PFULLINGEN. Der Personenkreis war zwar überschaubar, der am Mittwochabend im Sitzungssaal des Pfullinger Rathauses über ein Bauvorhaben im Gewerbegebiet Hinterer Spielbach diskutierte, aber hartnäckig. Dort möchte ein Gewerbetreibender ein fünfgeschossiges Haus bauen, unter anderem auch, um seinen Mitarbeitern günstigen Wohnraum anzubieten. Laut geltendem Bebauungsplan wäre das dort eigentlich nicht möglich. Doch die Stadt hat schon einmal eine Ausnahme in diesem Gebiet gemacht – nämlich beim Projekt Achalmblick der Baugenossenschaft (BG). »Damit hat man Tatsachen geschaffen«, erklärte Bürgermeister Stefan Wörner.
Ganz geräuschlos ist das Vorhaben der BG damals nicht über die Bühne gegangen. Sicher mit ein Grund dafür, dass die Stadt vor dem Start des Bebauungsplanverfahrens zu einer Infoveranstaltung eingeladen hatte, bei der Architekt Thomas Bamberg das Vorhaben vorstellte. Demnach soll das Haus etwa 15 Meter hoch und in vier Geschossen zwölf Wohnungen untergebracht werden. Im obersten und fünften Stock kommt die Verwaltung des Reinigungsunternehmens unter. Im Sockelgeschoss werden Garagen und weitere Räume für die Firma entstehen. Insgesamt sollen sich Wohn- und Gewerbenutzung etwa die Waage halten. Außerdem richtet sich das Vorhaben am Pfullinger Handlungsprogramm Wohnen aus. Das heißt, 25 Prozent der Wohnungen müssen bezahlbar sein.
»Das ist viel zu hoch«
"Die Gebäude- und Dachbegrünung wird eine große Rolle spielen", erklärte Bamberg weiter. Insgesamt machte der Pfullinger Architekt klar, dass die Tage der quasi einstöckigen Gewerbebauten gezählt sind. Man müsse die Grundstücke intensiver nutzen, etwa durch die Verbindung von Gewerbe und Wohnen. Wichtig war ihm auch, zu betonen, dass das Gebäude keinen Schatten auf die Wohnhäuser im angrenzenden Gebiet Häglen wirft. Glücklich war zumindest eine anwesende Anliegerin überhaupt nicht. »Das ist viel zu hoch«, erklärte sie gleich mehrmals. Bürgermeister Stefan Wörner wollte den Einwurf "nicht kleinreden", machte aber klar, dass die Verwaltung, zumindest zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens, die Pläne als umsetzbar ansieht. Bamberg wies daraufhin, dass man das Gebäude niedriger bauen könnte, dieses aber dann breiter und so die Sicht stärker einschränken würde. "Sie sehen über 10,50 Meter genauso wenig darüber, wie über 15 Meter", argumentierte er. Und Bürgermeister Wörner machte deutlich, dass es kein Recht auf freie Aussicht gebe.
Für Stefan Ebinger ist der Bau »schon eine gewaltige Geschichte«, findet aber das Vorhaben an sich gelungen. Der Stuckateurmeister, der mit seinem Betrieb gleich nebenan im Gewerbegebiet ansässig, hat ein ganz anderes Problem. Für ihn gehört Wohnen nicht in ein Gewerbegebiet und er fragt sich, wann der erste Mieter kommt, der sich am benachbarten Gewerbe stört und gegen dieses klagt. Deshalb hatte Ebinger sich schon gegen das Vorhaben der BG gewandt – erfolglos. Letztlich hatte die Stadt für deren Vorhaben den Bebauungsplan vorhabenbezogen geändert. Und damit die seit 20 Jahren brachliegende Baufläche gleich oberhalb des Eingangs des Ursulabergtunnels vom Gewerbegebiet in ein Urbanes Gebiet umgewandelt. Wichtigster Unterschied: Während im Gewerbegebiet nur Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter möglich sind, müssen im Urbanen Gebiet die Wohnungen nicht prinzipiell im Zusammenhang mit dem Gewerbe stehen. Gleichzeitig gelten aber auch höhere Anforderungen an den Lärmschutz. Während in Gewerbegebiet tagsüber 65 Dezibel zulässig sind, liegt die Grenze im Urbanen Gebiet bei 63 Dezibel.
Schauen, was möglich ist
Uwe Wohlfahrt, Pfullinger FWV-Stadtrat und ebenfalls Anlieger im Gebiet Hinterer Spielbach, betonte, dass die Bauvorgaben, dann aber auch für alle im Gebiet gelten müssten. Er fragte sich, wie zuvor schon Ebinger, warum die Stadt nicht gleich den geltenden Bebauungsplan für das ganze Gebiet ändert, sondern diesen immer nur vorhabenbezogen anpassen will. »Diesen Weg kann jeder gehen«, betonte Bamberg. Und Bürgermeister Wörner machte deutlich, dass grundsätzlich für das Gebiet bereits ein Baurecht gelte, und da, wo sich was ändern solle, werde dies eben über einen städtebaulichen Vertrag geregelt. Diese Vorgehensweise mache es unter anderem einfacher, die Quote für Sozialwohnungen zu verankern.
»Wir werden jetzt schauen, was möglich ist«, erklärte Bürgermeister Wörner nach rund einer Stunde, machte aber erneut deutlich, dass er das Vorhaben für verträglich hält. Die geäußerten Bedenken werde man in das normale Verfahren mitnehmen. Das heißt, der Gemeinderat wird zuerst einen Aufstellungsbeschluss fassen, dann gibt es eine Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der Nachbarschaft und schließlich muss der Gemeinderat den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan fassen. Klar ist für den Rathauschef aber, die Weichen für das, was im Baugebiet zulässig ist, sind mit der Entscheidung im Verfahren mit der Baugenossenschaft gestellt worden. (GEA)