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Aktuell Gemeinderat

Gert Klaiber will sich aus der Pfullinger Kommunalpolitik künftig raushalten

Er hat Ecken und Kanten und versteckt sie nicht. Mit Gert Klaiber verlässt ein meinungsstarker Rat den Pfullinger Gemeinderat. Knapp 25 Jahre saß er für die CDU im Gremium.

Gert Klaiber will sich aus der aktuellen Politik raushalten.
Gert Klaiber will sich aus der aktuellen Politik raushalten. Foto: us
Gert Klaiber will sich aus der aktuellen Politik raushalten.
Foto: us

PFULLINGEN. Streit nicht um des Streites willen, Streit um der Sache willen: Das ist das Ding von Gert Klaiber. Deshalb huscht auch ein Lächeln über sein Gesicht, wenn er sagt, er wolle sich in Zukunft aus der Politik raushalten. »Zumindest werde ich es versuchen«, schiebt er nach. Er lässt aber keinen Zweifel an seinem Abschied aufkommen. Der 72-jährige Bauingenieur hat schon vor längerer Zeit entschieden: »Mit 77 hocke ich nicht mehr im Gemeinderat.« Seine Erklärung ist kurz: Das Leben seiner Generation werde sich auf absehbarer Zeit nicht wesentlich ändern und für die Jahre danach sollen und müssten die Jüngeren die Weichen stellen.

Klaiber ist in Pfullingen aufgewachsen und Vater von drei - längst erwachsenen - Kindern. Er hat das kommunalpolitische Engagement praktisch in die Wiege gelegt bekommen – sein Vater saß für die Freien Wähler im Gemeinderat. Nach seinem Bauingenieur-Studium in Stuttgart und einem Ausflug in die Selbstständigkeit wechselte Klaiber 1984 in die Landesverwaltung. Der ehemalige Pfullinger Bürgermeister Kurt App hatte gefragt, ob er denn nicht im Landesdienst arbeiten wolle: »Mich hat schon immer Führung gereizt und Aufgaben, die mich gefordert haben«, sagt er. Unter anderem die Brückensanierung war ein Schwerpunkt seiner Arbeit, zuletzt war er unter dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann Abteilungsleiter im Straßenwesen. Bis heute übernimmt er noch Aufgaben in seinem Arbeitsgebiet.

Bürgermeister Schrenk als Erster deutlich kritisiert

»Ich bin politisch interessiert, ich habe zu allem eine Meinung«, sagt er selbstbewusst. Er lässt an seiner konservativen Ausrichtung keinen Zweifel. »Aber ich bin auch offen«, fügt er an, »sonst hätte ich unter Winfried Hermann gar nicht arbeiten können.« Eine klare Meinung hatte er auch, als 2006 die Sanierung des Pfullinger Freibads anstand. Mit Vehemenz kämpfte er gegen das von der Verwaltung damals favorisierte Naturbad. Die Entscheidung für ein konventionelles Bad hält er auch im Nachhinein für richtig und die bessere Wahl für die Stadt. Mit Beiträgen zum Freibad sorgte Klaiber immer mal wieder für Wirbel. Etwa als er mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion dem geplanten Hundeschwimmen zum Saisonausklang den Hahn abdrehte. Auch der Abschied eines Bademeisters rief Klaiber auf den Plan, das Ereignis gehörte mit zu den Auslösern, die letztlich für den Abschied von Bürgermeister Michael Schrenk sorgten.

Klaiber war der erste Rat, der die Zerwürfnisse zwischen Gemeinderat und Bürgermeister Schrenk in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung ansprach. Vor allem dessen Umgang mit dem Personal und mit seinem Amtsvorgänger Rudolf Heß hatte ihn auf die Palme gebracht. »Da wurde ich stinksauer.« Die fünf Jahre mit Schrenk als Bürgermeister sind für Klaiber dennoch keine verlorene Zeit. »Der Gemeinderat ist enger zusammengerückt« in der Krise, sagt er. Der 72-Jährige war derjenige, der öffentlich am deutlichsten aussprach, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister nicht möglich war und die Entwicklung der Stadt stockte.

Immer wieder die Bürokratie angeprangert

Lob spendet Klaiber dagegen dem aktuellen Bürgermeister, auch wenn er nicht immer einer Meinung mit ihm ist. »Ich hätte nie gedacht, dass so schnell wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen Rat und Bürgermeister entstehen kann.« Unter Stefan Wörner seien wichtige Projekte zügig vorangetrieben worden. Ein Beispiel ist für ihn das Kulturhaus, das die Klosterkirche wieder nutzbar macht. »Da entsteht etwas wirklich Schönes.«

Die Klosterkirche ist für ihn zudem auch ein gutes Beispiel für den Kampf gegen die Bürokratie, den er mit Vehemenz im Rat führt. Über Jahrzehnte habe man die Klosterkirche ohne Probleme für Ausstellungen und Konzerte genutzt. »Nie ist irgendwas passiert.« Doch verschärfte Brandschutzauflagen forderten einen zweiten Fluchtweg und mit der dadurch notwendigen Fluchttreppe konnten sich weder der Denkmalschutz noch Pfullingens Bürgervertreter und die Verwaltung anfreunden. Die Folge: Ein außergewöhnlicher Kulturtreffpunkt war von heute auf morgen dicht.

In der Bürokratie sieht Klaiber den Grund, »dass wir nicht so wie nötig vorankommen«. Es könne doch nicht sein, dass die Stadt für die Ausweisung eines Gewerbegebiets vier Jahre brauche, wenn die Flächen dringend benötigt werden. »Warum brauchen wir ab dem zehnten Kind in einer Betreuungseinrichtung ein sechstes Waschbecken?«, fragt er. Warum würden solche Entscheidungen nicht der Stadt überlassen, den Menschen vor Ort? Der scheidende CDU-Rat kann noch viele Beispiele nennen. Etwa den Erhalt der Rösslescheuer aus Denkmalschutzgründen: »Das Gebäude ist völlig baufällig.« Wenn die Menschen in der Demokratie den Sinn eines Gesetzes nicht mehr erkennen könnten, dann sei das schädlich.

Früher konnte man entspannter diskutieren

Allerdings zeigt der 72-Jährige bei der Suche nach den Schuldigen nicht zuerst auf diejenigen, die Gesetze machen und verabschieden. Der Abbau der Bürokratie sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, es bräuchte eine Diskussion auf breiter Ebene. Denn alle müssten sich darauf einigen, auch geringere Standards festzuschreiben, dass der Staat dem Bürger nicht alles abnehmen könne und eben nicht alles im Leben geregelt sei. Gleichwohl müsse der Gesetzgeber damit anfangen, die Bürokratie abzubauen.

Ist denn in den vergangenen 25 Jahren vieles schlechter geworden in Pfullingen? Da winkt Klaiber ab, aber es sei wesentlich schwieriger geworden, Dinge umzusetzen. Auch die Diskussionskultur sei früher entspannter gewesen. Heute seien die Gegensätze größer geworden, die Aufgaben nicht kleiner. Verteidigung, Bildung, Wohnungsbau und Kinderbetreuung sind für ihn die zentralen Themen der Zukunft. In diesen Bereichen müssten der Staat und die Kommunen investieren. Das Geld dürfe nicht durch eine überbordende Bürokratie und hohe Standards aufgefressen werden.

Eine klare Antwort hat er auf die Frage, ob er denn wird stillhalten können, wenn ihm die eine oder andere Entscheidung künftig gegen den Strich gehen wird: »Ich bin nicht dazu gemacht, die Klappe zu halten.« (GEA)