SONNENBÜHL/LICHTENSTEIN. Ein »schöner Landstrich«, so empfindet Staatssekretärin Elke Zimmer die Schwäbische Alb. Schöner wäre sie am Freitagmorgen ohne Regen gewesen, schöner wird sie aber durch den Neubau eines Radwegs zwischen Sonnenbühl-Genkingen und dem Abzweig zum Schloss Lichtenstein. Vor allem sicherer und komfortabler für Zweiradfahrer, die zuvor auf der viel befahrenen und gefährlichen Landesstraße 230 in die Pedale treten mussten. Laut Verkehrszählung von 2021 sind 4.100 Kraftfahrzeuge binnen 24 Stunden auf der Straße unterwegs, der Schwerlastverkehranteil liegt bei acht Prozent. Wie Lichtensteins Bürgermeister Peter Nußbaum sagte, war der Radwegebau ein »habhaftes Ziel«, für das vor allem er und sein Amtskollege aus Sonnenbühl, Uwe Morgenstern, viel »Durchhaltevermögen« aufbringen mussten.

Mehr als zehn Jahre haben die Gemeinden auf den Bau gewartet. Die Planungen liefen seit 2007, der Weg stand auf der Prioritätenliste des Radwegekonzepts des Landkreises auf Platz eins und war im Bedarfsplan für Radwege an Bundes- und Landesstraßen des Landes im vordringlichen Bedarf verankert. Umso mehr wird es Morgenstern schwergefallen sein, nicht selbst am Freigabetermin teilnehmen zu können. Wie Nußbaum aber mitteilte, hätten beide Gemeindechefs ihre Räder bereits Tage vor der offiziellen Eröffnung schon über den neuen Weg gesteuert. Und der augenzwinkernde Titel, den der Radweg erhalten habe - »Sehnsucht trägt einen Namen« - muss in diesem Fall nun niemand mehr zitieren.
Die Flaggen allerdings, auch die des Landes, die in Genkingen beim Weg zur Nebelhöhle gehisst sind, dienten aber nicht der Radweg-Einweihung, wie Elke Zimmer, Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr, mutmaßte, sondern dem Nebelhöhlenfest an diesem Pfingstwochenende, zu dem nun aber auch Radfahrer bequem gelangen und den Besuch mit einer Stippvisite am Schloss Lichtenstein nutzen können. Auch dank der beiden Querungshilfe, die bei Genkingen und beim Abzweig zum Schloss auf der Landesstraße gebaut wurden. Für Autofahrer gelten hier Tempo 70, erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht.

Begonnen wurde mit dem Bau Mitte September 2023, dann kam die Winterpause, weiter ging es am 11. März 2024. Insgesamt viereinhalb Monate reine Bauzeit und 1,75 Millionen Euro wurden in den vier Kilometer langen Radweg investiert, der vom Regierungspräsidium Tübingen geplant und umgesetzt wurde. »Damit hat das Land ein Zeichen für die Stärkung der Radmobilität gesetzt«, sagte Baudirektor Arnold Goller vom Regierungspräsidium. »Wir haben hier nicht nur ein bissel Radweg gebaut«, erklärte Elke Zimmer. Das gesamte Projekt sei eine »anspruchsvolle Aufgabe« gewesen.

Gebaut wurde unter halbseitiger beziehungsweise Vollsperrung nicht nur der Weg als Rad- und Wirtschaftsweg, sondern auch ein neuer Linksabbiegerstreifen und eine Querungshilfe für Radfahrer auf der L 230 im Einmündungsbereich der K 6732, die als Zufahrt zum Schloss Lichtenstein dient. Eine weitere Querungshilfe an der L 382 bei der Einmündung der Stuhlsteige in Genkingen macht die Passage für Radler und Fußgänger, die zur Nebelhöhle wollen, sicherer. Herausforderungen gab es von organisatorischer wie baulicher Seite. 6.000 Kubikmeter Boden mussten bewegt werden, es bedurfte Boden- und Untergrundverbesserung, Geotextil musste ausgebracht werden. Denn ein Teil der Radweg-Strecke liegt in einem Feuchtgebiet. Dazu herrschten teilweise beengte Verhältnisse, sodass nur kleine Fahrzeuge das Material zur Baustelle bringen konnten.
Allein 170.000 Euro flossen in landschaftspflegerische Maßnahmen. Dass der Freigabe-Termin am Parkplatz Greuthau stattfand, hatte nicht nur strategische Gründe. Sondern auch den, dass es hier ins Naturschutzgebiet Greuthau geht. Im Übrigen, wie Zimmer betonte, eines der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands, das es seit 1938 gibt. Ohne menschliche Pflege wandelt sich die hier bestehende artenreiche Vegetation in einen artenärmeren Zustand um, die Landschaft verbuscht. Hier wurden Laubbaumbestände entfernt, damit seltene Blumen, karge Wacholderheiden, große Weidebuchen und Insekten eine Zukunft haben. Diese Pflege und Ausgleichsmaßnahmen seien wichtig, denn: »Wir wollen zwar einen Radweg, aber auch einen im Einklang mit der Natur haben«, so Zimmer.
Der Radweg erfülle aber noch einen weiteren Zweck, so Zimmer. Er zahle auf die Klimaziele des Landes Baden-Württemberg ein. »Wir kommen Stück für Stück voran«: Bis 2040 seien im Bedarfsplan des Landes allein im Landkreis Reutlingen Radwege für 43 Millionen Euro projektiert. Blieb nur noch ein Appell: »Radfahren macht Spaß und ist eine coole Fortbewegungsart« - zumindest wenn es nicht regnet. Nichtsdestotrotz stiegen die Gäste aufs E-Bike und radelten zumindest bis zum Abzweig des Schotterwerks Leibfritz.
Nur eine kleine Kritik am Rande eines per Rad angereisten Freigabe-Gasts: Dieser Lückenschluss im Radwegenetz sei zwar gut, aber um auf zwei Rädern auf die Alb zu gelangen, hätten Radfahrer oft das Nachsehen und müssten trotzdem auf den Straßen fahren, weil Alternativen zu steil seien. Gerade werde die Gönninger Steige saniert: Dort wäre ein neuer Radweg sinnvoll gewesen. (GEA)