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Aktuell Kulturwege

Pfullinger Kulturwege: »Menschen unterwegs«

PFULLINGEN. Die »Pfullinger Kulturwege« sind als thematisch angelegte Veranstaltungsreihe eine feste Größe im kulturellen Leben der Region. Alle zwei Jahre stellt die Kulturwege-Kommission, besetzt mit Vertretern der kulturschaffenden Vereine der Echazstadt, der Stadtverwaltung und des Sponsors Kreissparkasse, ein umfangreiches Programm zusammen. Von den ersten Ideen bis zum fertigen Veranstaltungskalender dauert es rund ein Jahr. Im Februar 2015 begann die Kommission unter dem Arbeitstitel »Große und kleine Fluchten« mit den Vorbereitungen für die Kulturwege dieses Jahres. Und ahnte damals nicht, dass sie kurz darauf von der Realität eingeholt würde: Das Thema beherrscht seit dem Sommer die Medien und spaltet die Gesellschaft.

Koffer und Rucksack unter der Pfullinger Bahnhofsuhr: Dieses Symbolbild steht für das Thema der Kulturwege 2016: "Menschen unter
Koffer und Rucksack unter der Pfullinger Bahnhofsuhr: Dieses Symbolbild steht für das Thema der Kulturwege 2016: »Menschen unterwegs«. Die Kulturwege-Kommission hat ein breites Spektrum an Veranstaltungen dazu zusammengestellt. FOTO: KULTURWEGE
Koffer und Rucksack unter der Pfullinger Bahnhofsuhr: Dieses Symbolbild steht für das Thema der Kulturwege 2016: »Menschen unterwegs«. Die Kulturwege-Kommission hat ein breites Spektrum an Veranstaltungen dazu zusammengestellt. FOTO: KULTURWEGE
»Das Thema lag in der Luft«, erklärt Felicitas Vogel, dass es natürlich kein reiner Zufall oder eine völlig willkürliche Wahl gewesen ist. Nachdem sich die Kulturwege in den zurückliegenden Jahren in erster Linie mit der Stadt und ihren Gegebenheiten beschäftigt hatten, sollte sich diesmal der »Blick nach draußen« wenden und unbedingt Menschen im Mittelpunkt stehen.

»Niemand weiß, wo die Welt aufhört und wo sie wieder anfängt«
Ausgangspunkt waren Überlegungen über das Unterwegssein: In der Regel ist man freiwillig und mit Lust auf Reisen. Das sollte sich in den Veranstaltungen ebenso niederschlagen wie der Aspekt, dass Menschen sich auch gezwungenermaßen in Bewegung setzen müssen. Dass das Thema Flucht dann in der Öffentlichkeit so schnell ins Zentrum geriet, ließ die Kommission staunen. »Welche Dimensionen das annehmen würde, haben wir nicht absehen können«, sagt Felicitas Vogel und gibt dem Ganzen eine philosophische Wendung: »Heute weiß bald niemand mehr, wo die Welt aufhört und wo sie wieder anfängt.«

Im Kulturwege-Programm schlägt sich das in unterschiedlichster Weise nieder. Wie es sich anfühlt, mit Dutzenden Menschen in einem kleinen Boot zusammengepfercht das Meer zu überwinden, schildert der Journalist Wolfgang Bauer in seinem Vortrag »Über das Meer – Mit Syrern auf der Flucht nach Europa«. Die Flucht vieler Menschen vor der Front im Zweiten Weltkrieg steht im Mittelpunkt bei der Veranstaltung »Am fernen Himmel stehen Sterne«, Helga Pech wird aus dem »Fluchttagebuch einer Mutter« vorlesen. Eine Gottesdienstreihe zum Thema »Flüchten« gibt es ebenfalls.

Alle zwei Jahre werden auch die Pfullinger Vereine eingeladen, das Kulturwege-Programm mitzugestalten. Sieger Maier, Vorsitzender der Kulturinitiative i’kuh, ist begeistert, was sich daraus alles ergeben hat. »Es ist toll, dass sich viele Vereine über ihre normalen Inhalte hinaus etwas überlegen«, sagt er. »Manche orientieren sich eigens am Thema der Kulturwege, um Neues entstehen zu lassen«, merkt Sabine Hohloch an, die im Rathaus für die Kultur zuständig ist. Als Beispiel führt sie die Mixed Pickles, die Theatergruppe des Pfullinger Bürgertreffs sowie den Kunstkreis Pfullingen an, die sich jeweils auf ihre Weise dem Thema gewidmet haben.

