BAD URACH. Über 30 Jahre hörte Wieland Backes, der 706 Sendungen des SWR-Nachtcafés moderierte, anderen und ihren Lebensgeschichten zu. Jetzt erzählt er selbst Geschichten, die teilweise seiner Fantasie entsprungen sind, aber auch einiges über ihn verraten, seit er seinen endgültigen Rückzug aus dem TV-Scheinwerferlicht (»Ich trage einen großen Namen«) im Jahr 2019 bekannt gab.
»Unmöglich« lautet der Titel der zehn Kurzgeschichten, von denen Wieland Backes, der bei seiner Leserreise von Martin Hoffmann begleitet wird, drei in der Stadtbücherei Schlossmühle zum Besten gibt. Eigentlich ist es keine Reise zu Lesern seines Buchs, sondern ein Besuch bei seinem alten Nachtcafé-Publikum. Keiner in der Schlossmühle, der nicht mindestens einmal die Sendung gesehen hat.
Den Schlusspunkt beim Nachtcafé vor zehn Jahren hat er selbst gesetzt. Damals wusste er schon von seiner Parkinson-Erkrankung, ging aber erst vor zweieinhalb Jahren an die Öffentlichkeit.
Die Corona-Pandemie brachte ihn zum Schreiben, wie er den Zuhörern erzählt. Bei seinen ersten Kurzgeschichten sei seine Frau allerdings noch eingeschlafen: »Das hat mich angespornt.«
»Humor nimmt die Spitzen, hinterlässt aber Wirkung«
Bücher schrieb Wieland Backes schon früher, wie Martin Hoffmann erzählt, der bei der TV-Legende eine Moderatoren-Ausbildung gemacht hat und nun als eine Art Sidekick fungiert.
Wollte sich nicht blamieren
Warum es ein Kurzgeschichten-Buch wurde, erklärt Backes mit einem Schmunzeln: »Ich wollte mich mit einem Roman nicht blamieren, im Übrigen hat die kürzlich verstorbene Alice Monroe mit ihren Kurzgeschichten den Nobelpreis gewonnen.«
Alle waren nun gespannt, zu hören, was der Könner des gesprochenen Wortes in seinem neuen Erzählband zu Papier gebracht hatte.
»Der Einstieg ist bei Kurzgeschichten wichtig«, betonte Backes, und so hat es der Auftaktsatz seiner ersten Geschichte »Arm und Reich« in der Tat in sich: »Wie wird man eigentlich arm?«, lässt der Debütautor von Kurzgeschichten den elfjährigen Bodo, Spross einer ebenso altehrwürdigen wie wohlbestellten Adelsfamilie, seinen Vater fragen.
Worauf Backes in seiner ruhigen Erzählweise hinaus will, ist schnell klar: Es geht um die ungleiche Verteilung von Vermögen in unserem Land. Der Autor redet in dieser sozialkritischen Geschichte einer sanften Umverteilung das Wort, der Leser bleibt bis zum Ende der Geschichte im Glauben, dass alles gut werden wird, um dann mit der Erkenntnis konfrontiert zu werden: »Dass man von reichen Leuten das Sparen lernen kann.« Solche überraschende Wendungen kennt der geneigte Zuhörer seiner früheren Sendungen, wenn Backes mit dem Schlusswort alles auf den Kopf stellte.
Treffen mit dem Obdachlosen Arthur
Um Arm und Reich geht es auch in der zweiten Geschichte vom »Flaneur«. Der pensionierte Automobilmanager Heiner Becker trifft auf den Obdachlosen Arthur. Die Frage des Moderators Martin Hoffmann, ob er eigentlich nach seiner TV-Karriere auch mal mit der Rolle eines Flaneurs geliebäugelt hätte, verneint Wieland Backes: »Gepflegtes Nichtstun reizt mich ganz und gar nicht.«
»Gepflegtes Nichtstun reizt mich ganz und gar nicht«
»263.000 Menschen haben in Deutschland keine Wohnung, 4.000 leben auf der Straße. In den USA ist das Problem der Obdachlosigkeit noch größer«, erzählt der ehemalige Nachtcafé-Moderator in der Uracher Stadtbücherei. So wurde die Idee zur Geschichte geboren und eines ungewohnten Rollentausches.
Dass alle Geschichten mit einer feinen Prise Humor gewürzt sind, ist Backes-like. »Humor nimmt die Spitzen, hinterlässt aber Wirkung«, ist der 77-Jährige überzeugt.
Seniorenresidenz für Besserverdienende
Nahe dran an seiner eigenen Vita ist die dritte Kurzgeschichte mit dem Titel »Belle Epoque«. Dabei handelt es sich um eine Seniorenresidenz für Besserverdienende und das Ehepaar, Mitte 80, ist, gedrängt von den Kindern, eigentlich auf dem Weg dorthin. Doch sie kommen nie dort an, es stehen nur zwei Überseekoffer vor dem Haus. Was als Krimi beginnt, endet wieder überraschend mit einer besonderen Volte und ist eine verpackte Kritik an unserem Pflegesystem.
Ob nach den Kurzgeschichten, die Wieland Backes selbst als Fingerübungen bezeichnet, noch ein Roman folgt, ließ der Autor offen. »Im Alter weiß man nie, was passiert.« (GEA)