PFULLINGEN.. »Das können sie uns doch nicht antun«, sagt eine Kundin, als sie am vergangenen Freitag davon erfährt: Erich Heinzelmann hört auf dem Pfullinger Wochenmarkt auf. Da lächelt der knuddelige Marktmetzger mit seinem Schnauzbart die 91-Jährige Stammkundin freundlich an und sagt wie entschuldigend in allerschönstem Steinhilber schwäbisch: »Mir isch oiner an Karra g’fahra. No isch jetzt hald Schluss.« Denn ganz freiwillig hätte der 70-Jährige noch nicht aufgehört.
Ein Unfall hat ihm die Entscheidung leicht gemacht. »Die Reparatur des Verkaufswagens hätte zu viel gekostet. Das lohnt sich nicht mehr.« Von der Versicherung hat er »no a g’schickt's Geld kriagt«. So endet eine Ära, die fest mit der Geschichte des Pfullinger Wochenmarktes verbunden ist. Erich Heinzelmann, den viele liebevoll nur »d‘r Stoihilbr« genannt haben, war mit Gärtner Baier der erste Beschicker auf dem Markt.
Von Anfang an dabei
41 Jahre lang steht er jeden Freitag schon um 7 Uhr vor Rathaus I und wartet auf Kundschaft. Die kommt so sicher wie das Amen in der Kirche und vor allem nicht nur aus Pfullingen. Michael Aschermann etwa fährt jeden Freitag aus Sonnenbühl her, »wegen der Qualität von Wurst und Fleisch. Als ich in der Auslage auf der Herkunftsurkunde gesehen habe, dass das Fleisch von Limousin-Rinder stammt, haben wir es gleich probiert. Der erste Einkauf hat überzeugt. Bis jetzt«, sagt er etwas wehmütig.
In seinem gut gefüllten Einkaufskorb liegt auch ein Wetzstahl des Steinhilber Metzgers als »praktisches Andenken«, so der Sonnenbühler. Auf die Frage wie er den Abschied findet, sagt er ein Wort, das in der Zeitung nicht zitierfähig ist. Andere sagen einfach »Schade«. Mit dem heutigen Tag geht ein arbeitsreiches Leben für den Metzgermeister zu Ende.
Mit 14 angefangen
56 Jahre hat er dann »g’schafft«, mit 14 bei Metzger Reicherter in der Reutlinger Katharinenstraße seine Lehre angefangen. Als Älbler mit damals noch schlechterer Busverbindung als heute hat er deshalb auch dort gewohnt, jeden zweiten Samstag musste er arbeiten. Ihm war aber schnell klar, dass er sich selbstständig macht. Nach Stationen in Stuttgart und in Pfullingen beim Schmälzle sowie ein Jahr in der Wurstküche beim Geisel, »als der Hubert angefangen hat«, eröffnete Erich Heinzelmann 1980 seine Metzgerei im Trochtelfinger Teilort Steinhilben, das heute etwa 1.250 Einwohner hat.
Für einen Metzger wie Heinzelmann allerdings hat die Größe des Ortes nicht ausgereicht um finanziell gut über die Runden zu kommen. Also hat er sich entschieden auf Märkte zu fahren, anfänglich hat er in Unterhausen verkauft. Schnell ging’s aber dann nach Pfullingen, wo die Stadtverwaltung nach der Neugestaltung der Innenstadt 1983 eben auch den Wochenmarkt wieder ins Leben gerufen haben.
Maultaschen sind der Renner
Seither steht er hier, sommers wie winters bei Sonnenschein oder auch Schnee, verkauft Wurst und Fleisch. Die Leute lieben seine Maultaschen, auch die 91-Jährige Kundin schätzt sie sehr und war deshalb am vergangenen Freitag auch doppelt enttäuscht, als sie keine mehr bekommen hat. Der Fleischsalat sowie die Schwarzwurst waren ebenfalls Renner. »Zwei Kunden kommen jede Woche nur wegen der Schwarzwurst«, sagt Heinzelmann.
Seine »superfrische Qualität«, so ein Kunde, schätzen die Pfullinger aber auch Auswärtige: aus Sondelfingen, Holzelfingen, Engstingen oder Ohmenhausen kommen sie regelmäßig, erzählt der Steinhilber und die Kunden bestätigen das. Heinzelmann macht seinen Job gern, auch noch im eigentlichen Rentenalter von 70 Jahren. »Als Hobby« hat er es mal bezeichnet, was er hier macht. »I mach’s so lang, wie's mir g’fällt.« Und gefallen habe es ihm immer, auch wenn der Metzgerberuf ein harter ist.
Keiner kauft mehr Vierling
Selbst die Hüftoperation vor sechs Jahren hat ihn nicht davon abgehalten weiter zu machen. Bei so viel Verkaufs- und Markterfahrung drängt sich die Frage auf, was sich denn verändert hat in all den Jahren. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. »Keiner kauft mehr Vierling. Früher haben das alle verlangt. Das kennt heute keiner mehr«, sagt er und schmunzelt in seinen Bart hinein. »Mir hat der Markt immer Spaß gemacht. Es ist doch schön: heute kommen die Leute, denen hab ich als Kinder schon eine Wurst gegeben. Heute geb ich sie ihren Kindern«, sagt Heinzelmann und lacht mit seinen Augen. Das werden die Menschen vermissen.
Andrea Leichsenring wird das »Persönliche fehlen, die Ansprache«. Eine andere Kundin fragt ganz erschrocken, als sie erfährt, dass er aufhört: »Bleibt denn die Wurst gleich, wenn Sie aufhören?« »Noi, d’r Bögle kommt,« sagt er. Die Kundin findet’s schade, dass er geht und ist gespannt auf die Metzgerei Bögle, die ab 7. Juni Heinzelmanns Platz einnimmt. Dabei wird Erich Heinzelmann doch etwas wehmütig. Das alles werde ihm fehlen, sagt er. »Aber irgendwann isch halt Schluss.«
Dann räumt er seine Wurst und alles was dazu gehört auf. Wenn was vom Fleisch oder der Wurst übrig bleibt friert er es ein. »Woisch« sagt er, »I muass ja jetzt nämlich selber aikaufa«. Dann macht er erst einmal richtig Urlaub - drei Wochen, das hat er noch nie gehabt. (GEA)