MÜNSINGEN. Ein Glas Sekt-Orange, zwei Bier und ein schrecklicher Birnenschnaps - mehr will ein Autofahrer über sechs Stunden bei einer Geburtstagsfeier nicht getrunken haben. Ein Test ergab allerdings kurz nach der Abfahrt eine Atem-Alkoholkonzentration von 0,3175 Milligramm Alkohol pro Liter Atemluft, was guten 0,6 Promille entspricht. Der Grenzwert für den Führerscheinentzug liegt bei 0,25 Milligramm pro Liter oder 0,5 Promille. Laut Strafbefehl hätte der Mann 500 Euro Strafe bezahlen und seinen Führerschein für vier Wochen abgeben müssen. Dagegen hatte er Einspruch erhoben, der Fall landete vor dem Münsinger Amtsgericht.
Bei einer Geburtstagsfeier hatte der Mann nach eigener Aussage in Maßen Alkohol getrunken, fahren wollte er eigentlich nicht mehr. Seine Frau sollte ans Steuer, er wollte nur den Wagen vom Gasthaus weg an den Ortsrand chauffieren, »von da an hätte sie den Weg gefunden.« Kaum losgefahren, sah er aber die Kelle im Rückspiegel. Ein Glas Sekt hätte er gehabt, gab er den Polizistinnen nicht ganz wahrheitsgemäß gegenüber an, die ließen ihn blasen, mit dem bekannten Ergebnis. Auf dem Polizeirevier in Münsingen wurde die Prozedur wiederholt.
Lungenkrankheit verantwortlich für falsche Testergebnisse?
Der Mann ist lungenkrank, die entsprechenden Atteste legte er vor. Er ist kurzatmig und benutzt einen Inhalator. Weil er ein verringertes Lungenvolumen hat, könnten die Testergebnisse fehlerhaft gewesen sein, glaubt er. Sowohl beim Blasen neben dem Streifenwagen als auch auf dem Polizeirevier hatte er mehrere Versuche gebraucht, bis ein verwertbares Ergebnis zustande kam. Der 58-Jährige zweifelte auch an der Kompetenz der Polizistinnen, sie hätten zumindest im Umgang mit dem Gerät in Münsingen unsicher gewirkt.
Den Eindruck machte die als Zeugin geladene Beamtin nicht. Auf dem eingesetzten Gerät ist sie geschult, die Tests sind Routine. Auch Richter Joachim Stahl meinte: »Am Gerät kann man nicht rummachen.« Vielleicht hatte aber die Lungenkrankheit Auswirkungen auf die Resultate, glauben zumindest der Beschuldigte und sein Verteidiger Martin Bott. Auf seinen Führerschein wollte der Mann auf keinen Fall verzichten und schlug dafür eine höhere Geldbuße vor. »Das mache ich bei Trunkenheitsdelikten nicht«, lehnte Richter Stahl das Angebot ab.
Im Gerichtssaal
Richter: Joachim Stahl. Verteidiger: Martin Bott
Nun soll ein Gutachter entscheiden, ob die Lungenschwäche die Testergebnisse so stark verfälschen konnte, dass der Mann aus dem Schneider ist. Viel Mut machte ihm der Richter dabei nicht, ein kurzer Blick in die Akten in einer Verhandlungspause habe ergeben, dass solche Abweichungen nur gering sein dürften. Falls der Gutachter die Meinung des Richters bestätigt, müsste der Alkoholsünder auch noch dessen Kosten übernehmen, darauf wies ihn Stahl ausdrücklich hin. Das Risiko ging der Beschuldigte allerdings ein. »Das Ergebnis kann einfach nicht stimmen«, beteuerte er. Der Termin für die zweite Verhandlung steht noch nicht fest. (GEA)