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Aktuell Busverkehr

Was ist Gehbehinderten und Eltern mit Kinderwagen in Pfullingen zumutbar?

Fünf weitere Bushaltestellen lässt die Stadt Pfullingen barrierefrei umbauen. Zwei folgen eventuell später, je nachdem, wie das Ganze mit der Regionalbahn zusammenpasst. Mit vier Millionen Euro ist der Umbau nicht billig. Die Räte debattierten Rechte und Nöte der Nutzer.

Die Bushaltestelle  Ahlsteige/Schönbergstraße in Pfullingen gehört zu fünf Haltestellen, die nun barrierefrei ausgebaut werden.
Die Bushaltestelle Ahlsteige/Schönbergstraße in Pfullingen gehört zu fünf Haltestellen, die nun barrierefrei ausgebaut werden. Foto: Dieter Reisner
Die Bushaltestelle Ahlsteige/Schönbergstraße in Pfullingen gehört zu fünf Haltestellen, die nun barrierefrei ausgebaut werden.
Foto: Dieter Reisner

PFULLINGEN. Gesellschaft und Politik fordern, den Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) barrierefrei zu gestalten. Die Stadt Pfullingen hat bereits gehandelt und seit 2021 elf Bushaltestellen entsprechend ausgebaut. Seit Ende 2022 hat die Stadtverwaltung die Zusage des Regierungspräsidiums Tübingen, dass sie für 14 von 24 noch nicht barrierefreien Haltestellen Zuschüsse für den Umbau bekommt. Ziel ist es, die bestehenden Busstopps mit speziellen Bordsteinkanten auszustatten, damit die dort verkehrenden Gelenkbusse näher heranfahren können, um Rampen für Rollstuhl- und Rollatorfahrer sowie Menschen mit Kinderwagen auszuklappen. Die zunächst für den Umbau vorgesehenen Bushaltestellen entlang der Markt-, Großen Heer- und Klosterstraße lässt man jedoch, wie sie sind, da sie in naher Zukunft dank der geplanten Regionalstadtbahn ohnehin wegfallen könnten.

Von den geplanten 14 barrierefreien Busstopps in spe bleiben nun noch fünf: Jener an der Ahlsteige soll zum Buskap umgebaut werden; die Haltestellen Ahlsteige/Schönbergstraße sowie an der Römerstraße auf Höhe Bismarckstraße, Daimlerstraße und Porschestraße jeweils zu barrierefreien Busbuchten. Zwei weitere sollen eventuell später folgen - ein Buskap an der Sandstraße/Im Käppele und eine Busbucht an der Römer-/Griesstraße wurden ebenfalls zurückgestellt, bis das neue Mobilitätskonzept abgeschlossen ist. Denn bislang könne man nicht sagen, »was sich durch die Regionalstadtbahn ergibt«, erklärt Sonja Seeger. Die Leiterin des Fachbereichs 5, Infrastruktur und Stadtwerke, im Rathaus hat das Vorhaben in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats vorgestellt.

Was ist ein Buskap?

Das "Haltestellenkap" ist laut Wikipedia "eine Haltestelle für öffentliche Verkehrsmittel, deren Rand bis an den durchgehenden Fahrstreifen des Straßenverkehrs beziehungsweise an den Verkehrsraum der Straßenbahn vorgezogen ist". In seiner Broschüre zur "Busbeschleunigung" im Land erklärt das baden-württembergische Verkehrsministerium, "Busse können entweder auf der Fahrbahn (Buskap beziehungsweise Haltestelle am Fahrbahnrand) oder in einer Busbucht im Seitenraum halten". Das Ministerium betont, beim Thema "Buskap versus Busbucht" sei das Buskap "aus Sicht einer zügigen Fahrt zu bevorzugen": Denn "der Bus kann das Buskap anfahren und muss beim Ausfahren nicht in den fließenden Kfz-Verkehr einfädeln". Und: "Durch die einfache Anfahrt kann das Spaltmaß zwischen Bus und Bordstein sehr gering gehalten werden, sodass ein schneller Fahrgastwechsel möglich ist – insbesondere auch für mobilitätseingeschränkte Personen." Außerdem gebe es dort "weniger Störungen durch ordnungswidrig parkende Fahrzeuge. Nicht zuletzt setze der Bus seine Reise "nach dem Halt als Pulkführender vor den sonstigen Kfz fort" und könne damit störungsfrei fahren. Dem Kfz-Verkehr werde so die Bevorrechtigung des ÖPNV verdeutlicht. Auch im Hinblick auf den geringeren Flächenverbrauch, größere Warteflächen und einen einfacheren Winterdienst sei das Buskap der Busbucht überlegen. "Entsprechend lohnt es sich im Rahmen eines Neubaus, aber auch im Zuge von Umbaumaßnahmen für die in der ÖPNV-Strategie 2030 angestrebte Attraktivitätssteigerung von Haltestellen, das Buskap zu bevorzugen." Dennoch seien Busbuchten in seltenen Fällen das Mittel der Wahl. Wenn es zum Beispiel "an Endhaltestellen aufgrund von Pausenzeiten zu sehr hohen Standzeiten kommt". (dia)

