LICHTENSTEIN-HONAU. Erst rauscht es, dann zischt es, dann brodelt es: Um 10 Uhr öffnet an Fischteich drei in Honau unterhalb von Schloss Lichtenstein die Luke eines schwarzen Bottiches. In hohem Bogen fliegt Futter für die Fische in den Teich. Silbern glitzernde Forellenleiber schnappen wild danach. Andreas Gekeler beobachtet das Schauspiel und nickt zufrieden.
Vor zwei Stunden hat der Holzelfinger seinen Dienst begonnen - in der Tobelmühle bei den Fischteichen am Ende des Echaztals. Dort tummeln sich in sechs Teichen Tausende von Forellen von miniklein mit rund zehn Gramm bis zu richtigen Kaventsmännern von bis zu einem Kilo. Die Tiere brauchen Pflege und Futter, dafür sorgt der 53-Jährige. Er ist die rechte Hand von Gerhard Gumpper, der mit Karin und Michael Stoll sowie Christine Gumpper das Hotel Rössle und die dazugehörige Fischzucht betreibt.
Gekeler kümmert sich um alles rund um die Fische, bestellt das Futter, reinigt die Teiche, repariert was repariert werden muss, nimmt den Besen in die Hand und putzt in der Tobelmühle. Sauberkeit und Hygiene ist dort wie in allen Nahrungsmittelbetrieben das A und O. Jede Verunreinigung kann verheerende Folgen haben. Das würde enorme Kosten verursachen, aber noch schlimmer dem Ansehen schaden. Den guten Namen will hier keiner verlieren. »Wer hier schafft, darf keine Scheu vor nassen Händen haben. Nass ist es hier überall«, sagt Gekeler.
Die Geschichte des Hauses kündet von einer in den Genen der Betreiberfamilie verankerten Sauberkeit. Schließlich blickt das Echaztal auf eine lange Fischtradition zurück. »Der Ursprung der Honauer Zuchtanlage wurde im Jahr 1885 von Stefan Tröster, dem Ururgroßvater der heutigen Besitzerfamilien Gumpper & Stoll, gelegt«, berichtet Gerhard Gumpper, Nachkomme in fünfter Generation. Tröster sei es 1876 als erstem Züchter Württembergs gelungen, die heute berühmten Honauer Echaztalforellen nach dem Erbrüten ins fließende Echazwasser einzusetzen.
Genau diese Echaztalforellen verarbeitet Andreas Gekeler und drei seiner Kollegen an diesem Morgen, wo wir einen Blick in die Produktion werfen und dem Holzelfinger, der in seiner Freizeit bei der Freiwilligen Feuerwehr Lichtenstein als Abteilungsleiter seit vielen Jahren seinen Dienst für die Allgemeinheit leistet, über die Schulter schauen.
Die Produktionsstätte in der Tobelmühle ist in verschiedene Arbeitsbereiche unterteilt. Alles ist weiß gekachelt. Aus dem Räucherofen strömt verlockender Duft. Auf einem Tisch stehen rote Plastikkisten. Darin liegen die bereits entgräteten und filetierten, in Salzlake eingelegte Lachsforellen, die Fischwirt Florian Perlick vor zwei Tagen gefangen und geschlachtet hat. Insgesamt sieben Mann arbeiten in der Fischzucht des Forellenhofs. Perlick kümmert sich als ausgebildeter Fachmann um das Wohl der Tiere. Die anderen ums Ausnehmen, Verarbeiten, Putzen. Jeden Tag, auch am Wochenende.
Bevor sie am Morgen loslegen sitzen sie im Rössle zusammen und besprechen den Tag. Danach geht’s in die Tobelmühle. In den Produktionsräumen passiert alles das, was den Fisch verzehrfertig macht für den Kunden. Nach dem Fang mit dem Käscher aus dem Teich wird er ausgenommen, filetiert, entgrätet, eingelegt in Salz, aromatisiert mit Dill oder Pfeffer, geräuchert, geschnitten und verpackt. Andreas Gekeler ist gerade dabei, die Edelstahlgitter zu belegen - nach und nach Filet neben Filet, mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen.
Am Ende leuchten auf dem mannshohen Wagen rund 300 davon. Als Andreas Gekeler die Tür öffnet haucht ihm der Räucherofen eine wohlriechende Wolke entgegen. So riechen nachher die Filets. Und die Klamotten der Mitarbeiter. Das stört aber den 53-Jährigen nicht die Bohne. »Daran hab ich mich gewöhnt. Genauso wie an die Nässe. Wer damit ein Problem hat, ist für den Job nicht geeignet«, sagt der Holzelfinger. Denn ohne Wasser geht hier nichts. Bei Gekeler geht nichts mehr ohne Fische.
Er hat seinen Traumjob gefunden. Dabei ist er gar nicht vom Fach,also kein Fischwirt. Gekeler hat Dachdecker gelernt. Sein beruflicher Werdegang ist alles andere als geradlinig. Während er als Dachdecker gearbeitet hat, jobbte er in der Hotelbar Aquamarin im Rössle. Mixte Cocktails und Musik für die Gäste. »Das hat mir ziemlich gut gefallen. Ich hatte da eine gute Zeit. Als dann jemand in der Fischzucht gesucht worden ist, der auch handwerklich was drauf hat, haben sie mich gefragt.«
So hat das angefangen und ihn in Bann gezogen. Heute macht er hier alles. Von Fischumsetzen mit der großen Maschine von einem Teich in den anderen übers Saubermachen bis hin zu nächtlichen Alarmdiensten. Denn wenn der Sauerstoffgehalt in den Teichen auf einen kritischen Wert unter 5 Gramm pro Liter zurück geht, piepst sein Handy. Dann sieht er sich das von der Ferne an. »Aber es kam auch schon vor, dass ich nachts um 3 Uhr hergefahren bin und nach dem Rechten gesehen habe. Bestimmte Dinge muss man vor Ort regeln.« Wie zum Beispiel Mittagessen.
Um 12 Uhr setzen sich die Mitarbeiter im Rössle zusammen und machen gemeinsam Mittag. Dann, das versichert Andreas Gekeler, gibt es nicht zwingend Fisch. Gleichwohl mag der Holzelfinger gern, was er produziert. »So eine geräucherte Lachsforelle, schon geschnitten, am Abend zum Bier beim Fernsehen, das ist schon ein echter Genuss«. Seine Augen leuchten, als er das sagt. Dann zieht er sich seine Gummistiefel an und geht an die Teiche. Es schneit und regnet gleichzeitig an diesem Vormittag am oberen Ende des Echaztals. Aber das ficht die Mitarbeiter der Fischzucht nicht an. Die Forellen schon gar nicht. Sie tummeln sich wieder, als die Futtermaschine erneut anspringt, und zeigen ihre silbernen Bäuche. Dann rauscht es, dann zischt es, dann brodelt es. (GEA)