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Wie aktuell ist Wilhelm Hauffs Märchen »Das kalte Herz«: Gespräch in Honau

Es geht um Umweltzerstörung sowie menschliche Gier und Irrtümer: Überraschend aktuell ist das vor 100 Jahren entstandene Märchen »Das kalte Herz« von Wilhelm Hauff. Bei der vorletzten Veranstaltung des Hauff-Museums Honau in dieser Saison stellte Leiterin Jutta Kraak am Samstag zwei besondere Gäste vor. Augusto Paim aus Brasilien hatte das Märchen ins Portugiesische übertragen, Sascha Hommer aus Hamburg war mit der projektierten Comicversion der Geschichte unter den Finalisten der Berthold-Leibinger-Stiftung. Beide erzählten von ihrer Arbeit und kamen mit den Gästen ins Gespräch.

Augusto Paim (links) und Sascha Hommer setzten sich mit Hauffs Märchen »Das kalte Herz« auseinander.
Augusto Paim (links) und Sascha Hommer setzten sich mit Hauffs Märchen »Das kalte Herz« auseinander. Foto: Gabriele Böhm
Augusto Paim (links) und Sascha Hommer setzten sich mit Hauffs Märchen »Das kalte Herz« auseinander.
Foto: Gabriele Böhm

LICHTENSTEIN. Paim, der acht Jahre in Deutschland gelebt hatte, besuchte auf Recherchereise für seine Übersetzung die Hauff-Museen in Honau, Schloss Neuenbürg und Baiersbronn. Im nächsten Jahr soll sein Buch erscheinen. Entdeckt hatte die Geschichte in Brasilien in der deutschen Ausgabe und sich gewünscht, dass sie auch auf Portugiesisch gelesen werden könne. Als Übersetzer müsse er darauf achten, dass bei der Übertragung aus einem ganz anderen Kulturkreis das besondere Flair der Geschichte mit transportiert werde und auch die Akteure passende Namen erhielten.

Sascha Hommer ist in Titisee-Neustadt aufgewachsen. »Ich fühle mich im Schwarzwald zuhause und kam schon als Kind mit dem Märchen und seiner Verfilmung in Berührung«, erzählte er. Hommer hatte zehn Jahre lang das Comic-Magazin, eine Anthologie von gezeichneten Kurzgeschichten zu bestimmten Themen, herausgegeben, war Mitorganisator des Comic Festivals Hamburg und schrieb zahlreiche Comicbücher.

Sascha Hommer hat das Märchen »Das kalte Herz« in einen Comic übertragen.
Sascha Hommer hat das Märchen »Das kalte Herz« in einen Comic übertragen. Foto: Gabriele Böhm
Sascha Hommer hat das Märchen »Das kalte Herz« in einen Comic übertragen.
Foto: Gabriele Böhm

Jetzt das »Kalte Herz« als Comic zu präsentieren, sei ein regelrechtes Herzensprojekt. Im bettelarmen Köhlerjungen Peter Munk, der mit seinem Schicksal hadert und sich vom bösen Holländermichel dazu verleiten lässt, seine Gefühle auszuschalten, um schnell zu Reichtum und Gewinn zu kommen, erkenne er sich selbst in früheren Zeiten wieder. Auch er sei sehr ehrgeizig gewesen. Durch seine Familie habe er gelernt, wie wichtig fühlen sei. Das Comicgenre habe längst seine Fans auch bei Erwachsenen. Historische Abläufe oder ganze Reportagen würden in gezeichnete Bilder umgesetzt.

Die Zuhörer erfuhren auch, was es bei der Übertragung eines Textes in das Comicformat zu beachten gilt. Damit die Zeichnungen authentisch sind, hat Hommer zunächst intensive Recherchen zu Kleidung, Mobiliar oder Berufen im 19. Jahrhundert angestellt. Danach müssen man auswählen, welche Szenen gezeigt werden sollen, um die Geschichte flüssig zu erzählen." Dazu entsteht zunächst das Storyboard mit Skizzen, die weiter verfeinert werden. Auf den PC übertragen, werden dort die fertigen Zeichnungen koloriert. Ebenfalls deutlich werden müsse der "leise Spott" Hauffs für Peter Munk. Allerdings hat der Zeichner das Märchen ein wenig an moderne Zeiten angepasst. Bei ihm ist beispielsweise das Glasmännlein ein Glasweiblein, um Frauen im Buch mehr Aktionsmöglichkeiten zu bieten.

»Ganz Amsterdam steht auf Schwarzwälder Tannen«

Erstaunlich fanden Hommer wie Paim, dass Hauff, der seinen Cousin im Schwarzwald besuchte, die dortige Umweltzerstörung sehr deutlich wahrnahm und thematisierte. Von 1750 bis 1850 sei, so Jutta Kraak, der Baumbestand komplett abgeholzt und nach Holland transportiert worden. Den Reibach machten Flößer und vor allem Händler. »Ganz Amsterdam steht auf Schwarzwälder Tannen. Doch vor Ort gab es kaum noch Holz zum Heizen oder für die Glashütten.« Man fing an, schnellwachsende Fichten in Monokultur anzubauen, die anfällig ist für Schädlinge und die die Böden einseitig auslaugt. Das Märchen »Das Kalte Herz« mache auch deutlich, so Hommer, dass man Ethik entwickeln müsse, um mit Kapital umzugehen.

Noch eine letzte Veranstaltung wird es dieses Jahr geben. Sie findet im Evangelischen Gemeindehaus Honau, Olgahöhle 11, am 7. November 2023 von 14:00 – 16:30 Uhr statt. Die Märchenlesung »Das kalte Herz« mit Regina Gokenbach im Rahmen des »Tortentags« richtet sich vor allem an Seniorinnen und Senioren, doch ist jeder Gast willkommen. Die Veranstaltung in Kooperation mit dem Ortsseniorenrat Lichtenstein läuft auf Spendenbasis. Um Anmeldung bis zum 03.11. 2023 wird gebeten. (Gabi Frank Tel. 07129 4 07 96 48)