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Mit Hellebarde und Geschichten

ENINGEN. Die Stunden ansagen - nein, das werde er wohl besser lassen, meint Ewald Schlotterbeck. Da gäbe es wohl doch ernsthaften Widerstand im Ort. Sonst aber will er - wie Kollegen in früheren Jahrhunderten - als Nachtwächter mit Laterne, schwerem Cape und scharfer Stichwaffe, einer Hellebarde, dem »Nachtwächterspieß«, durchs nächtliche Eningen laufen. Er will dabei Geschichten erzählen - am Samstag, 26. September, ab 20 Uhr, Start am Rathausvorplatz, zum ersten Mal.

Und diese Geschichten über Eningen, dessen Historie, seine Menschen und deren Erlebnisse sollen Touristen, die Besucher des Biosphärengebiets, aber auch Einheimische und Neubürger des Ortes hören.

Warnen auch vor Gesindel

Früher hatten alle Städte und Gemeinden einen. Und der war wirklich notwendig: Der Nachtwächter musste den Schlaf der Bürger bewachen, sie warnen vor Feuer und Gesindel. Und er war einfach auch die Nachtuhr. In Eningen ist der letzte Nachtwächter, Bernhard Sonntag, anfangs der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts in Rente gegangen, so mit 70 Jahren, weiß Schlotterbeck. Der war da aber schon nicht mehr nur Nachtwächter, er hat wohl auch die Rathauspost ausgetragen, war einfach ein Rathausmitarbeiter gewesen.

In dessen Fußstapfen will Schlotterbeck nun treten - wenn die Sache gut ankommt, und die Resonanz sei bisher schon sehr gut, dann werde er das öfter machen. Neben einer ersten Runde im alten Ortskern mit seinen bis ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Gebäuden, werde er eine zweite Runde ausbauen, in weiter Ferne dann sogar mal einen Nachtumgang um den Ort planen. Auf die Idee für dieses nächtliche Angebot sei seiner Frau Erika gekommen, die eines Tages befand, er sei doch zu groß für einen Krämer - und eine Kostümrolle im Heimatmuseumsangebot solle er aber wohl schon übernehmen. Denn das Museum will sich mit diesem Nachtwächter eine weitere Attraktion zu legen und sich für den Ort beteiligen an der Aufgabe, dem Biospährengebiet Leben einzuhauchen und für die Touristen auch in Eningen Angebote zu machen.

Dafür hat die Familie Schlotterbeck in die Tasche gegriffen und sich eine komplette Nachtwächterausrüstung zugelegt, historischen Vorbildern nachgebaut und möglichst original.

Und Schlotterbeck selbst hat in den Büchern gekramt und sich Geschichten und Erzählungen über Eningen und die Eninger zurechtgelegt, die er dann den Leuten, die ihn nachts begleiten werden, vortragen wird. Es soll da jeweils eine Gruppe mit höchstens 25 oder 30 zusammenkommen, um die Nachtatmosphäre auch zu erhalten.

Auch übers Leben der Nachtwächter selbst weiß er nun Bescheid - das seien ja nicht gerade die bestbezahltesten Leute gewesen - eher etwas fürs Hungertuch sei der Nachtwächterlohn gewesen, wie es ja auch ihren Kollegen, den Türmern in großen Städten, erging.

Genehmigung vom Landratsamt

Fürs Tragen der Hellebarde musste er sich übrigens vom Landratsamt extra eine Genehmigung besorgen, die befristet erteilt wurde. Denn diese Waffe - »damit kann man schon einen erstechen«, meint er.

Inzwischen wurde ein Flyer erarbeitet und das Heimatmuseumsteam ist guten Mutes, mit diesem neuen Angebot noch mehr Leute auf Eningen aufmerksam zu machen. Denn was da in den letzten Jahren bereits gemacht wurde, da ist man schon ein wenig stolz.

Wurden früher im Heimatmuseum an den sieben Öffnungssonntagen im Jahr insgesamt 200 Besucher gezählt, so kommen heute zwischen 250 und 300 Leute an jedem Sonntag vorbei. Bei besonderen Themen sogar bis zu 700 - beispielsweise beim Büchsenmacher im Frühsommer, da sei man förmlich überrannt worden.

Weitere Information - und auch die Möglichkeit zur Anmeldung für den Rundgang - gibt es in der Gemeindeverwaltung, Telefon 0 71 21/89 21 10. Sondertermine für Gruppen können auf Anfrage ausgemacht werden. (GEA)