PFULLINGEN. Das Interesse sprengte die Erwartungen und machte deutlich, die Regional-Stadtbahn bewegt die Menschen. Über 200 Bürger und Gemeinderäte aus Reutlingen, Pfullingen, Lichtenstein und Engstingen wollten in den Pfullinger Hallen mehr erfahren über das Generationenprojekt und vor allem über die Reaktivierung der Echaztalbahn, die spätestens 2034 die Menschen »schnell, sicher und regelmäßig« vom Reutlinger Hauptbahnhof nach Engstingen bringen soll, wie es Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck zum Auftakt der historischen Ratssitzung formulierte. Er machte klar, das Projekt lebt von der Einigkeit der Partner. Und diese galt es am Mittwochabend zu demonstrieren. Dass dabei auch kritische Fragen nicht ausblieben, war zu erwarten.
Schon am Montag hatten vier Vertreter der Kommunen, unterstützt von Professor Tobias Bernecker, Geschäftsführer des Zweckverbands Regional-Stadtbahn Neckar-Alb, und Landrat Dr. Ulrich Fiedler, den aktuellen Stand des Vorhabens vorgestellt (wir berichteten).
Bernecker erläuterte in den Pfullinger Hallen nochmal ausführlich das Projekt, er erinnerte unter anderem daran, dass die Reaktivierung der Echaztalbahn vom Land als das nachfragestärkste Vorhaben eingeordnet wurde. Vor allem aber erläuterte er, was jetzt ansteht. Nämlich die Vorplanung für die Streckenführung. Das heißt, dass die Trasse auf zehn Zentimeter genau geplant wird, einschließlich der benötigten Bauwerke, Signalanlagen, Oberleitungen. Auch die Verkehrsbeziehungen auf der Strecke mit dem Autoverkehr, Radfahrern und Fußgängern sind dabei ein Thema. Letztlich ist diese Vorplanung die Grundlage für die anstehenden Trassenentscheidungen in Reutlingen und Pfullingen. In Reutlingen stehen drei Varianten zur Diskussion für die Strecke vom Hauptbahnhof zum Südbahnhof (Lederstraße, Gartenstraße und alte Honauer Bahntrasse). In Pfullingen fällt die Entscheidung zwischen der Innenstadtstrecke durch die Marktstraße und die Klosterstraße sowie der Variante auf der alten Bahntrasse. Ab Ortsausgang Pfullingen geht es jedenfalls auf dieser Richtung Traifelberg.
Der Streckenverlauf macht klar, nur wenn alle an einem Strang ziehen, ist die Regional-Stadtbahn umsetzbar. Für Keck, der auch stellvertretender Vorsitzender des Zweckverbands ist, ist das Vorhaben deshalb auch ein großes Solidarprojekt in der Region. Nach den bisherigen Berechnungen kostet Reutlingen der Bau der Innenstadtstrecke 10 Millionen Euro, Pfullingen, Lichtenstein und Engstingen zahlen je 3,2 Millionen Euro. Weitere Millionen fließen aus dem Kreissäckel. Das Gros der Kosten, nämlich 85 Prozent, schultern aber Bund und Land.
