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Aktuell Hochwasser

Pfullinger Verwaltung: Das soll die Starkregen-Gefahrenkarte können

Informationsveranstaltung der Verwaltung in den Pfullinger Hallen. Starkregengefahrenkarte in Arbeit

Starkregen mit katastrophalen Folgen: So sah es 2016 in der Griesstraße aus.
Starkregen mit katastrophalen Folgen: So sah es 2016 in der Griesstraße aus. Foto: FOTOS: SCHÖBEL/REISNER (2)
Starkregen mit katastrophalen Folgen: So sah es 2016 in der Griesstraße aus.
Foto: FOTOS: SCHÖBEL/REISNER (2)

PFULLINGEN. Wer weit weg von Echaz, Eierbach, Arbach oder Lindentalbach wohnt, kann sich bei Starkregen nicht zurücklehnen. Hochwassergefahr besteht auch abseits von Flüssen. Die Stadtverwaltung Pfullingen erarbeitet derzeit mit dem Landkreis eine Starkregengefahrenkarte. Darin kann jeder Bürger parzellengenau sehen, wie sich Hochwasser im Unwetterfall ausbreitet und was er dann selbst tun könnte, um sich zu schützen.

Das kündigte Sonja Seeger vom Fachbereich 5 der Stadtverwaltung beim Hochwasserinformationsabend in den Pfullinger Hallen an. Bis Herbst dauert es allerdings noch, bis die Ergebnisse für jedermann zugänglich gemacht werden können, so Seeger.

Die Verwaltung um Bürgermeister Stefan Wörner hatte zu dieser Bürgerinformation eingeladen und war mit geballter Kompetenz vor Ort: von Feuerwehrchef Dietmar Rall über Sonja Seeger und Vertretern des Tiefbauamts bis hin zu Daniel Schwertle, als Vertreter des externen Ingenieurbüros Reik, das das Kanalnetz im Auftrag der Stadt in Sachen Hochwasser untersucht.

Die Anwesenden nutzten die Gelegenheit für Fragen.
Die Anwesenden nutzten die Gelegenheit für Fragen. Foto: Dieter Reisner
Die Anwesenden nutzten die Gelegenheit für Fragen.
Foto: Dieter Reisner

Bei der zweistündigen Veranstaltung stellte die Verwaltung vor, was die Stadt zum Schutz der Bürger leistet. Aber auch was jeder einzelne Bürger oder Haushalt beitragen könnte oder sollte. Fragen waren nicht nur zugelassen, sondern erwünscht. Dietmar Rall fasste es ganz poetisch so zusammen: »Das Ich-Denken ablegen, zum Wir-Denken kommen.«

Der Feuerwehrchef gab den rund 50 Männern und Frauen einen Einblick in die Arbeit der Helfer während eines Katastropheneinsatzes. Zudem stellte er die Ausrüstung vor, die zum Bürgerschutz angeschafft worden ist. Vor der Tür der Pfullinger Hallen hatte die Feuerwehr den Abholbehälter Hochwasser mit Pumpen zur Besichtigung aufgestellt ebenso wie die Sandsackbefüllanlage, ebenfalls durch Container beweglich, in diesem Fall auf dem Lkw des Pfullinger Bauhofs.

Kommt es tatsächlich zu Hochwasser oder Überflutungen – wie etwa im Jahr 2016 –, gehen bei der Feuerwehr in kürzester Zeit 300 Schadensmeldungen ein, berichtet Rall und erklärte: »Dann müssen wir priorisieren. Wir werden oft kritisiert, dass wir, wenn es gilt, zu spät kommen. Aber auch wir kommen in solchen Fällen an unsere Grenzen und arbeiten dann alles nacheinander ab«, bat er um Verständnis. Erste Priorität hat dabei ein Brand oder Menschen in Gefahr, danach Schäden an Umwelt oder Sachwerten, erst dann vollgelaufene Keller, wo etwa Kartoffeln lagern. »Da muss man etwas Geduld mitbringen. So hart das klingen mag: Wenn ein Keller vollläuft, dann läuft es auch wieder raus.«

Rall, seit 2012 Feuerwehrkommandant, schilderte eindrucksvoll die Anspannung während so eines Einsatzes, der nicht in ein paar Minuten erledigt ist, sondern über eine längere Zeit anhält und warb für Verständnis: »Die Einsatzkräfte sind auch nur Menschen.«

Die Feuerwehr sieht er gut aufgestellt in Sachen Hochwasserschutz. Ein Boot, rund 3.000 befüllte, 10.000 leere Sandsäcke, ein Radlader, ein Abholbehälter, in dem sich etwa Pumpen und Schläuche befinden, gehören zur Ausrüstung genauso wie eine Sandsackfüllanlage mit der 1.000 Säcke in einer Stunde befüllt werden können: »Wenn wir die notwendigen freiwilligen Helfer dazu haben.«

Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Solche Ereignisse kann niemand allein bewältigen. Weder im akuten Fall noch in der Vorbereitung. »Wir tun, was wir können, um so viel Hochwasserschutz wie möglich zu gewährleisten«, sagen Stefan Wörner und Sonja Seeger. Das ist nicht wenig. Dazu gehört ein Flutflächenmanagement, will heißen, es werden Flächen vorgehalten, die geflutet werden können. Die Stadt sorgt vor, um Kulturgüter zu schützen, sie bietet technische Beratung, erstellt einen Infoflyer. Das Ausräumen von Gräben, das Sauberhalten des Kanalnetzes mit rund 90 Kilometern, das Auspumpen von Straßeneinläufen, der Bau von Regenüberlaufbecken, die dem Gewässerschutz und der Entlastung der Kläranlage dienen, oder auch die Unterhaltung von Einlaufbecken gehören ebenfalls zur Prävention dazu. »Das alles reicht aber nicht aus. Wir kommen da schnell an unsere Grenzen, wenn die Regenmenge so groß ist wie 2021 mit 87 Litern pro Quadratmeter je Stunde. Wir brauchen die Hilfe von den Bürgern, jeder kann Eigenschutz betreiben.«

Dafür gebe es verschiedene Strategien. Ausweichen, Widerstehen, Anpassen. Sensible Haushaltsgüter in höher gelegene Räume verlegen. Mit technischem Schutz die Kraft des Wassers abwehren, etwa in Form einer Wand oder eines Rückstauventils, und die Nutzung so anpassen, dass im Ernstfall nur geringe Schäden zu erwarten sind. Wer eine Beratung suche, könne sich an die Stadtverwaltung wenden, sagt Seeger.

HOCHWASSERPRÄVENTION

Im I-Punkt in Rathaus IV liegt der Infoflyer mit Tipps und Kontaktdaten aus. Das Team Tiefbau Hochwasserprävention im Fachbereich 5 hat seinen Sitz im Rathaus V, Marktplatz 3.

hochwasser@pfullingen.de

07121/7030 8102

www.pfullingen.de/hochwasser (zurzeit offline)

Das taten die Anwesenden. Ein Teilnehmer interessierte sich für Sandsäcke: Ob man sie auch befüllt haben könnte. Für den Einbau eines Rückstauventils bekäme er keine Handwerker, ob denn die Stadt jemand wüsste? Sonja Seeger verneinte, konnte ihn nur ermutigen, das Branchenbuch rauf und runter zu telefonieren. Volle Sandsäcke gibt die Feuerwehr nicht heraus, diese halten sie für den Einsatz vor. Unbefüllte könnten in Baumärkten oder Internet beschafft werden.

Der Feuerwehrchef nahm die Anregung auf, und kündigte an: »Wenn wir genügend Helfer finden, dann stellen wir die Sandsackanlage auf.« Ein anderer Teilnehmer wollte wissen, wie sicher das Stromnetz sei? Schließlich nutze seine Pumpe nur dann, wenn er sie auch mit Energie versorgen könne. Da musste Sonja Seeger passen, »da erwischen Sie uns auf dem falschen Fuß. Wir betreiben selbst kein Stromnetz. Wir haben es auf dem Plan«. In internen Workshops werde aber thematisiert, »wie wir bei langen Stromausfällen reagieren können«.

Das Kanalnetz als solches interessierte ebenfalls, etwa inwieweit die Berechnungen angepasst würden. Seeger gab eine klare Antwort. »Für solche Ereignisse wie 2016 oder 2021 werden wir das Kanalnetz nicht versorgt bekommen.« Zudem würde ein Austausch des 90-Kilometer-Netzes lang dauern und bei Kosten von bis zu 2 000 Euro je Meter könnte jeder ausrechnen, was das kostet. Zudem habe die Kläranlage nur begrenzte Kapazitäten.

Rund 50 Bürger waren in die Pfullinger Hallen gekommen.
Rund 50 Bürger waren in die Pfullinger Hallen gekommen. Foto: Dieter Reisner
Rund 50 Bürger waren in die Pfullinger Hallen gekommen.
Foto: Dieter Reisner

Ein Besucher bedankte sich für diese Veranstaltung. »Ich glaube, die Stadt tut mehr als sie muss. Bei 18.000 Einwohnern ist jeder auch selbst in der Pflicht.« Manchmal reiche ja auch ein Rechen, um den Abfluss wieder freizukriegen.

Das war das Stichwort für Wörner. »Wir wollten hier nicht den Eindruck vermitteln, dass wir alles tun und die Bürger sich zurücklehnen können. Wir stoßen an Grenzen und brauchen die Mithilfe jedes einzelnen«, so der Rathauschef, der weitere Infoabende ankündigte. »Wir bleiben dran. Wenn sie Fragen haben, dann kommen sie auf uns zu.« (GEA)