Gute Nachrichten also nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern auch für alle Rollator-Nutzer und Menschen, die einen Kinderwagen schieben? Nicht ganz. Schließlich sind viele Haltestellen für sie noch immer nicht barrierefrei zu nutzen. Und gerade mit Gehhilfe ist es umso schwieriger, bis zu einer weiter entfernten Haltestelle zu gelangen. Im Fall der zurückgestellten Haltestelle Römerstraße/Griesstraße ist der Stopp in der Gegenrichtung bereits barrierefrei, weshalb Fahrgäste dann dort zwar ohne Hindernis ein-, aber auf dem Rückweg nicht wieder aussteigen können. Diese Überlegungen führten zu einer lebhaften Debatte im Gemeinderat. Gert Klaiber, der Fraktionschef der CDU, nannte es zumutbar, dass »auch beeinträchtigte Fahrgäste an der Mitteltür stehen«, um in einen der Busse ein- oder von diesem auszusteigen. Damit müsste die Busbucht nicht auf ihrer gesamten Länge umgebaut werden - damit ließe sich im klammen Stadtsäckel Geld sparen.

Dieser Haltung widersprach Malin-Sophie Hagel vehement: »Zu Stoßzeiten braucht man alle drei Türen!« Die Rätin der Grün-Alternativen Liste (GAL) regte an, sich einfach mal vorzustellen, wie eine Mama mit Kinderwagen, die bei Schulschluss im Bus fährt, versucht, durch dicht gedrängt stehende Fahrgäste hindurch im Innern von der hinteren zur mittleren Tür zu gelangen. Nicht einmal mit einem Buggy könne man zur vorderen Tür einsteigen, und auch in solch einem Bus seien die Gänge selbst für diese schmaleren Kinderwagen schlicht zu eng. Die Ersparnis sieht sie »im vernachlässigbaren Bereich«.

Gute Nachrichten für Rollstuhlfahrer, Rollator-Nutzer und Menschen mit Kinderwagen? Nicht ganz, meint GAL-Rätin Malin-Sophie Hag
Gute Nachrichten für Rollstuhlfahrer, Rollator-Nutzer und Menschen mit Kinderwagen? Nicht ganz, meint GAL-Rätin Malin-Sophie Hagel. Denn die Gänge im Innern sind bei voller Auslastung zu eng. Foto: Dieter Reisner
Gute Nachrichten für Rollstuhlfahrer, Rollator-Nutzer und Menschen mit Kinderwagen? Nicht ganz, meint GAL-Rätin Malin-Sophie Hagel. Denn die Gänge im Innern sind bei voller Auslastung zu eng.
Foto: Dieter Reisner

Thomas Mürdter stimmte ihr zu: »Wir haben die Pflicht, das zu tun.« Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat zudem aber ein Problem damit, dass Seeger angekündigt hatte, für den Ausbau am Halt Ahlsteige/Schönsteige müsse eventuell ein Baum gefällt werden. Er sei dagegen, Stadtbäume umzusägen. Da führen dann zwar einerseits klimafreundlichere E-Busse, andererseits heize sich durch den Wegfall der schattenspendenden, CO2-speichernden Bäume der Stadtraum weiter auf. Außerdem: Die Linie werde schlecht genutzt, warum fahren da nicht kürzere Busse? Dann könnten die Bäume stehen bleiben, meint der Garten- und Landschaftsbauer.

»Die Bus-Linie hört ja nicht an der Stadtgrenze auf«, klärte ihn Dr. Antje Schöler auf. Auf der weiteren Fahrt werde die Kapazität wohl gebraucht. Das bestätigte Bürgermeister Stefan Wörner, insbesondere zu Schulbeginn- und -schlusszeiten benötige man die Gelenkbusse. Die GAL-Rätin betonte zudem: »Wir brauchen gerade wegen der Regionalstadtbahn eine gute Busverbindung!« Insbesondere auch den Ahlsberg hinauf.

Radständer an den Haltestellen kosten extra

Im Zuge des Mobilitätskonzepts habe man auch die Möglichkeit abgefragt, dort Radabstellplätze einzuplanen, erläuterte Sonja Seeger. Das hänge vom Platz ab. Bei den Umbauarbeiten soll nun jeweils überprüft werden, ob es möglich ist, dort Fahrradabstellplätze einzubauen. Falls ja, werden diese gleich installiert. Für deren Finanzierung sind im Doppelhaushalt 2024/25 rund 10.000 Euro vorgesehen.

Die übrigen Kosten für die Umbauarbeiten sollen sich auf gut vier Millionen Euro belaufen, wovon die Stadt rund 230.300 Euro trägt. Auch diese Summe ist im Etat gedeckt. Obgleich das Vorhaben die Kriterien nicht ganz erreiche, seien die Umbauarbeiten von den Förderbeträgen her so genehmigt. Bürgermeister Wörner sprach sich angesichts eines jüngst eingegangenen Antrags der CDU-Fraktion auf sparsame Haushaltsführung dafür aus, künftig einzelfallbezogen »nicht nach der billigsten, sondern nach der wirtschaftlich günstigsten Lösung« zu suchen. Dem Beschlussvorschlag hat das Gremium letztlich einmütig zugestimmt. Mit den weiteren Planungen wird das ortsansässige Ingenieurbüro Herrmann und Mang beauftragt. (GEA)