »Unser Ziel war zwar, alles komplett aus Holz zu fertigen, aber wir müssen auch Gewicht, Statik und Sicherheit berücksichtigen«, macht Hoffmann deutlich.
Mehrere Module sind als Grundgerüst vorgesehen: Hocker auf verschiedenen Höhen, als Sitz-, Präsentations- und Arbeitstischmöglichkeit, eine blanko und eine multifunktionale Stellwand, die mit Sonderteilen unter anderem zum Regal umgebaut werden kann. Verwendet wurden Dreischichtplatten aus Fichtenholz, die noch eine brandsichere Oberflächenbehandlung erhalten. Präsentiert wird dieses System zum ersten Mal als Prototyp in der Ausstellung – als Kunstwerk selbst, aber auch als Ergebnis aus Handwerksarbeit, das zur Präsentation von Kunst zur Verfügung gestellt und in den Hintergrund gerückt werden kann. Entweder in fertig gebauter Form im Ausleihmodus oder vielleicht auch nur in Form von Bauplänen, die erworben und selbst nachgebaut werden können.
»In diesem Thema finde ich mich sehr gut wieder«, sagt Edgar Braig. Er sieht im System kein alleinstehendes Kunstwerk, sondern eine angewandte Gestaltungsform, die nicht nur in Galerien, sondern in allen möglichen Räumen zum Einsatz kommen soll. »Damit kann Kunst unterschiedlich und stets in passendem Rahmen dargestellt werden, ob nun in einer Turnhalle oder in einem leer stehenden Laden«, ist Edith Koschwitz von der Kulturwerkstatt BT 24 überzeugt.
Diese Ausstellung mit insgesamt neun Projekten wurde vom Impulsprogramm »Kultur nach Corona« vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg gefördert. Koschwitz geht es darum, Potenziale im ländlichen Raum aufzuspüren und – wie einst Anton Geiselhart – die Fortführung seines Ansatzes im Bewusstsein der kulturellen Identität der Alb-Region und in Form zeitgenössischer Prozesse weiterzudenken und konkret umzusetzen. Denn Zukunftsfragen im ländlichen Raum, so ist sie überzeugt, sind Fragen nach der Belebung sukzessive verwaisender Ortskerne und dem Rückgang von Mobilität und Gemeinschaftssinn, nach Problemen um die allgemeine Grundversorgung und einer vor Ort entstehenden, über künstlerische Impulse verbindenden kulturellen Identität. »Wir können hier viele Künstlerinnen und Künstler an Bord holen, sie lassen schöne Sachen entstehen, die im Alltag ihren Platz finden.« (GEA)
AUSSTELLUNG »ONBOARDING – KUNST TRIFFT HANDWERK«
Dauer, Vernissage und beteiligte Künstler
Die Ausstellung »Onboarding – Kunst trifft Handwerk« ist vom 7. Mai bis 18. Juni mittwochs bis sonntags und feiertags von 11 bis 17 Uhr im BT 24 zu sehen. Die Vernissage ist am Samstag, 13. Mai, um 14.30 Uhr. Beteiligt sind neben Edgar Braig, Susanne Hoffmann und Martin Putz weitere neun Künstlerinnen und Künstler. Brigitte Braun und Bettina Panek haben als Nerz KG mit künstlerischen Mitteln die Möglichkeiten für zukunftsweisende Lebens- und Arbeitsformen untersucht und den Alb-Keks »Freiraum« gemeinsam mit der Bäckerei Glocker entwickelt. Simon Gehring stellt Objekte und Möbel aus Naturmaterialien aus, die mit innovativen Gestaltungsmethoden und Herstellungstechniken gefertigt worden sind. Wolf Nkole Helzle hat ausgehend von einer vielteiligen Wandinstallation mit einzelnen Begriffen auf Papier eine Auswahl in Stein graviert und fordert zum Dialog heraus. Barbara Karsch-Caieb zeigt zeitgenössische Interpretationen mit Sgrafitto-Technik. Reinhard Krehl gibt aufwendig verarbeitete und im Rahmen der Spaziergangsforschung entwickelte Spazierstöcke aus Wacholder heraus. Zu sehen sind weitere Objekte und Stelen aus regionalem Holz von Wolfgang Schaller sowie Hörnester von Mirja Wellmann und mobile modulare Wandgestaltung von Helmut Anton Zirkelbach. (in)