Felicitas Vogel sieht das sogar als »die übergeordnete Aufgabe der Kultur« an: »Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, die etwas gestalten wollen«. Das sei in größerem Maß erstmals im Brechtjahr 1997 geschehen, erinnert sich Andrea Popp, die ebenfalls bei i’kuh aktiv ist. »Damals hat in Pfullingen das begonnen, was heute die Kulturwege ausmacht: Ganz viele verschiedene Gruppen und Institutionen stellen gemeinsam etwas auf die Beine«, sagt sie.

»Die Skispringer sind nicht nur physisch in Bewegung«
Und so umfasst auch das aktuelle Programm eine Vielfalt an Veranstaltungen. Ein Liederabend der Musikschule mit dem Motto »Ich bin ein Fremdling überall« mit Florian Hartmann (Bass) und Maximilian Merkle (Klavier) gehört ebenso dazu wie Angebote zum aktiven Unterwegssein beim Wandern und Pilgern in der Region. Es gibt besondere Stadtführungen, Theater- und Filmvorführungen, eine Orgelwallfahrt sowie ein »White Dinner«, das den Titel »Unterwegs im Park« trägt. »Die Flucht 1945« steht im Mittelpunkt, wenn Klaus Tross aus den Erinnerungen von Hans-Joachim Sonntag liest.

Eingebettet in das Programm wird erstmals auch das Sommer-Skispringen des VfL Pfullingen. »Die Skispringer sind nicht nur rein physisch, sondern auch im übertragenen Sinn in Bewegung«, schwärmt Sieger Maier, »sie überwinden dabei auch die Angst.«

Eine ganze Reihe von Ausstellungen öffnet weitere Facetten des Themas: Der in Pfullingen ansässige Verein Flüchtlingskinder im Libanon zeigt Bilder von Kindern und Jugendlichen aus palästinensischen Flüchtlingslagern, die Neske-Bibliothek präsentiert den »Kosmos Pfullinger Kloster« als Ort des Geistes und Adresse für weltweite Kontakte. Der Geschichtsverein nimmt sich des Themas »Kriege und Not: Pfullingen in Bewegung« an und blickt auf 100 Jahre Straßenbahn in der Echazstadt zurück. Unter dem Motto »Angekommen in Pfullingen« stellt der Arbeitskreis Asyl das Leben von Flüchtlingen in der Stadt vor.

Den Spuren eines Mannes, den es auf die Gipfel der Berge zog, folgt die Schau »Eiger Memories – Hommage an meinen Vater«: Christiane Haag präsentiert darin Texte und Bilder zum 60. Jahrestag der Eiger-Besteigung von Peter Haag.

Die abschließende Ausstellung der Kulturwege werden die Pfullinger selbst gestalten. »Wir rufen wieder zu einem Fotowettbewerb auf«, sagt Felicitas Vogel. Wer Freude am Fotografieren hat, kann das Motto »Menschen unterwegs« frei gestalten und seine Bilder einreichen. Eine Jury wird aus diesen eine Schau zusammenstellen, die ab November in der Stadtbücherei gezeigt wird. Die Prämierung übernimmt das Publikum. »Für die besten Fotos winken schöne Preise«, weiß Felicitas Vogel. (GEA)

Kulturwege-Auftakt

Die Auftaktveranstaltung für die Pfullinger Kulturwege 2016 »Menschen unterwegs« beginnt am Freitag, 19. Februar, um 19.30 Uhr in der Kreissparkasse Pfullingen. Regionaldirektor Bernd Schwab wird die Gäste begrüßen, Bürgermeister Michael Schrenk ein Grußwort sprechen. In das Thema der achten Kulturwege-Reihe führen ein Felicitas Vogel, Kulturwege-Kommission, und Dr. Jürgen Strohmaier, Mitinitiator der »Philosophie im Kloster«. Ihr Beitrag ist mit einem Zitat von Bert Brecht überschrieben: »Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen«. Anschließend präsentiert das Reutlinger Theater »Die Tonne« Ausschnitte aus seinem Stück »Heimat – Land in Sicht« von und mit Yvonne Lachmann, Michael Schneider und Seyyah Inal. (GEA)