TROCHTELFINGEN-MÄGERKINGEN. Die AfD hatte zum »Bürgerdialog« in die Mägerkinger Festhalle eingeladen, dagegen regte sich Widerstand. Nicht weit von der Halle sammelten sich Gegner der Rechtspartei. AfD-Anhänger und Gegendemonstranten hielten sich in etwa die Waage. Die AfD dürfte die angemeldeten 200 Besucher erreicht haben, auf dem Mägerkinger Dorfplatz kamen die Veranstalter ebenfalls auf rund 200 Aktivisten, die Polizei ging von etwa 150 aus. Gegen die rechte Veranstaltung hatte sich ein breites Bürgerbündnis eingefunden. Vertreter der Gemeinderäte von Trochtelfingen und der anliegenden Gemeinden nebst den Bürgermeistern Katja Fischer (Trochtelfingen) und Mario Storz (Engstingen) waren ebenso vor Ort wie Vertreter der Kirchen, Vereine und Verbände.
200 Gegendemonstranten
Peter Miny, einer der Organisatoren vom Bündnis »Bürger für Demokratie und Vielfalt – gegen Ausgrenzung und Hetze«. ist, wie auch die anderen Redner, positiv überrascht vom Zuspruch der recht spontan entstandenen Veranstaltung, eher negativ von der Präsenz der AfD im »beschaulichen Mägerkingen«: »Seid wachsam, aber ich sehe, ihr seid bereit.«
Den Zusammenhalt der demokratischen Parteien lobt auch Cindy Holmberg. Der Gegner befinde sich außerhalb des demokratischen Lagers. »Wir erleben es bei jeder Debatte im Landtag«, sagt die Landtagsabgeordnete der Grünen, »es endet immer in Hetze, Hass, Verachtung und Häme«.
Für die Freiheit müsse man kämpfen, sagt Bernd Hummel, Trochtelfinger CDU-Gemeinderat, auch wenn er nicht damit gerechnet habe, »dass wir noch einmal gegen rechts dafür einstehen müssen«. Und auch wenn’s von der Kopfzahl her in Mägerkingen nicht ganz gereicht hat: »Die Mehrheit sind wir, nicht die in der Halle.« »Nie wieder ist jetzt und heute«, sagt Hummel, aber auch Pfarrerin Bärbel Dangel, die für die evangelische Verbundkirchengemeinde Gammertingen-Trochtelfingen spricht. Die Trägheit des Herzens sei eine der sieben Todsünden. Eine Partei, die in weiten Kreisen gesichert rechtsextremistisch sei, stehe den Werten der Kirche – Mitgefühl, Gleichheit, Offenheit – diametral gegenüber.
Trochtelfingens Bürgermeisterin Katja Fischer spricht in ihrer Gemeinde diesmal für die SPD. »Wer gewählt ist, ist nicht automatisch Demokrat«, sagt sie und warnte Protestwähler, die vielleicht nicht alles gut finden, was die AfD vertritt: »Wer rechts wählt, wird das ganze Paket bekommen.« Wegen der zahlreichen Teilnehmer gibt es noch Klärungsbedarf mit der ebenfalls kopfstark auftretenden Polizei: Nach der Kundgebung auf dem Dorfplatz darf die Gruppe schließlich doch noch zur Mägerkinger Festhalle marschieren, um dort Präsenz zu zeigen. Die Demonstranten stehen mit ihren Regenschirmen und Transparenten noch eine Weile auf dem Parkplatz vor der Mägerkinger Halle – vis à vis mit denen, die noch schnell eine rauchen wollen, bevor’s los geht. Drinnen gibt’s Würstchen und Getränke, dumpfe Technobässe unterlegen wummernd das immer lauter werdende Stimmengewirr derer, die auf die drei Hauptredner des Abends warten: die AfD-Bundestagsabgeordneten Marc Bernhard (er hat die ersten acht Lebensjahre in Großengstingen verbracht) und Markus Frohnmaier sowie Joachim Steyer, der für die Blauen im Landtag sitzt.
Gruß an den Verfassungsschutz
Auf einem Tisch am Ende der Halle liegen Prospekte und Werbegeschenke. Letztere gehen besser als die Broschüren. Die Flaschenöffner sind schon weg, bevor die Veranstaltung los geht, von den Meterstäben mit »Made in Germany«-Aufschrift in Großbuchstaben sind auch nicht mehr viele da. Die Liste, auf der man seine E-Mail-Adresse für den Newsletter hinterlassen kann, füllt sich. Ebenso die Reihen, in denen überwiegend Männer aller Altersklassen Platz nehmen. Aber auch einige Paare sind dabei. Helfer stellen weitere Stühle auf, gut 200 Leute sind im Saal.
Die Organisatoren des »Bürgerdialogs« artikulieren ihre Freude übers volle Haus und darüber, dass die Plakate im Vorfeld nicht abgerissen worden seien: »Das zeigt uns, dass wir hier oben richtig sind.« Hier oben heißt: auf der Alb. Die AfD weiß, wie man um Sympathien buhlt. Rhetorisch geht’s so weiter und direkt ans Eingemachte. Die Gäste werden dafür gelobt, »die rote Brut links liegen gelassen« zu haben. MdL Joachim Steyer reitet die Welle weiter, politisch bleibt der Burladinger, der seinen Auftritt als »Heimspiel« bezeichnet, erstmal auf lokaler Ebene und spart nicht an Polemik. Katja Fischer, die Bürgermeisterin von Trochtelfingen, bezeichnet er als Vertreterin der »Spezialdemokraten« und fordert nach einem kurzen Pseudo-Exkurs zur Alb-Frühgeschichte »keltisch-alemannischen Widerspruchsgeist«. Dann gibt’s noch einen Gruß an den Verfassungsschutz, der ja mit Sicherheit auch hier sei.
Steyer spricht schnell und impulsiv, er weiß, mit welchen Pointen man die Leute kriegt. Annalena Baerbock als »sprachlichen Verkehrsunfall auf zwei Beinen« und die Grünen als »die gefährlichste Partei, die Deutschland jemals hatte«, zu bezeichnen, funktioniert. Applaus. Auch die Arbeitsunwilligen, die sich in der »sozialen Hängematte« ausruhen, Menschen, die jedes Jahr ihr Geschlecht wechseln und auf Tamponspender in der Männertoilette wert legen, sind Feindbilder, mit denen man die Solidarität der Unzufriedenen offenbar gewinnt. Zustimmendes Nicken, Murmeln, noch mehr Beifall.
»Früher war nicht alles besser, aber unkomplizierter«, sagt Steyer. »Ich wünsche mir die Normalität von früher zurück.« Die Sehnsucht nach der neuen deutschen Einfachheit ist offenbar eine, die viele in der Halle teilen. Coronamaßnahmen, Klimawandel, Rentenpolitik, der Umgang mit Migranten, die angeblich vom Staat gesteuerten Medien: Das sind die Themen, mit denen die AfD an diesem Abend auf Stimmenfang geht. (GEA)