METZINGEN/REUTLINGEN. Sie kennen sich schon lange, der Bäcker Michael Winter aus Neuhausen und der ebenfalls dort wohnende IT-Administrator und Fotograf Enrico Löhnhardt. Zusammen haben sie schon verschiedene Benefizveranstaltungen gestemmt, auch privat treffen sie sich immer wieder. Doch wie kommt’s, dass der Bäcker auf Bildern einer Ausstellung in Reutlingen auftaucht, in einem von Löhnhardt initiierten Kunstprojekt zum Thema Afrika mit großen Bildern, die im vergangenen Jahr in der Reutlinger Stadtbibliothek zu sehen waren? Es ist die besondere Verbindung, die Neuhausen und damit auch Bäcker Winter zu Afrika hat, ein Ort, der seit Jahrzehnten enge Beziehungen zum schwarzen Kontinent pflegt, speziell nach Tandala in Tansania. Da kam ihm die Bekanntschaft mit dem Bäcker gerade recht, wusste er doch von dessen Engagement für Afrika.
Auf zwei großformatigen Bildern ist Michael Winter zusammen mit drei Afrikanern zu sehen, im Hintergrund der Hofbühl. Adili Kyando und Agneta Luvanda aus Tansania absolvieren derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Deutschland, er im WIM-Haus in Neuhausen, sie bei der Bruderhaus-Diakonie auf der Bleiche zwischen Dettingen und Urach, sowie der anerkannte Asylbewerber Zeresenai Thekle aus Eritrea, der im ersten Ausbildungsjahr zum Verkäufer bei der Hugo-Boss AG angestellt ist. Sie wohnen in Winters Privathaus und in einer Wohnung über seiner Bäckerei.

»Wir sind schon seit Jahren Herberge«, sagt der Bäckermeister lachend. Wie andere in Neuhausen auch, immer dann, wenn eine Delegation aus Tansania in Deutschland ist, zum Beispiel der Diakonie-Chor aus Tandala, der von Neuhausen aus regelmäßig kleine Konzertreisen startet. Afrikanische Klänge sind somit im Ort immer wieder zu hören. Die Gäste aus Afrika gehören fest zum Dorfbild.
»Wir sind halt sehr weltoffen«, erklärt Winter und meint damit ganz Neuhausen. »Wir blicken über den Kirchturm Europas hinaus – das reicht eben bis Afrika.« Neuhausen als offene Dorfgemeinschaft, deren soziales Engagement nicht an der Ortsgrenze endet. Das machte sich auch Enrico Löhnhardt, der im Kreisvorstand der FDP sitzt, für sein Vorhaben zunutze, Afrika liegt in Neuhausen doch sehr nah.
Ausgangspunkt seines Kunstprojektes war ein Foto, das er – wie berichtet – in Südspanien gemacht hat. Das Motiv, ein Schild mit der Aufschrift »Afrika 15 Kilometer«. Eine Grenze, auf der einen Seite Reichtum, auf der anderen Armut und Flucht. »Wie Strandgut wirft das Mittelmeer Flüchtlinge an die europäischen Küsten«, sagt dazu Christa Schuster-Salas, die zusammen mit Mathias Beck bunte Bilder zu den Aufnahmen Löhnhardts schufen. Die hatte er zuvor auf Leinwand gedruckt, um sie anschließend bemalen zu lassen.
»Wir sind sehr weltoffen und blicken über den Kirchturm Europas hinaus – bis nach Afrika«
Es entstanden Bilder zum Thema »Wanderung durch die Kontinente« die bis September in der Stadtbibliothek in Reutlingen zu sehen waren, mitten im Corona-Jahr, weshalb sich Michael Winter vorstellen kann, die Kunstwerke einmal erneut zu zeigen. Am besten in Neuhausen, »wenn wir ’mal wieder einen Afrika-Tag veranstalten«.
Zwei der Bilder sind inzwischen in seinem Besitz. Das eine hängt in der Albstraße in seinem Haus, das andere über der Bäckerei in der früheren elterlichen Wohnung, wo er regelmäßig Afrikaner unterbringt. Für Winter keine Frage, »die Bilder stelle ich dafür natürlich gerne wieder zur Verfügung«.
1990 wurden von Neuhausen aus die ersten Kontakte nach Tandala im Süden Tansanias geknüpft. Damals von Friedemann Salzer, dem früheren Ortsvorsteher, der zusammen mit seiner Frau auf einer privaten Reise war. Daraus entstand eine Partnerschaft, in die, so scheint’s, inzwischen der ganze Ort eingebunden ist. Mit vielen gegenseitigen Besuchen, aus denen viele Freundschaften entstanden sind, eine Partnerschaft, die zunächst vom Posaunenchor mitgetragen wurde, in dem auch Michael Winter aktiv ist. Heute ist es die gesamte Kirchengemeinde, die genau genommen auch Entwicklungspolitik betreibt. Mit viel Know-how und Geld aus Neuhausen. Zuletzt haben sie den Bau eines Wasserkraftwerkes unterstützt.
Sind Gäste aus Tansania im Ort, werden sie in der Landessprache begrüßt: »Karibu – herzlich willkommen«. Untergebracht sind sie bei Neuhäuser Familien. Und meist ist es so, dass mehr Quartiere zur Verfügung stehen als gebraucht werden. Und sollte es doch mal eng sein, Bäckermeister Michael Winter findet für jeden noch ein Bett. (GEA)