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Aktuell Jubiläum

Radfahren am Dach der Welt: Lichtensteiner Verein feiert Jubiläum

Mountain Spirit, der Lichtensteiner Verein, der in Nepal Hilfe zur Selbsthilfe leistet, feiert sein 25-jähriges Bestehen. Mit dabei vier Gäste aus Kathmandu, die von der Hilfe profitiert haben und sich heute für den Verein engagieren.

Der Vorsitzende von Mountain Spirit Deutschland Wolfgang Henzler (links) mit den nepalesischen Gästen Phurba Sherpa, Phuti Sherp
Der Vorsitzende von Mountain Spirit Deutschland Wolfgang Henzler (links) mit den nepalesischen Gästen Phurba Sherpa, Phuti Sherpa, Jangbu Sherpa und Sangye Rigzin. Foto: us
Der Vorsitzende von Mountain Spirit Deutschland Wolfgang Henzler (links) mit den nepalesischen Gästen Phurba Sherpa, Phuti Sherpa, Jangbu Sherpa und Sangye Rigzin.
Foto: us

LICHTENSTEIN/ST. JOHANN. Inzwischen isst sie auch Brot. Damit konnte Phuti Sherpa, als sie vor acht Jahren zum ersten Mal nach Deutschland kam, überhaupt nichts anfangen. »Acht Kilo habe ich da abgenommen. Jetzt schmeckt alles gut«, sagt sie und lacht. Die junge Mutter (33), die die Arbeit des Lichtensteiner Hilfsvereins in einem kleinen Büro in Kathmandu koordiniert, ist nicht allein angekommen. Ihr Mann Jangbu Sherpa, ein erfahrener Trekkingguide, der schon einige Achttausender bezwungen hat, hat Söhnchen Sangye Rigzin (sechs Monate) auf dem Arm, das sich offensichtlich im Haus von Wolfgang Kauter in Würtingen wohlfühlt. Dort ist auch der Vierte im Bunde Phurba Sherpa, der jüngere Bruder der Projektkoordinatorin, untergekommen, der zum einen mit dem Verein feiern will, aber der auch in eigener Sache unterwegs ist. Er will den Mountainbikern in der Region einen Trip nach Nepal schmackhaft machen. Denn Radfahren im Schatten des Himalaya boomt. Seit Ende der Corona-Pandemie schwingen sich immer mehr Einheimische und Touristen auf den Drahtesel, um das Land zu erkunden oder die sportliche Herausforderung zu suchen.

Biking in Nepal

"Mit dem Trekking- und Mountainbike-Guide Phurba Sherpa durch Nepal" ist der Titel des Vortrags am Dienstag, 28. Mai, um 19 Uhr im Franz.K in Reutlingen. Veranstalter ist der Verein Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) IG Reutlingen & Tübingen. Der Eintritt ist frei. Phurba Sherpa, Mitglied und Unterstützer von Mountain Spirit Foundation, dem nepalesischen Partner von Mountain Spirit Deutschland, organisiert und begleitet MTB Touren in verschiedenen Regionen Nepals. Er hat Touren und Trail Erfahrung im Mustang- , Solukhumbu- und Annapurna-Gebiet und anderen Regionen. Er zeigt, was dort mit dem Fahrrad möglich ist. (GEA)

Phuti Sherpa und Phurba Sherpa sind für den Vorsitzenden Wolfgang Henzler ein Beleg für die erfolgreiche Arbeit des kleinen Lichtensteiner Vereins, der in den vergangenen 25 Jahren eine stattliche siebenstellige Summe für die Menschen in einer der ärmsten Bergregion der Welt eingesammelt hat. Beiden verhalfen die Spender und Mitglieder des Vereins mit ihrer Unterstützung zu einer guten Schulausbildung. Rund 500 Patenschaften hat Mountain Spirit (MS) in den vergangenen Jahren geknüpft, rund 200 sind im Moment aktiv. Übrigens nicht nur für Schüler. Eine Spenderin wollte mit ihrer Hilfe eine ältere Frau unterstützen. Auch das hat MS möglich gemacht. Eine alleinstehende 76-jährige Witwe in einem abgelegenen Teil der Solokhumbu-Region, die wie viele andere keine Rente bekommt, kann so ihren Lebensunterhalt sichern. Die beiden Frauen haben Kontakt und schicken Bilder hin und her, berichtet Henzler.

