PFULLINGEN. Im Jahr 1905 kam Kunstprofessor Adolf Hölzel (1853 bis 1934), Protagonist der abstrakten Malerei, an die Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste. Dort zählten Oskar Schlemmer, Johannes Itten oder Louis Moilliet zu seinen Schülern, denen die Pfullinger Hallen einen Teil ihrer Wandgemälde verdanken. Die Arbeit Hölzels und seine Schüler am Beispiel der Pfullinger Hallen war Thema des Vortrags von Albert Mollenkopf, ehemals Lehrer für Deutsch und Philosophie in Münsingen, den er am Sonntag vor rund 30 Gästen in der Villa Laiblin hielt. Die Veranstaltung war Teil des Jahresprogramms »150 Jahre Villa Laiblin« des Geschichtsvereins Pfullingen.
»Louis Laiblin war ein Liebhaber der Kunst und hat sie sehr gefördert«, sagte Mollenkopf. Seine Begegnungen mit Hölzel und dem Architekten Theodor Fischer seien nicht nur persönlicher Natur gewesen. »Hier trafen auch Ökonomie, Politik und Kunst zusammen.« Pfullingen habe dem bedeutenden Mäzen Laiblin den Schönbergturm, das Schützenhaus, den Festplatz Kleine Wanne, den Verschönerungsweg und die Pfullinger Hallen zu verdanken.
»Fischer und Hölzel haben eine revolutionäre Bedeutung und sie haben Wichtiges vorbereitet, was sich später im Bauhaus weiter manifestierte«, erklärte Mollenkopf. Fischer sei Vorsitzender des Deutschen Werkbunds gewesen, Hölzel gründete mit zwei Kollegen die erste Dachauer Malschule. »Er verfolgte die Idee, dass die Farbe nicht in erster Linie dienend sein und hinter dem Gegenstand zurückstehen solle, sondern ihre eigenständige Bedeutung habe.« Als Beispiel zeigte Mollenkopf eine Komposition Hölzels in Rottönen, an der er die Wirkung von Farben und ihrer Gewichtung auf der Leinwand verdeutlichte.
»Als Hölzel mit der Gestaltung der Pfullinger Hallen beauftragt wurde, ließ er jedoch vier seiner Schüler den Vortritt und gewährte ihnen künstlerische Freiheit.« Louis Moilliet übernahm die Bühnenseite, Hans Brühlmann gestaltete die West-, Ulrich Nitschke die Ostseite. Melchior von Hugo malte auf der Trennwand vom Saal zur Turnhalle die »Apotheose der Musik«. Eine detaillierte Analyse der Bilder stehe, so Mollenkopf, aktuell noch aus. Jedoch sehe man bei Moilliet deutlich die Vorbilder. So erinnere der »Tanz« an den provozierenden Tanz der Salomé in den Darstellungen des »Gastmahl des Herodes« und das »Herannahen der Liebe/Die Geburt der Venus« an die entsprechende Darstellung des Sandro Botticelli. Das »Erwachen der Menschheit« sei von Ferdinand Hodlers »Der Tag« inspiriert, wie Moilliet ein wichtiger Vertreter des Symbolismus.
Im Umgang distanziert
Laiblin allerdings sei zu den jungen Malern im Umgang distanziert geblieben, die Ausmalung habe ihn nicht ganz überzeugen können. Hölzel habe, so Mollenkopf, sich bei ihm sogar für das Verhalten von Moilliet entschuldigen müssen, der »verärgert ohne Dank und Abschied aus Pfullingen abgereist« sei. Gleichwohl sei Laiblin die Kunst ein großes Anliegen gewesen. Er selbst erklärt zu seiner Stiftung: »Das von mir erbaute und nun mehr in Bälde ganz fertiggestellte Gesellschaftshaus, die Pfullinger Hallen, ist zur Pflege des Schönen und Edlen gedacht.« Er hoffe, seine Vaterstadt werde das Gebäude in diesem Sinn verwenden.