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Aktuell Selbstverteidigung

Warum sich zwei Pfullinger gegen Gewalt stark machen

Peter Datz und Uwe Beck vom Projekt N.E.I.N. Pfullingen zeigen den verschiedensten Menschen, wie sie sich in Gefahrensituationen selbst verteidigen können. Warum sie das machen und was ihnen dabei wichtig ist.

Die Trainer von N.E.I.N. Pfullingen zeigt unter anderem auch Rettungskräften, die in letzter Zeit immer häufiger Anfeindungen au
Die Trainer von N.E.I.N. Pfullingen zeigt unter anderem auch Rettungskräften, die in letzter Zeit immer häufiger Anfeindungen ausgesetzt sind, wie sie sich gegen Gewalt schützen können. Foto: N.E.I.N. Pfullingen
Die Trainer von N.E.I.N. Pfullingen zeigt unter anderem auch Rettungskräften, die in letzter Zeit immer häufiger Anfeindungen ausgesetzt sind, wie sie sich gegen Gewalt schützen können.
Foto: N.E.I.N. Pfullingen

PFULLINGEN. Jugendliche, die scheinbar aus dem Nichts Obdachlose erstechen, Unbekannte, die Rettungskräfte bei einem Einsatz angreifen, oder Kinder, die in der Schule andere Kinder mobben und heruntermachen: »Sie alle zeigen eins: Die Gewaltbereitschaft der Gesellschaft scheint heutzutage zu steigen«, sagt Peter Datz. »Ich finde es daher superwichtig, dass jeder Mensch verschiedene Mechanismen kennt, mit denen er sich selbst schützen und im schlimmsten Fall auch verteidigen kann.« Datz ist Inhaber des Projekts N.E.I.N. Pfullingen, bei dem sich alles rund um die Themen Gewaltprävention und Selbstverteidigung dreht. Warum er und sein Team sich dafür starkmachen und was ihnen dabei wichtig ist, verraten Datz und sein zweiter Trainer Uwe Beck im Gespräch mit dem GEA.

»Uns ist es vor allem wichtig, die Frage zu beantworten: Was kann ich tun, wenn ich verbal oder körperlich angegriffen werde?«, erklärt Uwe Beck. Dabei sind die beiden sich einig: Auch wenn Selbstverteidigung oft sehr körperlich ist, Gewalt ist nicht der erste Weg, um sich in einer Gefahrensituation zu behaupten. »Wenn, dann sollte ein Kampf der letzte Ausweg daraus sein«, sagt Datz. Das A und O für die beiden ist ganz klar die Gewaltprävention: »Im besten Fall kann die Situation noch im Keim erstickt und deeskalieren.« Ihr Wissen teilen sie in den verschiedensten Seminaren und Kursen. Sie gehen damit unter anderem in Schulen, zu Rettungskräften und bieten Trainingseinheiten speziell für Frauen an.

Jahrelange Kampfsport-Erfahrung

Die beiden kennen sich mit dem Thema Gewalt und Selbstschutz aus: Peter Datz ist Einsatztrainer bei der Landespolizei und sammelt seit 40 Jahren Erfahrungen in den verschiedensten Kampfsport-Techniken. »Bei der Polizei sehen wir beide Seiten: die der Täter und die der Opfer«, erklärt Datz. »Das hat mir über die Jahre gezeigt, wie die beiden Rollen so ticken.« Uwe Beck ist gelernter Gewaltpräventionspädagoge und bringt 30 Jahre Kampfsport-Erfahrung mit: »Ich habe oft mit Menschen zu tun, die ein sehr hohes Aggressionspotenzial haben, und kann sie dadurch besser einschätzen und auch in gewisser Weise verstehen, was sie gewalttätig werden lässt.« Die Erkenntnis daraus: Es sind meist Opfer, die selbst Gewalt erfahren haben, die das Potenzial dazu haben, irgendwann mal zu Tätern zu werden.

Peter Datz (links) und Uwe Beck ist es wichtig, den Menschen zu zeigen, dass Gewalt eigentlich keine Lösung für einen Konflikt i
Peter Datz (links) und Uwe Beck ist es wichtig, den Menschen zu zeigen, dass Gewalt eigentlich keine Lösung für einen Konflikt ist, sondern im schlimmsten Fall nur der letzte Weg aus ihm hinaus. Foto: Berya Yildiz Inci
Peter Datz (links) und Uwe Beck ist es wichtig, den Menschen zu zeigen, dass Gewalt eigentlich keine Lösung für einen Konflikt ist, sondern im schlimmsten Fall nur der letzte Weg aus ihm hinaus.
Foto: Berya Yildiz Inci

Die beiden Kampfsport-Experten sprechen von zwei verschiedenen Gewalt-Typen: der kalten und der heißen Gewalt. »Die heiße Gewalt ist eine, die sich langsam aufbaut«, erklärt Datz. »Meist gibt es einen Streitpunkt oder ähnliches, der sich immer weiter hochschaukelt und dann irgendwann eskaliert.« Diese Art von Gewalt sei eine, die lenkbar sei. »Hier kann unter anderem schon vor dem Streithöhepunkt verbal deeskalierend gearbeitet werden«, ergänzt Beck. »Indem beispielsweise in Ich-Botschaften gesprochen wird, damit das Gegenüber sich nicht angegriffen fühlt.« Alles Möglichkeiten, die erlernt werden können.

Situation ohne Schaden verlassen

Bei der kalten Gewalt sieht das ganze schon etwas anders aus. »Diese Form von Gewalt ist nicht wirklich vorhersehbar«, sagt Datz. »Die kommt so plötzlich, dass sie oft auch schwer zu deeskalieren ist.« Als Beispiel dafür nennt er die Jugendlichen, die vor Kurzem einen Obdachlosen getötet haben. »Es ist vor allem die kalte Gewalt, die einen Kampf überwiegend als letzten Ausweg hat«, sagt Beck. »Genau dafür gibt es dann die Selbstverteidigungskurse.« Im Endeffekt geht es aber immer darum - egal, mit welcher Gewaltform sich ein Mensch konfrontiert sieht - die Situation ohne Schaden zu nehmen zu verlassen. »Das Ziel sollte niemals sein, einen Kampf zu gewinnen.«

In ihren Kursen dreht sich daher alles darum, eine Stressresilienz zu entwickeln, um in Ausnahmesituationen ruhig bleiben zu können, zu lernen, wie deeskalierend gesprochen werden kann, und dann auch, welche Schritte und Tritte es braucht, um sich selbst zu verteidigen. »Dabei ist es wichtig, sich selbst zu kennen, mitsamt seinen Stärken und Schwächen«, sagt Datz. Alle Menschen würden das, was ihnen lieb ist, schützen: »Das Haus schließen wir immer ab, unser Bankkonto ist mit einer PIN versehen und mich selbst? Wie schütze ich mich selbst?« (GEA)