Mit einer Krankenstation begann alles

Mit der Abwanderung der Jungen aus den Bergregionen in die Städte brechen in Nepal die Familienstrukturen zusammen, und immer weniger sind in der Lage, sich um ihre Eltern zu kümmern. Mountain Spirit ist auch deshalb vor 25 Jahren angetreten, die Situation der Menschen in den Bergregionen zu verbessern, um die Abwanderung zu reduzieren. Eines der ersten Projekte war der Bau einer Krankenstation in Shermatang – gemeinsam mit der Dorfbevölkerung. Denn MS will seine Projekte den Menschen nicht überstülpen, sondern diese gemeinsam mit ihnen entwickeln, die Bedürfnisse vor Ort aufnehmen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

»Inzwischen kennt man uns«, sagt der Lichtensteiner Henzler, der damals die treibende Kraft bei der Vereinsgründung war. Das liegt an den rauchfreien Öfen oder den Gewächshäusern, den Laptops für die Schulen oder den Softshell-Jacken, die die Helfer bringen. Aber auch daran, dass MS seine Hilfe auf die Solokhumbu-Region beschränkt. Rund 120.000 Einwohner hat der Distrikt, der mit 3.312 Quadratkilometern etwa dreimal so groß ist wie der Kreis Reutlingen. Die Menschen leben dort auf einer Höhe zwischen 1.800 und 3.500 Metern vor allem von der Landwirtschaft und dem Tourismus.

Tourismusbranche hat das Rad entdeckt

Und beim Tourismus gewinnt das Mountainbiking immer mehr an Bedeutung. Die Kurve geht steil nach oben, sagt Phurba Sherpa. Und das nicht nur bei den Touristen. Bis vor wenigen Jahren spielte das Fahrrad im Land kaum eine Rolle als Fortbewegungsmittel. Inzwischen entdecken auch die Einheimischen das Rad, erzählt der 26-Jährige. Das Bike als Freizeitgerät boomt. Phurpa Sherpa hatte schon als kleiner Junge ein Faible für den Drahtesel, erzählt Henzler. Die Begeisterung hat bis heute angehalten. Inzwischen hat das Land die Chancen für den Tourismus erkannt und baut immer mehr Strecken für die Mountainbikes. Und die Tourismusbranche bietet längere Touren – für Menschen, die auf dem Rad reisen und Land und Leute kennenlernen möchten, aber auch für Sportler, die die Herausforderung suchen und Höhenmeter knüppeln wollen. Beide bringen Arbeit und Einkommen in die Bergdörfer.

Phurba Sherpa will in Deutschland Kontakte knüpfen, um sein Geschäft in Schwung zu bringen und auch die eine oder andere Erfahrung sammeln. Etwa bei einem Fahrradhändler, dem er beim Reparieren von E-Bikes über die Schulter schauen darf. Denn auch in Nepal setzen immer mehr Radler auf die Unterstützung des E-Motors und leihen sich vor Ort ein Gefährt aus. Angeboten werden dabei vor allem Räder aus dem höherpreisigen Segment, berichtet er. Die namhaften Hersteller sind schon länger vor Ort. Drei Wochen will Phurba Sherpa in Deutschland bleiben und sich umsehen. Einiges hat er aber auch schon nach wenigen Tagen entdeckt: »Die vielen Radwege.«

Die drei weiteren Gäste bleiben bis Anfang Juli in Deutschland, machen aber auch einen Abstecher in die Schweiz. Sie sind in erster Linie aufgrund des Jubiläums angereist, das der Verein in St. Johann im Kreis seiner Mitglieder und Unterstützer, abseits der Öffentlichkeit feiert. Henzler sieht den Verein gut aufgestellt und ist sich sicher, dass Mountain Spirit auch in Zukunft weiter Hilfe zur Selbsthilfe leisten kann. Sowohl in Nepal als auch in Deutschland ist ihm um den Nachwuchs nicht bange. "Denn die Menschen wissen, was wir tun." (GEA)

Atemberaubende Kulisse: Mit dem Mountainbike in Nepal unterwegs.
Atemberaubende Kulisse: Mit dem Mountainbike in Nepal unterwegs. Foto: privat
Atemberaubende Kulisse: Mit dem Mountainbike in Nepal unterwegs.
Foto: privat