SONNENBÜHL/BERLIN. Seit 28 Jahren ist Rüdiger Herrmann schon gewähltes Mitglied in der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung. Geboren wurde der heute 63-Jährige in Genkingen, seit 35 Jahren wohnt er in Erpfingen. Nach Berlin umziehen wollte er nie: »Ich bleibe meiner schönen Schwäbischen Alb treu«, verspricht der gelernte Sozialversicherungsfachangestellte, der seinen Beruf bei der DAK gelernt und bis 2017 in verschiedenen Positionen ausgeübt hat. Zuletzt war er Vertriebsleiter für Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Seine Heimat will er nicht verlassen – auch, weil er seit fast 20 Jahren Vorsitzender der Nachbarschaftshilfe Sonnenbühl ist. Doch damit nicht genug der freiwilligen Tätigkeiten: 16 Jahre lang war er ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht in Reutlingen. Seit 2017 ist Herrmann ehrenamtlicher Vorsitzende der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund, also des Parlaments dieser Versicherung. »Hier werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen«, erläutert Rüdiger Herrmann. Seine Aufgaben in diesem Parlament? »Die wichtigste Aufgabe ist die, den zweitgrößten Haushalt in der Bundesrepublik, nach dem Bundeshaushalt, zu verabschieden.« 165 Milliarden Euro habe dieser Rentenhaushalt im vergangenen Jahr umfasst.
»Ich verstehe meine Aufgabe als Anwalt der Versicherten«
Auch Personalentscheidungen, etwa über die bundesweit 770 Mitglieder der »Widerspruchsausschüsse« sowie über die 2 400 ehrenamtlichen Versichertenberaterinnen und -berater, sind zu treffen. »Wohnortnah können sich die Versicherten bei ihnen über Rente, Reha oder Kontenklärung aufklären lassen«, erläutert Herrmann. Seine eigene Position als Vorsitzender der Vertreterversammlung bewertet der Erpfinger so: »Ich verstehe meine ehrenamtliche Arbeit in der Selbstverwaltung in erster Linie als Anwalt der Versicherten, deren Stimme ich vertrete.« Er sehe sich als »Bindeglied zwischen dem Rentenversicherungsträger und den Beitragszahlern, den Versicherten und Arbeitgebern«.
Als Praxisbeispiel für das gut funktionierende System führt der Sonnenbühler das der Rehabilitation an: »Der Stand in der Reha bezüglich Qualität und Standards sucht weltweit seinesgleichen.« Der Vorteil der selbstverwalteten Sozialversicherung? »Sie reagiert schneller, flexibler und individueller als der Staat dies allein könnte«, ist Herrmann überzeugt. »Als Vorsitzender der Vertreterversammlung bin ich oft erster Ansprechpartner für die Belange der Versicherten, hier kann ich mein umfangreiches sozialversicherungsrechtliches Wissen aus über zwei Jahrzehnten in der Selbstverwaltung und vier Jahrzehnten in der Kranken- und Pflegeversicherung gut einbringen«, betont der 63-Jährige.
Die Beteiligung an den »relativ unbekannten« Sozialwahlen zu diesem Parlament sei mit rund 30 Prozent Wahlbeteiligung alle sechs Jahre »nicht wenig, hat aber deutlich Luft nach oben«, so Herrmann. Viele in der Bevölkerung wüssten nicht, was überhaupt gewählt wird und welche Bedeutung die Wahl hat. »Es fehlt an Grundwissen über die Soziale Sicherung in Deutschland«, kritisiert Rüdiger Herrmann. Aber: »In einer Informationskampagne klären wir die Menschen über die Sozialwahl auf.« Viele Informationen über die Sozialwahlen seien heute auch über die sozialen Medien abrufbar, »junge Menschen erreichen wir über Influencer«.
»Wer Beiträge bezahlt, soll auch eine entsprechende Alterssicherung erhalten«
Die Vertreterversammlung beschließe den Haushalt der Rentenversicherung – allerdings wurde der zuvor von der Verwaltung und dem Vorstand aufgestellt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüfe den Haushalt danach noch, »in 25 Jahren habe ich aber noch nie erlebt, dass da was beanstandet wurde«, sagt Herrmann schmunzelnd. Den Generationenvertrag zur Finanzierung der Renten sieht er im Übrigen nicht in Gefahr – trotz des demografischen Wandels: Die Beiträge zu den Renten kommen aus den Rentenversicherungsbeiträgen der Beschäftigten sowie der Arbeitgeber (75 Prozent), ergänzt werden sie über Steuermittel (25 Prozent).
Wäre eine andere Finanzierung sinnvoll? Rüdiger Herrmann antwortet mit einem vehementen: "Nein." Arbeit müsse sich auch weiterhin lohnen, »Wer Beiträge bezahlt, soll auch eine entsprechende Alterssicherung erhalten«. Der Generationenvertrag habe sich stets als sicher erwiesen, auch in Krisensituationen. Aber: "Jeder muss für sich neben der Säule der gesetzlichen Altersversicherung eigenständig weitere Vorsorge treffen, wenn er im Alter seinen Lebensstandard halten will." Einer Einheits- oder Grundrente erteilt der Erpfinger eine glatte Abfuhr. "Dass sich die Rentenhöhe an dem orientiert, was ich eingezahlt habe, halte ich für richtig", so Herrmann. Deutliche Worte findet er gegen den Billiglohnsektor: "Minijobs führen zu niedrigen Renten – Grundlage für eine auskömmliche Rente ist eine ausreichende Entlohnung", betont Rüdiger Herrmann, der bei der Sozialwahl, die noch bis zum 31. Mai läuft, erneut kandidiert. (GEA)
Seite 4