PFULLINGEN. Rund 25 Gäste kamen am Sonntag in die Neske-Bibliothek, um den Vortrag von Leiterin Felicitas Vogel über Freunde des Verlegerpaars Günther und Brigitte Neske zu hören, die auch bei ihnen publizierten. Diese damaligen Treffen fanden in dem Raum statt, der als einziger aus der Verlagszeit noch im Original erhalten ist. Auch das heutige Cordsofa diente damals schon als Sitzmöbel.
Zu den Persönlichkeiten gehörte der Schriftsteller Ernst Jünger (1895-1998), der in der Nachkriegszeit drei Bände bei Neske verlegte und durch ihn seine neue Existenz als Autor aufbaute. Freunde des Hauses waren auch der Tübinger Philosoph Walter Schulz (1912-2000) und der Literaturwissenschaftler Hans Mayer (1907-2001), den Neske über die Bekanntschaft mit dem Literaturhistoriker, Schriftsteller und Kritiker Walter Jens (1923-2013) kennenlernte. »Im Neske-Nachlass sind viele Briefe von Hans Mayer enthalten«, so Felicitas Vogel. Wobei es darin auch um so profane Dinge ging wie die neuartigen Nylonhemden. Mayer habe Neske einen »wunderlichen Verleger« genannt, der von einigen Büchern so »besessen« sei, als ob er sie selbst geschrieben habe.
Werk des Bildhauers Otto Baum soll am neuen Kulturhaus aufgestellt werden
Philosophie, Poesie und Literaturwissenschaft – das sei kein Verlagsprogramm gewesen, mit dem man reich werden konnte, sagte die Referentin. »Doch nach dem Krieg war es in erster Linie wichtig, zu verbreiten, was gedacht wurde.«
Zu Neskes Freunden zählte auch Otto Baum (1900-1977), Bildhauer, Plastiker und Lehrer an der Stuttgarter Akademie der Künste. In der Zeit des Nationalsozialismus galt er als entartet und arbeitete im Geheimen im Pfullinger Klosterkeller. Doch die Verurteilung setzte ihm schwer zu. Als Folge der Traumatisierung zerstörte er viele seiner Werke. Eines allerdings ist im Bauhof in Pfullingen noch erhalten und soll nach der Restaurierung im Garten des Kulturhauses aufgestellt werden.
Erste HAP Grieshaber-Monografie der Nachkriegszeit
In der NS-Zeit ebenfalls als entartet galt auch HAP Grieshaber (1909-1981), der zahlreiche (Mal-)Briefe an Neske verfasste. Bei ihm erschien Grieshabers erste Monografie der Nachkriegszeit. 1964 gab der Künstler das Büchlein »Rotkäppchen und der Maler« heraus, das auch einen Rückblick auf die Nöte der Kriegsjahre enthielt.
Dem Philosophen Martin Heidegger (1889-1976) widmete Neske eine Festschrift zu seinem 70. Geburtstag. Dagegen habe er sich schwergetan mit der Erzählung »Geliebtes Sibirien« des Mediziners Traugott von Stackelberg (1891-1970), der darin von Menschlichkeit und unberührter Natur berichtete, denn noch befanden sich etliche Soldaten als Kriegsgefangene in Sibirien.
Ebenfalls bei Neske zu Gast waren die Politiker Kurt Georg Kiesinger (1904-1988) und Herbert Wehner (1906-1990), mit denen manch temperamentvolle Diskussion stattgefunden habe. »40 Jahre Verlagsgeschichte sind auch eine spannende Zeit des Weltgeschehens«, schloss Felicitas Vogel.