Es war nicht die erste überraschende Wende im Prozess gegen den 52-Jährigen, dem Staatsanwalt Jan Dietzel die sexuelle Nötigung eines elfjährigen Mädchens in mindestens zehn Fällen vorwirft (wir berichteten). Dabei soll er das Kind im Intimbereich berührt und sich in einem Fall - nach einem Bad - nackt auf das unbekleidete Mädchen gelegt haben. Zum Verhandlungsauftakt hatte eine ehemalige Freundin des Angeklagten ihn schwer belastet, obwohl sie von ihm als Entlastungszeugin vorgesehenen gewesen war.
»Für meine Verhältnisse ist er mir zu nah auf die Pelle gerückt«
Gestern hat das Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit das elfjährige Kind vernommen. Dabei hatte es seine vorherigen Angaben bei der Polizei bestätigt. Der vernehmende Beamte hatte schon am ersten Verhandlungstag keine Gründe gesehen, die Aussage des Mädchens anzuzweifeln.
Dies tat jetzt aber die Verteidigung. Rechtsanwalt Peter Jäcksch stellte den Antrag, die Glaubwürdigkeit des Mädchens durch einen Kinderpyschologen überprüfen zu lassen: »Womöglich könnte ja ihre Aussage nicht den tatsächlichen Erlebnissen entsprechen.«
Wenig begeistert zeigte sich davon Staatsanwalt Jan Dietzel. Schließlich sei es ureigenste Aufgabe des Gerichtes, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen. Deswegen halte er ein Gutachten für nicht notwendig. Zuerst solle man jedenfalls die beiden Zeuginnen im Saal noch hören, die ebenfalls von Übergriffen berichten könnten.
»Anderweitige Übergriffe«, konterte der Rechtsanwalt, hätten ja nichts mit der Aussage des Mädchens zu tun. Für den Staatsanwalt spielte es aber schon eine Rolle, ob der Angeklagte tatsächlich, wie er immer behaupte, die Finger von allen Mädchen lasse.
»Deutlich gemacht, was wir mit dringendem Tatverdacht meinen«
Die Aussage der beiden Frauen scheint dies aber zu widerlegen. Er habe immer versucht sie am Hintern anzufassen und dabei auch kräftig zugelangt. Einmal so, dass die damals 17-Jährige in Panik geriet, und sich heftig wehrte. »Warum denn, es war doch so schön«, habe der Angeklagte nach dem Vorfall in der Freizeiteinrichtung gesagt, schildert sie. Er habe sie auch gedrängt, bei ihm zu schlafen. Von Übergriffen auf Kinder habe sie aber nichts mitgekriegt, antwortete die 19-Jährige auf Nachfrage des Rechtsanwalts.
»Für meine Verhältnisse ist er mir zu nah auf die Pelle gerückt«, berichtete die zweite Zeugin an diesem Tag. Bei einer gemeinsamen Ausfahrt habe der Angeklagte sie so fest umarmt, »dass ich kaum noch losgekommen bin« und wild am Hals rumgeknutscht, so die 29-Jährige. Nach dem sie sich gewehrt habe, habe er von ihr abgelassen. Ihr aber vorgeschlagen, bei ihm zu übernachten. Was sie aber ablehnte,
Richter Hausch und die beiden Schöffen werteten die Aussagen an diesem Tag bei einer kurzen Besprechung. Dabei entschieden sie, dem Antrag des Rechtsanwalts auf die Zuziehung eines Kinderpyschologen zuzustimmen. Gleichzeitig ordneten sie aber die sofortige U-Haft für den Angeklagten an.
»Damit haben wir deutlich gemacht, was wir mit dringendem, Tatverdacht meinen«, gab Hausch dem sichtlich überraschten Angeklagten mit auf den Weg in die Haft. (GEA)
