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Aktuell Jubiläum

Zaininger steigen den Kirchturm der Martinskirche hinauf

Zaininger nutzen die Gunst der Stunde und steigen hinauf auf den Kirchturm nach der großen Renovierung

»Mich erfüllt das Alter der Glocke mit Ehrfurcht«, sagt Elfriede Hagmeyer. Sie gab Auskunft zur Renovierung und der 500 Jahre al
»Mich erfüllt das Alter der Glocke mit Ehrfurcht«, sagt Elfriede Hagmeyer. Sie gab Auskunft zur Renovierung und der 500 Jahre alten Glocke. FOTO: RUOF
»Mich erfüllt das Alter der Glocke mit Ehrfurcht«, sagt Elfriede Hagmeyer. Sie gab Auskunft zur Renovierung und der 500 Jahre alten Glocke. FOTO: RUOF

RÖMERSTEIN. »Do ben i seid der Konfirmatio nemme oba gwä«, meinte eine ältere Frau fast schon ehrfürchtig. Denn nur den Konfirmanden war erlaubt aufzusteigen, das Geläut zu hören und sich auf einer Tafel im Turmgestühl zu verewigen.

Der Aufstieg ist nicht zu verachten und durchaus beschwerlich: 82 Stufen und 28 Meter hoch geht es auf den Turm der Zaininger Martinskirche – Wahrzeichen und überragender Aussichtspunkt des Albdorfes, das zu Römerstein gehört.

Für die Öffentlichkeit in der Regel nicht zugänglich, bot der vergangene Sonntag eine besondere Gelegenheit: Nach der großen Renovierung des Turms von März bis November im vergangenen Jahr und dem 500-jährigen Jubiläum der größten der vier Glocken im Turm in 2024, lud die Gemeinde zum »Tag des offenen Kirchturms« und die Zaininger nutzten die Gunst der Stunde.

Keiner kann wohl Fragen zu Kirche und Kirchturm, zu Renovierung und Glocken besser Auskunft geben, als Elfriede Hagmeyer. 450 freiwillige Arbeitsstunden haben sie und ihr Mann Heinz investiert, damit der Turm wieder zusammen mit den engagierten Fachfirmen wieder standfest wurde. Insgesamt hat das Projekt 650.000 Euro gekostet.

Etagenböden ersetzt

2020 waren die Schäden am Turm nicht mehr zu übersehen. »Beim Fachwerkaufsatz war an der Nord-, Süd- und Westseite das Holz stark verwittert, ein Mauerstück brach aus, der Putz bröckelte. Nach intensiven Beratungen fiel die Entscheidung, das Fachwerk weiterhin sichtbar zu lassen«, erzählt Elfriede Hagmeyer.

"Die alten Balken ersetzte man durch Eichenholzbalken und schützte sie mit einer speziellen Leinölfarbe. Die Zwischenräume zwischen den Balken, das Gefache ist ihren Worten zufolge mit Ziegelsteinen ausgemauert und mit mehreren Lagen Trasskalk verputzt und angestrichen worden.

Ersetzt wurden auch, so Elfriede Hagmeyer, die verwitterten Etagenböden im Turm und die Balken unter dem Glockenstuhl, der dazu angehoben und an den Dachstuhl gehängt werden musste. Teilweise neue Treppen und neue Geländer wurden angebracht und die Glocken wieder an einem Holzjoch aufgehängt.

Pfarrer Daniel Mangel begeistert besonders mit wie viel Leidenschaft Ehrenamt, Kirchengemeinde und das lokale Handwerk hier Hand in Hand gearbeitet haben. »Mich erfüllt das mit großer Dankbarkeit.«

Gottes Segen war der Renovierung dieses Wahrzeichens gewiss, wie schon über die Jahrhunderte auch die große der insgesamt vier Glocken ihren Platz im Dachstuhl verteidigen konnte.

Als die Betglocke im Jahr 1524 in den Turm kam, stand dieser vermutlich schon 30 Jahre. Die Zaininger Martinskirche ist noch älter. Sie gilt als eine der ältesten Missionsstationen auf der Alb. Erstmals erwähnt wurde sie 1275. Sie ist umgeben von einer kräftigen, rund drei Meter hohen Naturstein-Schutzmauer. »Diese Mauer diente dem Schutz der Reisenden, die auf der sogenannten Salzstraße von Paris nach Prag unterwegs waren und dort nächtigten«, weiß Elfriede Hagmeyer.

»Dass wir die Bet- und Vaterunserglocke heute noch hören können, haben wir aber nicht nur dem handwerklichen Geschick der Gießer-Familie Kessler in Bad Urach, deren Vornamen Lienhard, Jörg und Wilhelm im oberen Teil der Glocke verewigt worden sind, sondern auch zwei von unseren Pfarrern zu verdanken«, sagt Elfriede Hagmeyer.

Glocke wiegt 1.100 Kilogramm

In beiden Weltkriegen waren Glocken aus Zinn, Bronze oder Kupfer gefragt, um sie für Kanonen einschmelzen zu können. Doch sowohl Pfarrer Otto Landenberger (1913–1926) als auch Pfarrer Paul Reinhard Langbein argumentierten klug, begründeten ihre Verweigerung mit dem historischen und künstlerischen Wert sowie den Problemen beim Ausbau. Durchaus nachvollziehbar, denn die Betglocke hat ein Gewicht von 1.100 Kilogramm. So gingen die Zaininger nur der drei anderen Turmglocken in den Weltkriegen verlustig.

»Die Betglocke läutet um sechs Uhr, mittags um zwölf Uhr und abends um 18 Uhr«, sagt Elfriede Hagmeyer. Betrieben wird das Läutwerk für die Glocken von Elektromotoren, die ebenfalls erneuert wurden.

Neben der Betglocke hängt die Kreuz- und Schiedsglocke, die 1950 in Stuttgart gegossen wurde und 431 Kilogramm schwer ist, die Zeichenglocke wiegt 292 Kilogramm und ist ebenfalls aus dem Jahr 1950. Die Jüngste ist die Taufglocke mit 230 Kilogramm. Sie hängt seit 1965 und wurden von den Handwerkern, die den Turm sanierten, gestiftet. Die Zaininger jedenfalls sind froh, dass die stumme Zeit vorüber ist in der Gemeinde: »Während der Renovierung haben so viele Zaininger gesagt: ons fehlt des Läuta«, sagt Elfriede Hagmeyer. (GEA)