Pfullingen zahlt jährlich mehr für den Straßenunterhalt
Die seien sicher, beantwortete Tobias Bernecker eine entsprechende Frage eines Pfullingers, ob die Bundeszuschüsse wackeln. Pfullingens Bürgermeister Stefan Wörner stellte angesichts der 3,2 Millionen Euro, die Pfullingen zuschießen muss, einen Vergleich auf, um die Relationen zu zeigen: »Da geben wir jedes Jahr mehr für den Unterhalt der Straßen aus« und die seien nicht alle im besten Zustand. Er beantwortet damit eine weitere Frage des Pfullingers. Der auch wissen wollte, ob über die Trassen in der Echazstadt die Pfullinger entscheiden werden. Wörner hält einen Bürgerentscheid bei dieser komplexen Fragestellung für nicht geeignet. »Das kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten« – wie es das Beteiligungsformat vorgibt. Diese Entscheidung müssten die gewählten Bürgervertreter fällen. Für die deutlichen Worte bekam der Bürgermeister ebenso viel Beifall, wie für seine Antwort auf die Feststellung des Pfullingers, dass mit dem Bau der Innenstadttrasse auch die Lindenbäume in der Stadt gefährdet seien: »Nicht jeder Baum wird den Trassenbau überleben, wenn einer fällt, dann wird an einer anderen Stelle ein neuer gepflanzt.« Der Stadt sei der Grünzug auch wichtig,
Albaufstieg und Stadtbahn teilen sich engen Verkehrsraum
Eine größere Rolle in der Diskussion spielte der Neubau des Albaufstiegs der B 312. Denn dessen Anmeldetrasse und die Stadtbahn teilen sich den knappen Verkehrsraum zwischen Honau und Traifelberg. Sowohl Bernecker als auch ein Vertreter des Regierungspräsidiums Tübingen sicherten zu, dass beide Projekte eng abgestimmt würden. Was bei Hans Gerstenmaier von der Initiative Albaufstieg B 312 Lichtenstein keine große Freude auslöste: »Ich dachte, die Abstimmung ist schon in den vergangenen vier Jahren gelaufen.« Er fürchtet, dass, wenn die beiden Projekte bei Honau nicht unter einen Hut zu bringen sind, eine andere Trasse für die Straße sich nicht mehr rechnet und deshalb dann nicht gebaut wird.
Der Engstinger Rat Ulrich Gundert verwies auf die Ende des vergangenen Jahrhunderts gemachte Umweltprüfung, die hatte damals ergeben, dass beim Bau der jetzt diskutierten Trasse für den Albaufstieg die Quellen, die sowohl Lichtenstein, Reutlingen, Pfullingen und Engstingen mit einem großen Teil ihres Wassers versorgen, versiegen. Keck konnte es da nicht lassen, auf eine von ihm noch als Vorsitzender des Lichtensteingaus des Albvereins ins Spiel gebrachte Trassenvariante zu verweisen, die auch das Trinkwasser nicht gefährde. In dieser Sache sei er mit Lichtensteins Bürgermeister Peter Nußbaum nicht einer Meinung.
Bernecker geht nicht davon aus, dass die Stadtbahn die Quellen gefährdet: »So tief müssen wir nicht gehen.« Dies sei aber auch ein Thema bei den Vorplanungen, so wie viele weitere Fragen, die an diesem Abend gestellt wurden, etwa zu den Haltestellen oder dem genauen Verlauf der Strecke. »Lassen Sie uns Zeit für eine gute Vorplanung, die die Grundlagen für die weiteren Entscheidungen liefert«, betonte er. Bernecker rechnet, dass die Ergebnisse Ende 2025 vorliegen.
Keine Haltestelle in Honau
Klar ist aber schon jetzt, an Honau wird die Stadtbahn vorbeifahren. Ob’s denn nicht doch eine Chance auf eine Haltestelle am Ort gebe, wollte Honaus Ortsvorsteher Wilfried Schneider wissen. Bernecker erklärte ausführlich, warum nicht. Die Steilstrecke habe eine durchgängige Steigung von 10 Prozent, diese könne auch der Tram-Train bewältigen, aber nicht ein Zehntel mehr. Würde jetzt in Honau eine Haltestelle gebaut, müsste diese laut Gesetz barrierefrei sein und dürfte aus diesem Grund keine größere Steigung als vier Prozent aufweisen. Was zur Folge hätte, an einer Stelle müsste die Strecke steiler als 10 Prozent werden, um das auszugleichen und dort gebe es dann kein Weiterkommen für den Tram-Train.
Apropos kein Weiterkommen. »Was passiert, wenn der Zug mal nicht fährt?«, wollte der Engstinger Rat Holger Eisele wissen. Auch an entsprechenden Plänen werde gearbeitet, etwa für einen Busersatzverkehr, versicherte Bernecker mit der gleichen Zuversicht, die die Bürgermeister an eine erfolgreiche Zukunft der Stadtbahn glauben lässt: »Die rechnet sich, sonst wären wir nicht hier«. (GEA)