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Aktuell Welthundetag

Adoption von Fundhunden: Was man beachten muss

Soll man sich einen Fundhund aus dem Süden antun? Erfahrungen aus erster Hand und Expertenwissen

Das Tierschutzzentrum in Pfullingen kümmert sich um Hunde aus Rumänien.  FOTO: TIERSCHUTZZENTRUM
Das Tierschutzzentrum in Pfullingen kümmert sich um Hunde aus Rumänien. FOTO: TIERSCHUTZZENTRUM
Das Tierschutzzentrum in Pfullingen kümmert sich um Hunde aus Rumänien. FOTO: TIERSCHUTZZENTRUM

MÜNSINGEN. Heute ist Welthundetag, gefeiert wird die jahrtausendealte, einzigartige Beziehung zwischen Mensch und Wolfsnachfahren – der GEA beleuchtet die Affäre in der Serie »Bunte Hunde«. Für die Erfolgsgeschichte gibt es diverse Erklärungen: der Hund hilft bei der Jagd, verteidigt Höhle und Hof, ist Hüte- und medizinischer oder modischer Begleithund.

Aber meistens ist der beste Freund ja einfach nur da. Wer sich nicht gezielt für einen Rassehund mit klar definierten angezüchteten Eigenschaften entscheidet und den Weg zum Gebrauchthund aus dem Tierheim wählt, sucht nicht Leistung, sondern einen Begleiter. Dabei kann man einiges erleben.

Wenn der Hund durchs offene Fenster im ersten Stock aufs Vordach springt und abhaut, ist das auch für erfahrene Halter eine überraschende Erfahrung. Auch wenn schon zwei weitjagende, nicht ganz einfache Jagdhunde geführt wurden.

»Den Zwinger öffnen für die Kumpels gehört zum Repertoire«

Zwei Jahre nach dem die Bracke im stolzem Alter von uns gegangen war, war sich der Familienrat einig: Frei nach Loriot hieß es: »Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos«. Papa wurde überstimmt, er genoss es, nicht einen Vierbeiner mit einplanen zu müssen. Aber was soll’s, soll die Sippe halt machen, aber dann auch selbst und richtig und dem Familienunterhaupt seine Ruhe lassen.

Der Nachwuchs und die beste Ehefrau von allen entschieden also. Ein Welpe sollte es nicht werden, weil der am Anfang so viel Arbeit macht. Besser ein Fundhund, dass ist ja auch gleich eine gute Tat. Dass meine zweibeinigen Welpen keinen knuddeligen Welpen wollten, war überraschend, aber die Fridays-for-Future-Generation neigt konsequent auch beim Haustier zu Secondhand.

Und zur guten Tat. Die Tierheime sind voll, daneben gibt es zahlreiche mehr oder weniger professionell arbeitende Organisationen, die Hunde von weit her nach Deutschland bringen. Zu den seriösen Anlaufstellen gehört das Tierschutzzentrum Pfullingen. Es gehört zum bundesweit tätigen Bund gegen den Missbrauch von Tieren (BMT) und pflegt eine langjährige Kooperation mit einem Tierheim in Rumänien.

Foto: Steffen Wurster
Foto: Steffen Wurster

Von dort kommen Hunde nach Pfullingen und werden vermittelt. Vor allem wird aber vor Ort gearbeitet. »Das Tierheim in Rumänien hat mittlerweile deutschen Standard, das ist nachhaltiger Tierschutz«, sagt BMT-Geschäftsführerin Heidi Riekert, »wir wollen im Land was verändern.« Die meisten Hunde bleiben in der Heimat, es gibt aber auch in Deutschland Nachfrage. Riekert sieht das nicht kritisch, »die Hunde nehmen keinem anderen einen Platz weg«. Ob Rassewelpe, Tierheimhund oder ein Hund aus südlichen Gefilden: »Jeder hat das Recht, das selbst zu entscheiden.« Von einem rät sie allerdings dringend ab: Im Internet einen süßen Fratz bestellen. »Das sind die, die dann später im Heim landen.«

Unser Hund Lisa stammt aus Kreta, kam über einen Vermittlungsdienst erst nach Hessen und hat dann bei einem Paar in München vorläufigen Unterschlupf gefunden. Die zwei jungen Bundeswehr-Offiziere nehmen Tiere auf, wenn es sich mit dem Dienstplan vereinbaren lässt. Lisa ist ein Charmebolzen, ein bildhübscher noch dazu. Sie sieht aus wie ein maßstabsgerecht verkleinerter Deutscher Schäferhund, das ist schon mal nicht schlecht. Sie ist sehr freundlich, eigentlich zu jedem. Pragmatische Hunde, nennt das eine Kollegin: Wer schon durch ein paar Haushalte gereicht wurde, sucht keinen Streit mehr. Das ist schön, Hundetreue wie aus dem Bilderbuch sieht aber anders aus.

