PFULLINGEN/ENINGEN/LICHTENSTEIN. Zu wenig Geld, zu viele Überstunden, Arbeiten am Wochenende und an Feiertagen: Die Liste der Herausforderungen, die in der Pflege herrschen, scheint lang zu sein. Vor allem in der Corona-Pandemie wurde deutlich, was für ein Knochenjob die Pflegearbeit ist und, dass guter, qualifizierter Nachwuchs fehlt. Am Sonntag, 12. Mai, ist der internationale Tag der Pflege und es sind genau diese Themen, die dort im Vordergrund stehen - inklusive der Forderung an die Politik nach einer Verbesserung der Situation. Warum Menschen trotzdem gern in der Pflege arbeiten, verraten einige Angestellte der Seniorenzentren in Pfullingen, Eningen und Lichtenstein.
»Ich arbeite jetzt seit 34 Jahren in der Pflege und habe noch keinen einzigen Tag bereut«, sagt Ines Kotterla, Pflegefachkraft im Seniorenzentrum St. Elisabeth in Eningen. »Klar, der Job ist ein schwerer, aber es erfüllt mich einfach, mit den älteren Menschen zu arbeiten und ihnen an ihrem Lebensende noch Freude zu bereiten.« Sie fühlt sich mit den Bewohnern und auch ihr Kollegen verbunden. »Wir sind ja in gewisser Weise auch wie eine erweiterte Familie der Menschen, die hier im Haus wohnen«, stimmt ihre Kollegin Olga Burbulea zu. »Wir kämpfen für sie, freuen uns, wenn beispielsweise ihre Mobilität zunimmt, und sind bis zum Ende an ihrer Seite.« Für sie als Wohnbereichsleitung könne es keinen besseren Job geben.
»Wir sind wie die erweiterte Familie der Menschen hier im Haus«
»Ich arbeite hier 100 Prozent. Wenn es die Möglichkeit gäbe, zu erhöhen, würde ich das sofort machen.« Burbulea macht das Schichten und die Arbeit am Wochenende, an Feiertagen »oder auch das kurzfristige Einspringen« nichts aus. »Die Dankbarkeit der Bewohner ist etwa, das ich nicht missen möchte. Dieses Gefühl, wenn die Leute darauf warten, dass man aus dem Urlaub wieder zurückkommt, ist unbeschreiblich.« Eine Sache, die sie sehr berührt, sind die Lebensgeschichten der alten Menschen. Dazu hat sie kurz vor dem Gespräch mit dem GEA einige Zeilen niedergeschrieben und liest sie vor: »Diese Augen haben Schmerzen gesehen. Diese Hände haben Herzen berührt. Diese Herzen haben Zerbrochenheit gezeigt.« Burbulea zehrt von den vielen Erfahrungen und »nimmt sehr viel daraus mit«.

Auch Marine Mikadze hat die Wohnbereichsleitung auf der Demenz-Station im Eninger Seniorenzentrum. »Für mich war schon immer klar, dass ich in der Pflege arbeiten möchte.« Sie ist bei ihrer Oma aufgewachsen und war lange Zeit pflegende Angehörige. »Ich möchte helfen und für Leute da sein. Vor allem ältere Menschen brauchen und verdienen unsere Unterstützung.« Sie will, wie ihre Kolleginnen auch, den Senioren »das Leben bis zum Schluss so schön wie möglich gestalten«. Als Mikadze erwähnt, dass sie glaubt, für den Job geboren zu sein, fangen Burbulea und Kotterla an, energisch zu nicken. Die drei sind sich einig: »Das ist eigentlich kein Beruf, sondern eine Berufung.«
»Ältere Menschen brauchen und verdienen unsere Unterstützung«
In den GEA-Gesprächen wird deutlich, dass es vor allem zwei Eigenschaften gibt, die Pflegefachkräfte haben sollten: Empathie und Verständnis für ältere Menschen. »Die Senioren haben meist ein erfülltes Leben hinter sich und sind einfach sehr hilfsbedürftig im Alter«, sagt Bianca Telfser. Die Leiterin der Tagespflege im Seniorenzentrum Martha-Maria in Lichtenstein-Honau weiß, dass Geduld eine wichtige Tugend in dem Beruf ist. »Wenn man diese aufbringt und Vertrauen zu den Menschen aufbaut, dann bekommt man so viel Gutes zurück.« Vor allem die verschiedenen Lebensgeschichten haben es Telfser angetan: Wenn die Senioren beispielsweise von ihren Kriegserfahrungen sprechen oder erzählen, wie sie mit den vielen Widrigkeiten des Lebens umgegangen sind, dann nimmt sie »aus den Gesprächen sehr viel mit«.
