PFULLINGEN. Touchdown, Clean Desk, Work Lounge - für diese Begriffe, die im ersten Moment an American Football oder Instagram-Hausfrauentipps denken lassen, fallen auch dem Pfullinger Bürgermeister Stefan Wörner bisher keine besseren, schwäbischen Wörter ein. Fest steht: Das alles wird es demnächst im Rathaus geben. Die Schlagworte fielen bei der Vorstellung der Rathaus-Erweiterungspläne am Dienstagabend im Gemeinderat. Der An- und Umbau des aktuellen Rathauses II bringt eine neue Bürostruktur mit sich, die für eine modern und effizient arbeitende Verwaltung stehen soll. Das bedeutet: kürzere Wege für die Bürger, denn bislang angemietete zusätzliche Außenstellen werden wegfallen. Vorgestellt haben den Stand der überarbeiteten Planung Eberhard Wurst vom Reutlinger Architekturbüro EW Architekten und der Leiter des Pfullinger Gebäudemanagement-Teams Oliver Polzin.
Bürgermeister Wörner nannte dies einen »Meilenstein« für die Stadtverwaltung - mit Barrierefreiheit, optimalem Bürgerservice und attraktiven Arbeitsplätzen.
"Clean Desk und Desk-Sharing ist künftig von Anfang an zu leben""
»Work Lounges« oder Empfangsbereiche soll es der neuen Raumaufteilung zufolge zum einen im Neubau-Erdgeschoss geben, gleich nach dem stufenlosen Zugang vom Marktplatz her. Zum anderen aber auch im Altbau: Das auf das Jahr 1686 zurückgehende einstige Flecken- und Kornhaus war bereits 1908 erweitert und zum Rathaus umgebaut worden. Im ersten Stock zwischen dem vergrößerten Sitzungssaal und den Büros des Teams Personal/Organisation kann man künftig ebenfalls schaffen und entspannen zugleich. »Touchdown« beziehe sich aufs mobile Arbeiten, das etwa in Krankheitsfällen wichtig werde, erklärte Polzin auf eine Nachfrage aus dem Gremium. Das steht im Zusammenhang mit dem Clean-Desk-Prinzip, dem zufolge jeder mehr oder weniger variabel an verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden kann. Das sei künftig »von Anfang an zu leben«.
Da im Untergrund wahrscheinlich noch Kampfmittel stecken, die beseitigt werden müssen, und falls unter der bisherigen Bücherstube an der Griesstraße, der gerade abgerissen wird, archäologische Schätze ans Licht kommen, die es zu bergen gilt, arbeite man eng mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) und dem Landesamt für Denkmalpflege zusammen, erklärte Polzin, der die »Verflechtung zwischen Alt und Neu« lobte. Beides zeige sich erst, wenn das Gebäude hinter dem Rathaus II vollends abgerissen ist.
»Ohne Brandwand wäre vieles im Bestandsgebäude nicht mehr zulässig «
Wurst erläuterte die neuesten Änderungen an den nach dem »Prinzip des einfachen Bauens« - mit möglichst wenig Haustechnik - erstellten Plänen: Die Treppe im Innern des Neubaus neben dem Aufzug wurde gedreht, oben verbindet ein Steg den Neu- mit dem bestehenden Bau. Über einem im Süden vorgelagerten unterirdischen »Kaltraum« für Müll, Technik und Materialanlieferung soll eine Terrasse mit Echazblick entstehen. Und der Ratssaal wird um zwei derzeitige Büros erweitert, sodass künftig mehr Zuschauer Platz bei den Gemeinderatssitzungen finden. Eine Brandwand wird in der Mitte das dann 80 Meter breite Gesamtgebäude trennen. Das ermögliche den Um- und Anbau mit möglichst wenig Brandschutzmaßnahmen. »Sonst wäre im Bestandsbau vieles nicht mehr zulässig«, erläuterte der Architekt.
Geheizt werden soll mittels einer Sole-Wasser-Wärmepumpe, die, falls die Außentemperatur unter null Grad Celsius sinkt, durch einen Elektrobooster unterstützt wird. »Die Fußbodenheizung kann so im Sommer auch kühlen.« Für Mitarbeiter und Besucher gibt es um das neue Rathaus herum 23 Auto- und 14 Radabstellplätze. Vorausblickend auf eine mögliche Gartenschau im Jahr 2039 könnte im Anschluss an die »Echazblick«-Terrasse noch ein Rathausgarten mit Wasserspiel und Bäumen entstehen.
»Vorfreude auf ein multifunktionales Herzstück der Stadt«
Der weitere Zeitplan: Die Vergaben der Arbeiten sind für November dieses Jahres vorgesehen, Baubeginn könnte Anfang 2025 sein. Als Zeitpunkt der Inbetriebnahme hofft der Gebäudemanagement-Chef auf Mai 2027. Kosten soll das Ganze 14 Millionen Euro - acht Millionen für den Neubau und sechs Millionen unter anderem für Dacherneuerung und Isolierungen im bestehenden Altbau - mit Außenanlagen und inklusive eines »Kostenpuffers« für steigende Preise und unvorhergesehene Ausgaben. Der Kaltraum soll zusätzlich 360.000 Euro kosten. Das ist Martin Fink (UWV) zufolge gut angelegtes Geld: Der Kaltraum sei »mit Mehrkosten, aber auch viel Mehrwert verbunden«. Der Bürgermeister verteidigte die zusätzlichen Abstellmöglichkeiten mit den Worten: »Wir bauen ja für die nächsten Jahrhunderte.« Da das Projekt im Sanierungsgebiet Lindenplatz Innenstadt Süd liegt, rechnet man mit Zuschüssen aus dem Ausgleichstock und dem Landessanierungsprogramm in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro. Ein eigens dafür geschaffener Ausschuss soll die weitere Planung begleiten.
»A ziemlich's Brett«, nannte der UWV-Vorsitzende Stephan Wörner die vorgesehenen Ausgaben. Aber das Ergebnis sehe gut aus und sei lang und konstruktiv diskutiert worden. »An der Notwendigkeit des Projekts besteht kein Zweifel«, urteilte Gert Klaiber (CDU). Der Zeitpunkt sei angesichts der Förderkulisse richtig, die Sanierungszuschüsse gebe es ja nicht ewig. Er sei »gespannt, was am Ende rauskommt«. Martin Fink sprach von einem »multifunktionalen Herzstück« für die Stadt. Malin-Sophie Hagel (GAL) fand insbesondere den im Rathausgarten angedachten Stillraum zukunftsweisend. Die Räte stimmten dem Baubeschluss mit einem von Klaiber geforderten Zusatz »vorbehaltlich der genauen Kostenermittlung« einstimmig zu. Die Hoffnung auf ein Ende der beengten Situation bedeute für die Verwaltung zusätzliche Motivation, freute sich Bürgermeister Wörner. Im weiteren Verfahren solle auch die Rösslescheuer saniert werden. (GEA)