METZINGEN. Eine lange Tafel mit über 100 unterschiedlichen Apfelsorten in kleinen Körben mit Namensschildchen dominiert den Raum im Obstbaumuseum Glems bei der Obstsortenausstellung am vergangenen Wochenende. Nebenan sind an die 50 Birnensorten sowie Hasel- und Walnüsse ausgestellt. Besucher stehen in Grüppchen an den Tischen betrachten, beschnüffeln und befühlen die Früchte.
Peter Ölhafen aus Metzingen ist heute zum ersten Mal da. Er macht gerne seinen eigenen Most und sucht nach Obstsorten, die dafür geeignet sind. Damit ist er gegen den allgemeinen Trend unterwegs, die alten Mostsorten durch Tafeläpfel zu ersetzen.
Seit 2015 gibt es die Ausstellung in Glems mit 400 bis 600 Besucher jährlich. Das Highlight ist die Möglichkeit zur Sortenbestimmung durch den Landespomologen Hans-Thomas Bosch zusammen mit seinen Kollegen. Gütlesbesitzer aus dem Umkreis stehen an, um die Sorten einiger ungeklärter alter Bäume auf ihrer Obstwiese bestimmen zu lassen. 100 bis zu 380 Sorten werden an diesen Wochenenden vorgestellt.
Obst verfault auf den Bäumen
»Dieses Jahr war die Ernte etwas schwierig, weil es insgesamt weniger Behang gab«, sagt Thilo Tschersich, der Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau im Landratsamt Reutlingen. Das feuchte Frühjahr und die Niederschläge im Sommer habe dazu geführt, dass viel Obst schon auf den Bäumen verfault sei. Daran schuld sei die Pilzerkrankung Monilia gewesen. Zudem seien die Bäume durch die Trockenheit sehr gestresst gewesen. Das habe zu einem mehrmonatigen Vorfruchtfall geführt.
»Zum Glück ist dieser geringe Ertrag nicht flächendeckend gewesen. Stellenweise gab es auch Bäume im Vollertrag. Das kommt durch die Sortenvielfalt und durch die Standortvielfalt, in unserer Gegend«, sagt der Fachberater. Die Menschen hätten über die Jahrhunderte durch Zuchtauswahl und dem versuchsweisen Pflanzen an verschiedenartigen Standorten die Zufallssämlinge vermehrt. Die hätten dann irgendwann den Status als Sorte erhalten. So sei über die Jahrhunderte aufgrund der Standortvielfalt eine große Sortenvielfalt entstanden.
»Selbst in Jahren, in denen es insgesamt sehr wenig Ertrag gibt, werden wir so immer irgendwelche Bäume finden, die einen ordentlichen Ertrag haben.«
Diese Vielfalt zu erhalten ist ein Ziel der Obstsortenausstellung. Bereits verloren geglaubte Sorten tauchen hin und wieder bei der Sortenbestimmung auf, sehr zur Freude der Fachleute. Der Verlust an Fachwissen bereitet ihnen Sorge. Die alten Obstbauern sterben nach und nach aus. Dennoch wollen sie ihre Obstwiesen und damit auch ihr Wissen und ihre Erfahrung häufig nicht an die junge Generation abgeben.
Ausbildungen und Seminare
»Auffällig ist dieses Jahr, dass immer mehr junge Familien zur Sortenbestimmung kommen. Sie hatten das Glück ein eigenes Gütle zu bekommen«, freut sich Tschersich. »Aber oftmals wissen die Jüngeren nicht, wie sie mit ihren Streuobstwiesen richtig umgehen sollten.«
Die Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau im Landkreis wollen diese Wissenslücke füllen und bieten Ausbildungen und Seminare an. Das reicht von der Fachwarteausbildung über Schnittunterweisungen bis zur Sachkundeschulung zum Pflanzenschutz.
Ein gutes Beispiel für die Bewahrung von Wissen ist die Familie Glöckler, die einige Streuobstwiesen in der Gegend besitzt. Sie ist heute mit drei Generationen gekommen. Sabrina, die Jüngste, hat gerade ihre Fachwartausbildung beendet. »Wenn sie dann davon erzählt, fallen mir immer wieder Geschichten und Sachen zum Obstbau ein, die ich bereits vergessen hatte«, sagt ihre Großmutter. (GEA)