Lisa mag Kreuzfahrtfilme, gerne als Zeichentrick. Wahrscheinlich wecken sie Erinnerungen ans Mittelmeer.
Lisa mag Kreuzfahrtfilme, gerne als Zeichentrick. Wahrscheinlich wecken sie Erinnerungen ans Mittelmeer. Foto: Steffen Wurster
Lisa mag Kreuzfahrtfilme, gerne als Zeichentrick. Wahrscheinlich wecken sie Erinnerungen ans Mittelmeer.
Foto: Steffen Wurster

Der schwanzwedelnde Hund an der Tür, wenn Herrchen nach Hause kommt? Fehlanzeige, solange ihr irgendjemand das Ohr krault, ist sie damit zufrieden. Mittlerweile sieht es ein bisschen anders aus, was vor allem daran liegt, dass sich außer beim Autor und Tochter Nummer drei die Begeisterung ein bisschen gelegt hat. Das Vieh macht nämlich Arbeit. Die Wunschvorstellung, dass der Hund beim Joggen, Reiten oder Radfahren glücklich nebenher läuft, hat sich zerschlagen. Ohne Leine oder bei offener Tür – mittlerweile nicht mehr durchs Fenster – ist Lisa sofort auf der Flucht beziehungsweise auf der Jagd und kommt nicht wieder.

Vielmehr: Sie lässt sich von jedem oder besser jeder Dahergelaufenen einsammeln, nur nicht von der Familie. Vielleicht hat sie im vorigen Leben richtig Ärger bekommen, wenn sie von einem längeren Ausflug zurückkam. Im Dorf ist das misstrauische »Von Männern lässt sie sich nicht anfassen« auf jeden Fall ganz schön peinlich: Der Verdacht des Hundeschänders wabert durch den Raum.

»Alle Kreter sind Lügner, auch kretische Fundhunde«

Die Rumänen kommen oft schon im Alter von sechs Monaten plus x als junge Hunde nach Pfullingen, erzählt Riekert. Trotz-dem können die jungen Hunde schon Verhaltensweisen mitbringen, die ein selbst aufgezogener Welpe so nicht zeigt. Angst vor Männern und Tarnklamotten zum Beispiel, in Rumänien gibt es noch Hundefänger. Und »ausbüxen gehört zum Repertoire, Hochspringen, sogar den Zwinger öffnen für die Kumpels auf der anderen Seite des Zauns«, erzählt Riekert.

»Hundehalter müssen sich darüber im Klaren sein, dass jedes Tier, vor allem ein Hund mit unbekanntem Lebenslauf, viel Zeit und Mühe beansprucht«, sagt Riekert. Frische Luft allein genüge nicht, Tiere mit Straßenschläue wollen auch geistig beschäftigt werden.

Der Hund auf dem heißen Blechdach – das kann man mit Fundtieren schon mal erleben. FOTOS: WURSTER
Der Hund auf dem heißen Blechdach – das kann man mit Fundtieren schon mal erleben. FOTOS: WURSTER
Der Hund auf dem heißen Blechdach – das kann man mit Fundtieren schon mal erleben. FOTOS: WURSTER

»Spazierengehen macht sie nur fitter«, meint auch Hundetrainerin Hanna Genal vom Dog Team Alb in Mehrstetten. Sie setzt auf vielfältige Beschäftigung vom Schnüffelseminar bis zu zum Hundekurs 4.0 mit vielen Übungen im Freien. Besonders Nasenarbeit schlaucht die Vierbeiner und vertieft den Kontakt zum Hundeführer. Die Zeit – und das Geld – für die Hundeschule sollte man einplanen: »Die Hunde sind anspruchsvoller geworden«, schmunzelt Riekert. Lisa hat gefühlt schon mehr Semester Hundeschule hinter sich gebracht, als weiland die Taxi fahrenden Soziologiestudenten. Sie kann so ziemlich alles, sie findet den Schlüsselbund, musiziert mit einem rosaroten Quietschegummischwein und macht brav die albernsten Kunststücke. Seit ein paar Wochen kann sie sogar Türen öffnen – zumindest Zimmertüren, an der Haustür übt sie noch. Und dass hat ihr ganz bestimmt keiner beigebracht, das ist pure KI, Kanide Intelligenz.

Falls es mit dem Hund gar nicht klappt, braucht man einen Plan B, und den gibt es in Pfullingen. »Das Tier darf immer zu uns zurück«, betont Heidi Riekert, »es ist im Notfall für die Tiere gesorgt.« Aber soweit soll es möglichst nicht kommen. Ob Hund und Mensch zusammenpassen, wird vorher ausprobiert, »bei uns gibt es keine Tiere auf Bestellung.« Vielleicht hätte ich Lisa ja zurückgegeben, mit einem Hund an der Leine komme ich mir bescheuert vor.

TIERSCHUTZZENTRUM

Mehr Informationen über das Tierschutzzentrum Pfullingen findet man auf der Webseite des Tierheims. Wer unterstützen will, hat die Möglichkeit, Mitglied zu werden, mit Geld- oder Sachspenden zu helfen, eine Patenschaften zu übernehmen oder ehrenamtlich mitzuarbeiten. (GEA) www.tierheim-pfullingen.de

Fit durch Spaziergang oder nicht, die Viecher brauchen ihren Auslauf. Mittlerweile haben Lisa und ich ein Arrangement getroffen, das man keinem ernsthaften Hundehalter erzählen sollte. An immer derselben gott-, spaziergänger- und rehwildverlassenen Ecke lasse ich den Hund los und drehe eine dreiviertel Stunde einsam meine Runde. Manchmal sehe ich Lisa die ganze Zeit nicht, wir treffen uns aber zuverlässig am Auto wieder, der Hund hechelnd aber glücklich.

Wobei mich bei der mittlerweile vorübergegangenen, mediterranen Bullenhitze ab und an der Verdacht beschlich, dass die Kreterin sich flux unter die nächsten Büsche legte und das ganze Gehechel nur Schau war. Lisa ist schlau und wie schon Epimenides, der Kreter, wusste: »Alle Kreter sind Lügner.« Oder eben nicht. (GEA)