MÜNSINGEN. Münsingen und Chiang Mai haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Doch die Welt ist manchmal überraschend klein, wie die Münsingerin Petra Neth im des Lächelns erfuhr. »Münsingen 2h 15 min«, prangt auf einem Wegweiser am Rande der Großstadtmetropole Chiang Mai, der größten Stadt in Nordthailand. Petra Neth, die in Chiang Mai eine Ausbildung im Bereich verschiedenster Thai-Massagen machte, staunte nicht schlecht, als sie das Schild entdeckte. Die Münsingerin, die am Kirchplatz ein Naturkosmetikstudio betreibt, konnte das Schild natürlich nicht einfach ignorieren, sondern begab sich an ihrem freien Wochenende neugierig auf Spurensuche.
Rund 8.500 Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem schwäbischen Münsingen und Chiang Mai in Thailand. Aber: Das Münsingen im Lesebezirk des Reutlinger General-Anzeigers ist eben nicht das einzige Münsingen auf dem schönen Planeten Erde. Die meisten Münsinger der Schwäbischen Alb wissen, dass es noch ein Münsingen in der Schweiz gibt. Und genau dorthin führte die Spur der Älblerin. Ins Dorf der Vergesslichen. Ein Dorf, für Demenzpatienten aus Europa. Aufgebaut von Martin Woodtli, einem Münsinger aus der Schweiz.
»Es war ein richtig netter Besuch«
Der Münsinger und die Münsingerin verstanden sich auf Anhieb, was sicherlich auch an der faszinierenden Geschichte rund um den Wegweiser lag. »Das war ein richtig netter Besuch«, verrät Petra Neth, als sie von der Begegnung mit Woodtli erzählt.
Alt werden und dabei sowohl geistig als auch körperlich gesund zu bleiben, gelingt vielen nicht. Können die eigenen Angehörigen dann ihre Zeit aus den verschiedensten Gründen nicht voll und ganz für ihre pflegebedürftigen Angehörigen opfern, bleibt meist nur das Pflegeheim, in welchen sich nicht selten, wie an vielen anderen Stellen auch, der Fachkräftemangel zum Leid der Bewohner und auch deren Angehörigen bemerkbar macht.
Der Schweizer Martin Woodtli kümmerte sich um seine an Alzheimer erkrankte Mutter, nachdem sein Vater den Freitod gewählt hatte. Er krempelte sein Leben um, stieg aus seinem Berufsleben aus, zog zu seiner Mutter und erinnerte sich neben der Betreuung seiner Mama an seine Arbeit in Thailand, wo er einige Jahre als Sozialarbeiter gearbeitet hat.
Neun Monate nach seinem Wiedereinzug ins Elternhaus, wagte er dann ein Experiment. Er flog mit seiner Mutter nach Thailand, um mit ihr gemeinsam im Land des Lächelns zu leben. Neth erzählt, dass sie von Woodtli erfuhr, dass seine Mutter nicht wirklich wusste, wo sie war, sondern sich einfach wohl fühlte. »Münsingen ist in Thailand«, mit diesen Worten habe die Mutter den Ortswechsel kommentiert.
»Die Welt ist manchmal kleiner als wir denken«
So entstand das »Dorf« Baan Kamlangchay, in welchem jetzt bis zu 14 an Alzheimer erkrankte Europäer rund um die Uhr an sieben Tage in der Woche von jeweils drei persönlichen Betreuerinnen liebevoll umsorgt werden.
Neth war fasziniert von dem kleinen, behüteten Ort am Rande der thailändischen Großstadtmetropole. »Ein wunderschöner Ort«, sagt sie, der ihr einmal mehr demonstrierte, dass zufällige Entdeckungen zu inspirierenden Begegnungen führen können, die deutlich machen, »dass die Welt manchmal kleiner ist, als wir denken«.
Übrigens: Der Wegweiser, der überhaupt zur Begegnung zwischen den beiden Münsingern geführt hat, steht mitten in Baan Kamlangchay, um den Münsingern in der Anlage ein Stück Heimatgefühl zu schenken. (GEA)