Telfser hat schon früh gemerkt, dass sie einen besonderen Draht zu älteren Menschen hat und sich schnell dafür entschieden, die Ausbildung im Bereich Pflege zu machen. »So kann ich den Senioren noch einen schönen Lebensabend bereiten.« Ihrem Kollegen Ragmuddin Faizi geht es nicht anders. »Ich mag Menschen und ich möchte ihnen eine Freude bereiten und ihnen helfen«, sagt der 33-Jährige. Seine Devise: »Menschen brauchen Spaß.« Und den möchte er den älteren Menschen schenken, indem er nach seinen »Pflegeaufgaben« mit ihnen spazieren oder zum Bowling geht. »Ich hatte bisher keinen einzigen Gedanken, zu gehen und einen anderen Beruf auszuüben.« Im Gegenteil: Eigentlich ist Faizi Rettungsschwimmer. Er hat lange Zeit in dem Job gearbeitet und sich dann »bewusst für die Pflege« entschieden.
»Ich bereue es, nicht früher in dem Beruf gearbeitet zu haben«
Auch Bernadette Rau hat sich nach Jahren in einem anderen Beruf dafür entschieden, in der Pflege zu arbeiten. »Ich habe immer davon erzählt, dass ich in meiner Rente ehrenamtlich in einem Seniorenheim arbeiten möchte. Mein Sohn hat mich dann gefragt, warum ich dafür erst auf die Rente warte und nicht jetzt schon in die Richtung gehe.« Gesagt, getan: Seit zweieinhalb Jahren ist Rau Betreuungsassistentin im Samariterstift in Pfullingen. Sie freut sich, die älteren Menschen zum Lachen zu bringen und für sie da sein zu können. »An manchen Tagen möchte ich gar nicht nach Hause gehen. Ich bereue es, nicht früher in dem Beruf gearbeitet zu haben.«
Bei ihrem Kollegen Mamadou Diallo war es die persönliche Lebensgeschichte, die ihn in die Pflege getrieben hat: »Ich bin mit meiner Oma aufgewachsen und habe ihr später viel im Alltag geholfen.« Dem Pflegehelfer ist bewusst, dass auch andere Senioren Hilfe und Unterstützung brauchen und die will er ihnen geben. »Das Seniorenzentrum ist ihr neues Zuhause, weil sie in ihrem alten nicht mehr sein können. Und dieses möchte ich mit Leben und Freude füllen.« Die Teamleitung Milena Henke kann ihm da nur zustimmen: »Der Beruf ist einfach so abwechslungsreich und vielseitig. Kein Tag gleicht dem anderen.«
»So kann ich den Senioren noch einen schönen Lebensabend bereiten«
Daniel Nieswandt ist nach seinem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) im betreuten Wohnen Rappertshofen bewusst geworden, dass sein beruflicher Weg in die Pflege führt: »Das hat mir so viel Spaß gemacht, ich wollte danach nichts anderes machen, als mit Menschen zu arbeiten.« Geborgenheit und Sicherheit sind zwei Dinge, die er den Bewohnern vermitteln möchte. »Sie sollen sich wohlfühlen und sich vor allem auch gehört und gesehen fühlen.« Die Pflegedienstleitung im Samariterstift Pfullingen, Katharina Hain, fasst zusammen, was alle Angestellten in der Pflege anzutreiben scheint: »Wir wollen einfach Menschen helfen, sie pflegen, ihnen ein Zuhause geben und ihren letzten Lebensabschnitt mit Freude und Spaß füllen. Das verdient nämlich ausnahmslos jeder.« (GEA)
